Mittelstand auf Sparkurs – Investitionslust sinkt, Kreditangst steigt
Die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Kredite nachfragen, hat sich in den vergangenen Jahren annähernd halbiert.
Das International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne veröffentlichte vor kurzem seine diesjährige Auswertung zur Wettbewerbsfähigkeit von 69 Ländern. Die gute Nachricht: Deutschland konnte sich um fünf Plätze auf Rang 19 verbessern. Das ist zwar weit entfernt von der Bestplatzierung vor elf Jahren – damals schaffte es Deutschland auf den sechsten Platz –, aber es ist immerhin ein Hoffnungsschimmer.
Trotzdem ist Optimismus „noch ein rares Gut“, wie Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, in einer Kolumne für Creditreform schreibt. Optimismus wäre aber gut, denn Unternehmen setzen nur dann Finanzmittel für Investitionen ein, wenn sie sich davon etwas versprechen – erst recht, wenn sie ihre Investitionen fremdfinanzieren.
Unternehmen mit Investitionsabsichten zurückhaltend
Aktuell bleiben die Unternehmen bei ihren Investitionsabsichten in Deutschland weiterhin zurückhaltend. Laut Konjunkturumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vom Frühsommer 2025 plant fast jeder dritte Betrieb, Investitionen zurückzufahren, während nur ein knappes Viertel die Investitionen erhöhen will. Der resultierende Saldo der Investitionspläne von minus 7 Punkten hat sich damit gegenüber dem Niveau zu Jahresbeginn (minus 10 Punkte) zwar leicht verbessert, bleibt aber weiterhin negativ und liegt deutlich unter dem langjährigen Schnitt (plus 3 Punkte). „Die Investitionen der Unternehmen kommen nicht in Schwung“, befand DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov Ende Mai. „Ohne dass wir hier positive Veränderungen sehen, wird es auch keinen sich selbst tragenden Aufschwung geben. Denn von den 900 Mrd. Euro an jährlichen Investitionen hierzulande kommen fast 90 Prozent aus der privaten Wirtschaft.“
Wenn also die Investitionen der Unternehmen nicht in Schwung kommen, leidet nicht nur ihre individuelle Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die des Staates. Ein Indiz für den fehlenden Schwung: Immer mehr Unternehmen im Mittelstand verzichten auf Bankkredite zur Investitionsfinanzierung, zeigt eine Untersuchung von KfW Research. Das Institut spricht von einem „schleichenden Rückzug“. So habe sich der Anteil investierender Mittelständler, die zur Finanzierung ihrer Investitionen Bankkredite eingesetzt haben, in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahezu halbiert – von 40 Prozent im Jahr 2004 auf 23 Prozent im Jahr 2023. Mit anderen Worten: Drei von vier KMU verzichteten auf Kredite von Banken und Sparkassen.
Bankkredite wichtigste externe Finanzierungsquelle
Nun muss man wissen, dass Kredite von Banken und Sparkassen für den deutschen Mittelstand als wichtigste externe Finanzierungsquelle dienen. Im Jahr 2023 finanzierten die mittelständischen Betriebe nach Angaben von KfW Research (statistisch gesehen) etwa ein Drittel ihres Investitionsvolumens mit Krediten von Banken und Sparkassen. Betrachtet man lediglich die Betriebe, die tatsächlich Kredite zur Finanzierung von Investitionen einsetzten, so finanzierten diese im Durchschnitt rund 69 Prozent der Investitionssumme per Bankkredit. Gerade bei größeren und längerfristigen Investitionen ist Fremdkapital von großer Bedeutung. „Eine Zurückhaltung bei der Nutzung von Krediten könnte sich daher bremsend auf Transformationsanstrengungen auswirken“, heißt es in der Analyse von KfW Research.
Viele Unternehmen sind robuster geworden
Die Entwicklung spiegelt sich in den Bilanzen wider: Der Anteil der Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten an den gesamten Verbindlichkeiten der Unternehmen sank seit der Jahrtausendwende deutlich von 35 auf 18 Prozent. Zugleich lässt sich feststellen, dass die Eigenkapitalquote im Mittelstand im gleichen Zeitraum gestiegen ist. Das macht die Unternehmen finanziell robuster und stärkt ihre Bonität. Darin sieht KfW Research einen wichtigen strategischen Grund für die Kreditzurückhaltung. Mögliche Angebotsrestriktionen spielen laut der Untersuchung hingegen keine große Rolle. Zumal die Zinssituation viele Jahre sehr attraktiv war.
Vor wenigen Tagen veröffentlichte KfW Research allerdings eine Analyse, der zufolge der Kreditzugang für KMU immer beschwerlicher wird. Vor dem Hintergrund hoher Unsicherheit und sinkender Kreditqualität würden Banken den Kreditgesuchen kleiner und mittlerer Unternehmen mit besonderer Vorsicht begegnen. Rund 35 Prozent der Unternehmen erleben Kreditverhandlungen als restriktiv. Bei Großunternehmen liegt der Wert lediglich bei knapp 22 Prozent.
Ein weiteres Hindernis sind die steigenden Anforderungen an die Offenlegung von Unternehmensdaten. Dies war laut KfW Research 2017 für ein Fünftel der KMU ein Grund, keine Kreditverhandlungen zu starten – 2023 noch für rund jedes sechste KMU. Auch die zunehmende Alterung der Unternehmerschaft in den vergangenen Dekaden könnte ein Grund sein. Frühere Analysen hätten gezeigt, dass ältere Firmeninhaberinnen und -inhaber bei der Nutzung von Bankkrediten zur Finanzierung von Investitionen zurückhaltender waren als jüngere.
Es bleibt abzuwarten, ob der Trend anhält oder die Unternehmen demnächst wieder stärker auf Kredite zur Finanzierung ihrer Investitionen zugreifen. Ein Hinweis auf einen Sinneswandel liefert die Creditreform Studie „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Frühjahr 2025“. Laut dieser Analyse stieg die Nachfrage nach Krediten zwischen Herbst 2024 und Frühjahr 2025 wieder an. 23,2 Prozent der Unternehmen benötigten ein Bankdarlehen – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr (18,6 Prozent).
Mehr Bankkredite zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen
Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf: Der aktuelle Zuwachs dürfte eher auf einen erhöhten Bedarf an kurzfristigen Finanzmitteln zurückzuführen sein als auf verstärkte Investitionspläne. So zeigen die Antworten der Unternehmen zum Zweck des Kredits, dass unter anderem auch ein Mangel an Liquidität – zum Beispiel aufgrund einer schwachen Auftragslage – die Unternehmen zur Aufnahme von Fremdkapital zwingt. Solche Kredite können sich jedoch als problematisch erweisen, denn sie setzen zwingend eine gute Geschäftsentwicklung voraus, damit die Kredite getilgt werden können.
Dies trifft natürlich auch auf Investitionskredite zu. Andererseits: Nicht zu investieren oder erforderliche Investitionen zu verschieben, kann sich zu einem viel größeren Problem entwickeln. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die doppelte Transformation (Digitalisierung und Nachhaltigkeit) zu meistern, sind in vielen Fällen erhebliche Investitionen notwendig. Fremdkapital, etwa in Form von Bank- und Sparkassenkrediten, wird also weiterhin wichtig bleiben – Optimismus ebenso. Der wiederum benötigt bessere Rahmenbedingungen.