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Creditreform Magazin

Lichtblick aus dem Norden

Nach den jüngsten Bankenpleiten könnten Unternehmen noch schwieriger als bisher an einen Bankkredit kommen. Die skandinavischen Kapitalmärkte/Nordic Bonds bieten Mittelständlern eine Möglichkeit, sich alternative Finanzierungsquellen zu erschließen.

Panikmache ist Fritzi Köhler-Geib fremd. Die Chefvolkswirtin der KfW äußert sich meist ruhig und überlegt über das Geschäftsklima im deutschen Mittelstand, das die staatliche Förderbank regelmäßig abfragt. Umso mehr beachtet wurden ihr warnenden Worte Anfang Februar zur allgemeinen Finanzierungssituation. „Das Jahr 2023 lässt weitere Zinsanstiege und ein schwierigeres makroökonomisches Umfeld erwarten. Beides dürfte dazu beitragen, dass die Situation am Kreditmarkt für die Unternehmen aller Größenklassen ungemütlich bleibt und sich möglicherweise noch verschärft“, prognostizierte sie bei der Veröffentlichung der jüngsten Ergebnisse zur KfW-ifo-Kredithürde.

Demnach hatten 31,3 Prozent der befragten Mittelständler, die sich in Kreditverhandlungen befanden, das Verhalten der Banken als restriktiv eingestuft. Das sind 3,4 Prozentpunkte mehr als im Vorquartal. Der Wert der KfW-Kredithürde für kleine und mittlere Unternehmen ist damit zum dritten Mal in Folge angestiegen. Zugleich wurde ein neuer Höchststand seit Einführung der Befragungsmethodik im Jahr 2017 erreicht.

Mit Nordic Bonds gegen die Kreditklemme

Dabei lief die Befragung im Schlussquartal 2022, also noch lange bevor die Pleite der Silicon Valley Bank und die Not-Übernahme der Schweizer Credit Suisse durch die UBS Schockwellen in das internationale Bankensystem sendeten. „Die Ereignisse im Bankensektor im März signalisieren, dass die Leitzinsen zu hoch sind. Hinzu kommt, dass über das Bankensystem eine breitere Kreditklemme droht“, sagt Peter De Coensel, Vorstandschef des Vermögensverwalters Degroof Petercam Asset Management.

Für den Mittelstand ist der klassische Bankkredit bislang das wichtigste Finanzierungsinstrument. Angesichts des düsteren Ausblicks sind Unternehmensverantwortliche gut beraten, nach neuen Kapitalquellen Ausschau zu halten. Vor allem für mittlere und eher größere Mittelständler sind Nordic Bonds eine mögliche Alternative. Vom Grundsatz her sind das Unternehmensanleihen, die vorzugsweise an der Börse in Oslo und Stockholm begeben werden. Schweden und Norwegen – das liest sich ein wenig nach Provinz auf der Weltkarte der internationalen Finanzplätze. Doch der Eindruck täuscht.

„Mit Nordic Bonds bekommen auch Mittelständler, die von ihren Voraussetzungen her unter Umständen noch nicht uneingeschränkt kapitalmarktfähig sind“, erläutert Gero Wendenburg, Head of Investment Banking Germany beim Corporate-Finance-Haus Pareto Securities. „Etwa die Hälfte der Emittenten kommen von außerhalb Skandinaviens.“

Nordic Bonds: Schlanke Prozesse, kurze Fristen

Ende vergangenen Jahres erreichte das ausstehende Volumen an Nordic Bonds umgerechnet knapp 50 Milliarden Euro, ein steigender Anteil davon in Green Bonds. Rund 40 Prozent der Emissionen sind direkt in Euro oder Dollar denominiert. Damit bringt der skandinavische Markt für Unternehmensanleihen ein Vielfaches an Gewicht auf die Waage als etwa das Segment für Mittelstandsanleihen an der Frankfurter Börse. Auf Emittentenseite kommen die Unternehmen aus Norwegen und Schweden, die Mehrheit aus Bereichen wie IT, Finanzsektor, Logistik und Erneuerbare Energien. Dazwischen haben auch einige Mittelständler aus Deutschland bereits erfolgreich den Sprung auf das Börsenparkett in Nordeuropa gemacht – zum Beispiel die Schletter Group. Der Konzern aus Oberbayern, ein international tätiger Hersteller von Photovoltaik-Montagesystemen aus Aluminium und Stahl, hat im Spätsommer vergangenen Jahres einen Nordic Bond über insgesamt 65 Millionen aufgelegt.

„Aus Sicht der Emittenten machen vergleichsweise geringe Dokumentationspflichten, niedrige Transaktionskosten und die schnelle Umsetzung diese Anleiheform vor allem für Mittelständler besonders attraktiv“, so Wendenburg, dessen Haus sich auf die Konzeption und Emission von Nordic Bonds spezialisiert hat. „Von Beginn der Vorbereitungsphase bis zur Platzierung und dem Settlement lässt sich eine Emission innerhalb von sechs bis zehn Wochen durchziehen.“ Möglich wird diese vergleichsweise kurze Frist ganz wesentlich aufgrund des schlanken Dokumentationsprozesses. Eine aussagekräftige Investorenpräsentation, ein Term-Sheet und eine Kreditanalyse auf Basis aktueller Geschäftszahlen reichen, damit Maklerhäuser mit der Vermarktung bei Investoren starten. „Ein Rating ist bei kleineren Emissionen nicht erforderlich“, sagt Pareto-Spezialist Wendenburg. „Das empfehlen wir erst ab einem Volumen von mehr als 250 Millionen Euro. Dann macht das schon mal einen Unterschied von 50 Basispunkten zugunsten des Schuldners, was sich bei diesen Größenordnungen rechnet“.

Anleihen lassen sich sehr flexibel gestalten

Nordic Bonds erlauben zudem sehr flexible Strukturmerkmale. Die Anleihe kann fest oder variabel verzinst und in verschiedenen Währungen begeben werden. Üblich ist die Rückzahlung in einer Summe am Ende der Laufzeit. Meist sind das zwischen drei und sieben Jahren. Anders als bei der Annuität eines Bankkredits, kann der Cash-flow, der dadurch in der Zwischenzeit generiert wird, zur Finanzierung des operativen Geschäfts genutzt oder in andere Bereiche investiert werden.

Nordic Bonds lassen sich vorrangig unbesichert als auch besichert begeben. Anders als bei Banken, die häufig sehr strikte Kreditregeln vereinbaren, sind ausgeprägte Covenants bei diesen Papieren eher die Ausnahme. Eine zusätzliche Besonderheit: Der Emittent kann nachträglich das Anleihevolumen aufstocken auf Basis der bestehenden Emissionsdokumente. „Das verschafft Unternehmen gerade in der derzeitigen, von hoher Unsicherheit geprägten Phase größeren Handlungsspielraum“, sagt Wendenburg, der als sinnvolle Mindestgröße für eine Emission 30 Millionen Euro nennt.

Trotz aller Vorteile – an der Börse gibt es erfahrungsgemäß nichts geschenkt. Der Nordic-Bond-Markt ist ein klassisches Hochzinssegment. „Im direkten Vergleich ist ein Bank- oder Schuldscheindarlehen für Unternehmen mit hoher Bonität sicherlich günstiger“, stellt Wendenburg klar. „Anders sieht es jedoch im risikobehafteten Non-Investment-Grade-Bereich aus. Dort können wir aufgrund unseres Know-how und mit unserem Investorennetzwerk Nordic Bonds zu wettbewerbsfähigen Konditionen realisieren.“

Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Thomas Luther
Bildnachweis: istock.com / Torsten Asmus



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