Abstieg im Eiltempo – Deutschland stolpert in die Rezession
Die Rezession in Deutschland ist stärker als bisher gedacht. Die US-Zollpolitik erhöht zusätzlich den Druck auf die deutsche Wirtschaft.
In den vergangenen Tagen ließen einige Wirtschaftsnachrichten aufhorchen. Da ist die Ende Juli in Schottland erzielte Einigung zwischen den USA und der EU auf ein vorläufiges Handelsabkommen. Für die meisten Waren, auch aus Deutschland, gelten ab sofort US-Importzölle von 15 Prozent. Ebenfalls Ende Juli teilte der deutsche Autokonzern Mercedes-Benz mit, dass das Konzernergebnis im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 55,8 Prozent zurückgegangen sei. Und dann kam vom Statistischen Bundesamt auch noch die Nachricht, dass das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen Jahren stärker geschrumpft sei als bisher angenommen. Was ist da los?
BIP deutlich stärker gefallen als bisher angenommen
Keine Frage: Das „Erfolgsmodell Deutschland“ in seiner bisherigen Form ist an sein Ende gelangt. Deutschlands Abstieg von der Spitze Europas schreitet voran, die Krisenzeichen nehmen zu. Und wie zur Bestätigung zeigt sich nun, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland zuletzt deutlich stärker gefallen ist als bisher angenommen. Dazu muss man wissen: Das Statistische Bundesamt überarbeitet regelmäßig im Sommer die bis dahin veröffentlichten Ergebnisse der Vorjahre und bezieht neu verfügbare statistische Informationen in die Berechnungen ein. So auch jetzt. Demnach reduzierte sich das BIP 2023 gegenüber dem Vorjahr tatsächlich um 0,9 Prozent – und nicht nur um 0,3 Prozent, wie bisher bekannt. 2024 sank es um 0,5 statt um 0,2 Prozent.
Zwei Rezessionsjahre in Folge haben ihre Spuren hinterlassen. Die schwache Wirtschaftsentwicklung ist geprägt von schwächelnden Exporten, enormen Kosten, zunehmenden politischen Unsicherheiten und einer lahmenden Binnenkonjunktur. Trotz Lohnsteigerungen können sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und der immer schwächeren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin nicht in gleichem Maße zum Konsum entschließen wie in früheren Zeiten. Viele Unternehmen geraten in Schwierigkeiten. Die Insolvenzzahlen nahmen zuletzt deutlich zu.
Geschäfte für deutsche Unternehmen werden schwieriger
Und auch Nachrichten, wie die vom Gewinneinbruch bei Mercedes-Benz, lassen aufhorchen. Als Gründe nennt der Konzern zum einen Sondereffekte, wie die Kosten des gestarteten Personalabbaus. Aber auch die stark gestiegenen US-Importzölle und ein schwächelndes China-Geschäft drücken auf die Gewinne. Der Automobilriese rechnet mit einem Konzernumsatz klar unter dem Niveau des Vorjahres mit sinkenden Umsatzrenditen und einem niedrigeren Absatz.
Die Geschäfte für immer mehr deutsche Unternehmen werden schwieriger – und dazu tragen, wie im Fall von Mercedes-Benz, auch die US-Importzölle bei. Der Automobilkonzern hatte seit Monaten mit Zöllen in Höhe von 30 Prozent zu kämpfen. Nach dem Deal zwischen den USA und der EU sind es nun 15 Prozent und damit immer noch deutlich mehr als vor dem Amtsantritt von Donald Trump.
Zoll-Deal „wird deutscher Wirtschaft wehtun“
Die deutschen Unternehmen erwarten dadurch mehrheitlich weitere Beeinträchtigungen im transatlantischen Handel. Dies zeigt eine am 6. August veröffentlichte aktuelle Blitzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Nicht etwa Erleichterung herrscht vor, sondern Sorgen bestimmen das Bild. 58 Prozent der befragten Betriebe befürchten neue Belastungen. Bei den Unternehmen mit US-Geschäft gilt dies sogar für 74 Prozent.
„Der Deal wird der deutschen Wirtschaft wehtun“, bestätigt etwa Jürgen Matthes, Leiter des Themenclusters „Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte“ beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Für Unternehmen, die in direktem Wettbewerb mit amerikanischen Herstellern stünden, etwa einige deutsche Autokonzerne, sei der Deal eine bittere Pille. Diese Unternehmen würden wohl Marktanteile verlieren.
Anbieter von standardisierten Produkten besonders betroffen
Ob und in welchem Maße mittelständische Exportunternehmen negativ von der US-Zollpolitik betroffen sind, hängt nach einer aktuellen Einschätzung des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) vor allem vom Spezialisierungsgrad der konkreten Ware oder Dienstleistung ab. Je innovativer und passgenauer die Lösungen seien, die die Unternehmen vor allem im B2B-Bereich für ihre US-Kunden erstellen, desto eher könnten sie ihre Preise trotz Zoll stabil halten. Besonders betroffen seien hingegen diejenigen Mittelständler, die weitgehend standardisierte Produkte anbieten. Hier könnte sich der Zollsatz von 15 Prozent auf die erzielbaren Preise und Absatzmengen auswirken.
Nach Ansicht des IW-Experten Jürgen Matthes ist der Zolldeal insgesamt für die deutsche Wirtschaft gerade noch zu verkraften, aber nur, wenn er auch verlässlich ist.
Verlässlich ist derzeit wohl nur, dass sich die deutsche Wirtschaft in einem äußerst schwierigen Umfeld befindet. Die vielen Vorteile der Vergangenheit, die Deutschland durch die Globalisierung hatte, verkehren sich in diesen Zeiten um.
An den Zöllen lässt sich nichts ändern. An manch anderen Rahmenbedingungen schon. Was es jetzt braucht, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, sind echte Strukturreformen. Nach fünf Jahren Krise und zwei Jahren rückläufiger Wirtschaftsleistung steht das „Erfolgsmodell Deutschland“ in Frage. 2025 ist also durchaus ein Schicksalsjahr. Die Wirtschaftswende muss gelingen. Und das geht nur mit Strukturreformen, Bürokratieabbau und einem gesellschaftlichen Ruck. Dazu braucht es echten politischen Willen zur Veränderung. Aber auch Unternehmen und die Gesellschaft müssen jetzt spürbar umschwenken.
Quellen:
www.dihk.de
www.ifm-bonn.org
www.iwkoeln.de
www.tagesschau.de
www.zeit.de