ESG: Mehr Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit
Auch kleine und mittelgroße Unternehmen werden schon bald Fragen zu ihren ökologischen und sozialen Standards (ESG) beantworten müssen. Dafür sorgen der Gesetzgeber und der Druck des Marktes. Wie Creditreform seine Kunden auf diesem Weg begleitet.
Der 3D-Druckdienstleister Rapidobject in Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren einiges einfallen lassen, um seine Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Ein intelligentes Zuluftsystem versorgt die 3D-Drucker in der Produktionshalle mit kalter Frischluft und entlastet so die Klimaanlage, das Verpackungsmaterial ist biologisch abbaubar. Seit 2019 erstellt der Mittelständler sogar eine Klimabilanz. „Wir wollten wissen, wie hoch unsere CO2-Emissionen sind, und Bereiche identifizieren, bei denen wir im Sinne des Klimaschutzes Verbesserungen durchsetzen können“, sagt Oliver Jan Wagner, Prokurist bei Rapidobject. Bei ihrer Hausbank, der Commerzbank in Leipzig, kam das gut an. „Dort war man überrascht, dass wir uns als vergleichsweise kleines Unternehmen so intensiv mit Klimaschutz beschäftigen“, sagt Geschäftsführerin Petra Wallasch.
Nach Einschätzung von Frank Immenga, Jurist und Professor für Umweltwirtschaft und -recht am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, handeln kleine und mittlere Firmen, die sich freiwillig um mehr Nachhaltigkeit bemühen, klug und vorausschauend: „Der gesetzliche Druck, nachhaltiger zu handeln, wird in den nächsten Jahren deutlich steigen – auch für Mittelständler.“
Wer muss berichten?
Grob gesagt, müssen Unternehmen Auskunft zu den sogenannten ESG-Faktoren (Environment, Social und Governance) und Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen geben, sich zur Achtung der Menschenrechte bekennen und beschreiben, was sie zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung unternehmen.
Die Gesetzgebung will auch, dass Unternehmen den Anteil ihres Umsatzes berichten, der als nachhaltig klassifiziert wird. Einen branchenspezifischen Rahmen zur Bestimmung nachhaltiger, „grüner“ Umsätze liefert die EU-Kommission mit ihrer Taxonomie (EU 2020/852).
Und die Anforderungen werden weiter steigen. So hat die EU-Kommission bereits mehrere Änderungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen verfügt. Bisher sind in Deutschland nur kapitalmarktorientierte Unternehmen im Zuge des „non-financial reporting“ verpflichtet, Kennziffern zu Nachhaltigkeitskriterien zu publizieren. Ab dem Geschäftsjahr 2021 sind auch Unternehmen, die im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeiter zählen, einen Umsatz von mindestens 40 Millionen Euro erwirtschaften oder eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro aufweisen, verpflichtet, zusätzlich zu ihrem Zahlenwerk auch Angaben zu den „nichtfinanziellen Aspekten“ zu machen. Nach einer neuen EU-Vorgabe könnten ab Jahresbeginn 2024 auch Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden berichtspflichtig werden. Unter Umständen wird der Nachhaltigkeitsbericht ab diesem Zeitpunkt als Teil der Jahresberichterstattung sogar prüfungsrelevant. Dann werden Wirtschaftsprüfer einen Abschluss nur testieren, wenn sie keine Zweifel haben, dass der Mandant auch in der Disziplin Nachhaltigkeit sämtlichen Verpflichtungen nachkommt.
KMU unter Zugzwang
Bewegung kommt in das Thema auch durch das zu Jahresbeginn 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz. „Hier sind zwar zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden betroffen. Aber diese sind verpflichtet, auch die Geschäftsbereiche ihrer unmittelbaren Zulieferer auf Risiken zu durchleuchten. Damit geraten auch kleine und mittelgroße Betriebe als Teil der Lieferkette unter Zugzwang“, sagt Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG.
Starker Druck kommt auch vonseiten der kreditgebenden Banken. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat die von ihr beaufsichtigten Unternehmen in einem Merkblatt angewiesen, dass sie „eine Auseinandersetzung auch mit Nachhaltigkeitsrisiken sicherstellen und dokumentieren“. Die ESG-Faktoren werden Bestandteil der Geschäftsstrategie und damit auch der Kreditpolitik von Banken. Konkrete Prüfungsanforderungen formuliert die BaFin zwar noch nicht. Aber Munsch empfiehlt: „Jeder, der sich irgendwann einmal fremdfinanzieren möchte, sollte bereits heute anfangen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Wenn er dort punkten kann, ist das auch positiv für die Beurteilung seiner Bonität.“
Creditreform möchte diesen Weg gemeinsam mit seinen Kunden gehen und damit auch für mehr Transparenz am Markt sorgen. „Unser mittelfristiges Ziel ist es, zu jedem wirtschaftsaktiven Unternehmen in Deutschland eine belastbare Aussage zum Thema Nachhaltigkeit treffen zu können“, sagt Munsch. In einem ersten Schritt entwickelt Creditreform bis zum Jahresende 2021 auf Branchendaten und Benchmark-Werten basierende ESG-Scores. Grundlage dafür sind frei verfügbare Daten sowie exklusive Creditreform-Daten. Anschließend folgt die eigentliche Herausforderung: Schritt für Schritt eine individualisierte Betrachtung für alle Unternehmen zu entwickeln. „Das ist ein laufender Prozess, bei dem wir aber schnell Fahrt aufnehmen werden. Denn die Beschaffung und Analyse von Daten ist die Kernkompetenz von Creditreform“, betont Munsch.
Know-how-Träger und Motor ist dabei zunächst vor allem die Creditreform Rating AG. Sie ist aufgrund regulatorischer Anforderungen bereits heute verpflichtet, bei ihren Ratingprozessen auch Nachhaltigkeitsrisiken zu berücksichtigen. „Dieses Wissen und diese Erfahrung tragen wir sukzessive in die gesamte Creditreform Gruppe, damit möglichst bald jede Firmenauskunft auch Aussagen zum Engagement in Sachen Nachhaltigkeit enthält“, sagt Munsch.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber