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Inflation vs. Investition: Lohnt sich das Warten auf die Zinswende?

Wenn die Inflationsrate weiter sinkt, fallen auch die Leit- und somit die Kreditzinsen. Auf diesen Zusammenhang hoffen viele Unternehmen – und schieben wichtige Investitionen auf die lange Bank. Doch die Annahme könnte sich als Irrglaube herausstellen. Warum sich das Warten nicht immer lohnt.

An Herausforderungen mangelt es Unternehmern derzeit sicher nicht. Fachkräftemangel, Energiekosten, instabile Lieferketten und verschärfte regulatorische Anforderungen zehren an der Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit. Hinzu kommen die schwierigen Finanzierungsbedingungen, die ebenfalls eine enorme Belastung darstellen. Denn die Zinsen für Unternehmenskredite haben in den vergangenen eineinhalb Jahren einen beispiellosen Anstieg erlebt. Laut Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) bewegen sich die durchschnittlichen Zinssätze in Deutschland und der gesamten Eurozone inzwischen auf einem Stand von mehr als fünf Prozent – gegenüber 1,8 Prozent im August 2022.  

Gleichzeitig schränken die Banken ihre Kreditvergabe ein, beziehungsweise geht auch die Nachfrage nach Krediten zurück. Die KfW berichtet im aktuellen Kreditmarktausblick, dass deutsche Banken im Jahr 2023 rund 15 Prozent weniger Kreditgeschäfte mit Unternehmen und Selbstständigen gemacht haben. Die Experten der Förderbank stellen fest, dass vor allem das hohe Zinsniveau KMU belastet. Es ist die unausweichliche Folge der Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die als Reaktion auf die hohe Inflation den Leitzins innerhalb eines Jahres bis Herbst 2023 von Null Prozent auf 4,5 Prozent angehoben hat – den höchsten Wert seit 15 Jahren.

 

Signale auf sinkende Zinsen

Da scheint es naheliegend, dass Unternehmen auf bessere Zeiten hoffen – und bei Investitionen auf günstigere Zeiten warten. Aber ist ihr Optimismus begründet? Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass der Inflationsdruck nachlässt. Auch deuten Signale der EZB darauf hindeuten, dass die Leitzinsen ihren Höchststand erreicht haben – und in Zukunft wieder sinken könnten. Die Analysten von Creditreform Rating rechnen in ihrem jüngsten volkwirtschaftlichen Briefing damit, dass ab Juni 2024 eine geldpolitische Wende einsetzen werde und der EZB-Zins Ende 2024 bei nur noch 3,75 Prozent liegen könnte. „Auch wenn die wirtschaftlichen Prognosen nach unten korrigiert wurden, gehen wir davon aus, dass die Talsohle erreicht ist, und die abnehmende Inflation zu einer Belebung des privaten Konsums beitragen wird. Die sich andeutende Wende bei der Geldpolitik sollte eine weitere Belebung der Inlandsnachfrage im nächsten Jahr ermöglichen“, sagt Fabienne Riefer, Head of Public Finance and Economic Research bei Creditreform Rating.

Keine Rückkehr zur Niedrigzinsphase

Das ist eine Verbesserung, allerdings nur eine moderate. Fachleute gehen davon aus, dass ein weiterer Rückgang der Zinsen ein langer Prozess ist. „Die Zeit zwischen der Finanzkrise und dem Ende der Corona-Pandemie war geldpolitisch einzigartig“, kommentiert Alexander Börsch, Chefökonom der Unternehmensberatung Deloitte, die jahrelange Niedrigzinsphase. Diese Zeiten seien vorbei und kämen auch so schnell nicht zurück. Vielmehr seien die gestiegenen Zinsen „eher eine Rückkehr zur Normalität“, so Börsch. Er rät deshalb davon ab, auf bessere Zeiten zu warten und empfiehlt stattdessen, die generelle Finanzierungsstrategie zu überdenken.

  • Diese 5 Faktoren sollten sich Unternehmen dabei bewusst machen:

    1. Zinsänderungen kommen in der Wirtschaft immer erst mit Verzögerung an. Das gilt nicht nur für Zinssenkungen, sondern auch für die bisherigen Zinserhöhungen. Für langlaufende Darlehen etwa, die vor zwei, drei Jahren abgeschlossen wurden, zahlen Unternehmen noch den günstigen Zins. Hier spüren sie den Anstieg erst, wenn sie auslaufende Kredite umfinanzieren müssen.

    2. Viele Investitionen werden von Bund und Ländern über Programme der KfW, der Landesförderbanken und des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) subventioniert. Allerdings nur so lange die öffentlichen Haushalte die nötigen Mittel hergeben. Wie schnell Förderungen auch wieder gestrichen und eingespart werden, hat die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz rund um den Jahreswechsel gezeigt. Wer zu lange wartet, riskiert somit unter Umständen, auf eine Förderung verzichten zu müssen.

    3. Die globalisierte Wirtschaft steht auf tönernen Füßen. Immer wieder sorgen geopolitische Ereignisse dafür, dass Konjunktur, Rohstoffpreise, Inflation sich anders entwickeln, als erwartet. Auch wenn die hohen Inflationsrisiken vorerst gebannt scheinen, bedeutet das nicht, dass die Teuerung nicht auch wieder ansteigen kann. Gut möglich scheint auch, dass die Kreditkosten zwar moderat sinken, die Preise für Investitionsgüter aber weiter steigen. In einem solchen Szenario könnte der höhere Preis den Zinsvorteil wieder zunichtemachen.

    4. Geht es auch ohne Kredit? Auch diese Frage sollten sich Unternehmer stellen – und alternative Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. Was bei Firmenwagen und Immobilien gang und gäbe ist, wird auch bei anderen Gütern beliebter. Der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) hat im März aktuelle Marktzahlen veröffentlicht. Demnach hat die Branche 2023 gut 4 Prozent mehr IT und Software per Leasing finanziert sowie 34 Prozent mehr sonstige Ausrüstungen. Darunter fallen laut BDL unter anderem Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie.

    5. Wer nicht investiert, riskiert seine Zukunftsfähigkeit. Deshalb sollte die aktuelle Zinssituation als Kostenfaktor akzeptiert werden. Ansonsten drohen Unternehmen gegenüber Wettbewerbern, die konsequenter in neue Technologien investieren, ins Hintertreffen zu geraten. Ausgaben für Digitalisierungsprojekte oder auch Nachhaltigkeit haben zudem langfristige Effekte – und können künftig sogar dazu beitragen, die Finanzierungskonditionen zu verbessern. Wenn Banken etwa auch ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe stärker berücksichtigen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
Bildnachweis: Thitaree Sarmkasat / iStock



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