Creditreform Magazin

Digitalisierte Export-Finanzierung

Die Corona-Pandemie erschüttert die Weltwirtschaft und stellt Exportunternehmen vor existenzielle Fragen: Wird der Kunde im Ausland zahlen oder steckt er bereits in Schwierigkeiten? Große Exportgeschäfte sichert der Bund durch staatliche Exportkreditgarantien ab. Für kleine Aufträge ab 100.000 Euro bieten nun Fintechs interessante Lösungen an.

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Welt kleiner geworden. Vor der Corona-Krise war sie geschrumpft zum globalen Dorf. Im weltumspannenden Handel florierten die Geschäfte deutscher Exporteure. Doch nun sind Weltwirtschaft und Außenhandel ins Stocken geraten. Und das stellt vor allem kleinere und mittelständische deutsche Firmen vor große Schwierigkeiten. Sie müssen sich derzeit sehr genau überlegen, mit wem im Ausland sie noch Geschäfte machen oder ob sie auf Ausfuhren in weitgehend unbekannte Märkte verzichten sollten. Denn beim Warenhandel über Grenzen hinweg besteht ein Problem: Der Lieferant hätte sein Geld gerne sofort, sein Geschäftspartner dagegen die Ware möglichst schnell. Viele ausländische Importeure aber können erst später zahlen oder möchten den Kauf finanzieren.

Die dabei entstehenden Risiken sichert der Staat seit langer Zeit mit Exportgarantien ab. Sie werden von Euler Hermes als Mandatar des Bundes bearbeitet. Die Versicherungen stehen in vielfältiger Variation prinzipiell allen deutschen Unternehmen, die Ausfuhr betreiben, und deren finanzierenden Banken zur Verfügung. Die Garantien sollen wirtschaftlich und politisch bedingte Forderungsausfälle absichern. Dafür werden risikobasierte Prämien verlangt.

So wurden etwa im Jahr 2018 deutsche Exporte in Höhe von 19,8 Milliarden Euro abgesichert – 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Lieferungen und Leistungen in Schwellen- und Entwicklungsländer machten mit fast 75 Prozent den Großteil des Deckungsvolumens aus. Der Überschuss aus diesem Geschäft betrug 166 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2019 wurden Exportkreditgarantien in Höhe von 8,7 Milliarden Euro übernommen. Im Ranking der Exportziele liegen Russland, Italien und die Türkei an der Spitze. Ebenfalls zu den Top Ten der hermesgedeckten Exportgeschäfte gehören China, Brasilien und Ägypten. Bisher konzentrierte sich der Bund allerdings auf die Absicherung großer Aufträge ab fünf Millionen Euro.

Mit kleinen Tickets um die Welt

Was viele Exporteure nicht wissen: Seit knapp zwei Jahren können sie für die Finanzierung und Absicherung ihres internationalen Business auch für sogenannte Small-Tickets, also Aufträge, die einen Wert von weniger als fünf Millionen Euro haben, staatliche Exportgarantien sowie private Exportkreditversicherer nutzen – der Digitalisierung sei Dank. Diese kleinen Aufträge machen laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) etwa zehn bis 15 Prozent des deutschen Exportvolumens aus. Das seit Juli 2018 verfügbare Produkt heißt „Hermesdeckungen click&cover EXPORT“. Im Februar 2019 wurde außerdem ein digitales Produkt für Banken eingeführt, die Small Ticket-Finanzierungen für Exporte anbieten. Hier spielen die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die Spezialbank AKA Ausfuhrkredit-Gesellschaft vorne mit. Letztere hat vor eineinhalb Jahren eine digitale Antragsstrecke für hermesgedeckte Bestellerkredite zwischen einer und zehn Millionen Euro aufgebaut. Name: SmaTiX. In vier Schritten wird der Exporteur durch das Verfahren geführt und erhält im besten Fall sofort eine Finanzierungsindikation inklusive Tilgungsplan. „Diese Finanzierungslösung kann er seinem Kunden vorlegen“, erklärt Armin Wittemer, der bei der AKA-Bank die Plattform- und Produktentwicklung verantwortet. „Der Importeur wird auch unser Vertragspartner.“ Dank einer Schnittstelle zwischen SmaTiX und click&cover EXPORT können die Daten zwischen beiden Antragsstrecken ausgetauscht werden. Um sich für SmaTiX zu registrieren, kann sich der Exporteur an seine Hausbank oder eine der 17 AKA-Gesellschafterbanken wenden.

Schnell und unbürokratisch

Zu den Fintechs, die sich im Small-Ticket-Segment tummeln, gehören HandEX, TraFinScout und Tr8fin. Sie sind auf kleine und mittlere Unternehmen fokussiert. „Und die brauchen für ihre Auslandsgeschäfte in der Regel Summen zwischen 100.000 Euro und fünf Millionen Euro“, erklärt Patrick Kupitz, Mitgründer der Hamburger Plattform HandEX. „Weltweit werden etwa 50 Prozent der Kreditanfragen, die sich in dieser Range bewegen, von Banken abgelehnt.“ Diese Situation monieren Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der VDMA seit Jahren. Sie fordern zudem, dass die Anträge für Exportfinanzierungen weniger bürokratisch werden. Kupitz: „Zu Recht, denn KMU beklagen immer wieder, dass der Antragsprozess kompliziert und analog ist.“ Sein Startup, an dem sich der High-Tech Gründerfonds beteiligt hat, verspricht einen einfacheren Ablauf. Dafür haben die Hamburger die einzelnen Schritte für den Kunden und die internen Prozesse weitgehend digitalisiert. Beispiel: der „Know Your Customer“-Prozess. Er bietet die Möglichkeiten, sich per Video identifizieren zu lassen und Verträge digital zu unterschreiben. Zudem kann der Besteller zum HandEX-Portal eingeladen werden, um selbst Daten und Dokumente beizubringen.

Apropos Besteller: Michael Maurer, Leiter Export Finance bei der LBBW, unterstreicht zwar die technischen Erleichterungen im elektronischen Antragsverfahren für Exporteure. Zu jedem Exportgeschäft gehöre aber auch ein Importeur. Und auf dieser Seite des Handels hake es noch bei den Automatisierungs- und Digitalisierungsbemühungen. Technische Erleichterungen für die Importeure seien „der Schlüssel für weitere Entwicklungen“.


„Weltweit werden etwa 50 Prozent der Kreditanfragen zwischen 100.000 und fünf Millionen Euro abgelehnt.“
Patrick Kupitz, Mitgründer der Plattform Hand­EX


One-Stop-Shop für Auslandsgeschäfte

HandEX bietet seit Mitte letzten Jahres Exportfinanzierungen und -versicherungen im Small-Ticket-Bereich aus einer Hand. Das machen die meisten Hausbanken nicht. Die Hanseaten verstehen sich wie die anderen Fintechs in diesem Segment auch als One-Stop-Shop und wenden sich an inländische Exporteure und Importeure im Ausland. Im Angebot haben sie hermesgedeckte Forfaitierung (Forderungsankauf) und Bestellerkredite. Finanzierungspartner mit BaFin-Lizenz ist die Varengold Bank, von deren Zinserträgen und Gebühren ein Teil bei HandEX landet. Anträge für staatliche Hermesdeckungen werden über eine digitale Schnittstelle eingespielt.

In den ersten neun Monaten seit der Gründung haben KMU bei HandEX Kredite von gut 100 Millionen Euro angefragt. Im Schnitt brauchten die Firmen rund 1,5 Millionen Euro. In erster Linie handelt es sich um Maschinen- und Anlagenbauer, Energiezubehörlieferanten und Medizintechnikhersteller, die ihre Produkte in Schwellen- und Entwicklungsländer wie Russland und die Ukraine oder nach Lateinamerika, Nordafrika und Südostasien ausführen.

Und was bedeutet die Corona-Krise für die Exportfinanzierung kleinerer Tickets? „Zu Beginn der Krise haben einige Exporteure noch schnell versucht, mit einer Finanzierung einen Auftrag zu sichern“, berichtet Peter Kupitz. „Viele Importeure im Ausland sind seit Wochen sehr vorsichtig, weil sich Wechselkurse verschieben.“ Kupitz nennt das Beispiel Mexiko. Dort müssen für Einfuhren derzeit 15 bis 20 Prozent mehr gezahlt werden als noch zu Jahresbeginn. Auch LBBW-Exportfachmann Maurer beobachtet, „dass fest eingeplante Aufträge nun wackeln“. Um die Finanzierung bräuchten Unternehmen sich keine Sorge zu machen, das Instrumentarium sei voll funktionsfähig.


Sieben wichtige Sicherungsformen im Auslandsgeschäft

  1. Eine Vorauszahlung oder Anzahlung ist die sicherste Form der Absicherung. Einige Käufer schreckt das ab.
     
  2. Bei Abschlüssen mit unbekannten Partnern ist ein Akkreditiv empfehlenswert, in dem Lieferbedingungen beschrieben und Fristen festgelegt sind. Voraussetzung: Der Importeur hat eine erstklassige Bank.
     
  3. Forfaitierung, der Ankauf von Exportforderungen durch Banken oder Spezialinstitute, erhöht die Liquidität und entlastet die Bilanz des Exporteurs. Die Kosten hängen auch vom Länderrisiko und von der Schuldnerbonität ab.
     
  4. Beim Exportfactoring tritt der Verkäufer seine Forderung ab und erhält bis zu 90 Prozent des Betrages sofort. Der Factor übernimmt das Forderungsausfallrisiko und kümmert sich um das Mahnwesen.
     
  5. Kostengünstig ist die Exportfinanzierung über einen bankavalierten Wechsel. Nachteil: Es gibt keine Sicherheit über den Zeitpunkt, wann der Wechsel in den eigenen Besitz übergeht.
     
  6. Eine Kreditversicherung schützt vor wirtschaftlichen Risiken. Sie übernimmt nach Bonitätsprüfung nur Forderungen, die im vereinbarten Limit liegen.
     
  7. Bei der Lieferung unter Eigentumsvorbehalt gehört die Ware bis zur Kaufpreiszahlung dem Exporteur. Problematisch ist es, wenn der Abnehmer die Ware verarbeitet oder weiterverkauft hat. Viele Länder kennen den Eigentumsvorbehalt nicht.
     

Quelle: ADF Allgemeine Datenbank für Forderungseinzug


Quelle: Magazin "Creditreform"

Text: Jürgen Hoffmann