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Stromschock statt Entlastung – Regierung lässt halbe Wirtschaft im Dunkeln stehen

Die Strompreise in Deutschland sind leider einzigartig (hoch). Die Unternehmen benötigen dringend Entlastung.

Es sind nicht gerade wenige Themen, die den Mittelstand gerade umtreiben. Die Bürokratie lastet schwer auf den Unternehmen, über 84 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sehnen sich nach Entlastung. Damit war „Bürokratieabbau“ das Topthema des Mittelstandes in der Creditreform Untersuchung „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Frühjahr 2025“. Auch „steuerliche Erleichterungen“ und „sichere Rahmenbedingungen“ zählen mit jeweils über 50 Prozent zu den vordringlichen Forderungen der Betriebe.

Auf Platz 2, noch vor den „steuerlichen Erleichterungen“, rangiert das Thema „Energiepreise“. 59 Prozent der befragten mittelständischen Betriebe treibt dieses Thema um. Zu Recht, denn die Gas- und Strompreise in Deutschland zählen zu den höchsten im weltweiten Vergleich. Laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind die Gaspreise in Deutschland bis zu siebenmal und die Strompreise bis zu fünfmal höher als an konkurrierenden Standorten anderer Länder. Das hat Folgen: Für energieintensive Industriezweige – etwa Mineralöl, Chemie, Metall, Glas oder Papier – bedeuten die hohen Preise, dass ihre Produktion in Deutschland sehr viel teurer ist als in vielen anderen Ländern. Laut DIHK leiden aber auch Rechenzentren, Automobilhersteller oder Logistikbetriebe unter den hohen Energiekosten. Die hohen Kosten und die fehlende Planbarkeit sind laut dem „Energiewende-Barometer 2024“ der DIHK zu einem Produktions- und Investitionshemmnis geworden – sie verfestigen Abwanderungstendenzen.

„Koalitionsvertrag trifft auf Wirklichkeit“

Die neue Bundesregierung hat Abhilfe versprochen. Im Koalitionsvertrag heißt es unter anderem: „Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens 5 Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren.“ Ein schöner Plan.

Die Wirklichkeit sieht, nur wenige Monate später, anders aus. Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung entschied sich vor wenigen Wochen dagegen, die Stromsteuer für Privatpersonen zu senken. Auch die Wirtschaft wird nicht als Ganzes entlastet. Die Stromsteuer wird zunächst nur für das produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft verringert. Während also für produzierende Unternehmen die bereits auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Cent pro Kilowattstunde reduzierte Stromsteuer auch 2026 gelten soll, werden Unternehmen aus den Bereichen Gewerbe, Handel und Dienstleistungen weiterhin den Stromsteuersatz von 2,05 Cent zahlen müssen.

Der Grund – mit den Worten von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche: „Hier trifft dann sozusagen Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit.“

„Untergräbt das Vertrauen in politische Zusagen“

Der Protest aus der Wirtschaft ist groß. Von einem „Wortbruch“ ist die Rede und von einem „fatalen Signal“. Die Kritik des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) steht exemplarisch für viele: Gerade viele Handwerksbetriebe, besonders in den energieintensiven Gewerken, hätten auf die im Koalitionsvertrag zugesagte Stromsteuersenkung vertraut, sie in ihre Planungen einbezogen und darauf basierend unternehmerische Entscheidungen getroffen. „Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Rückschlag für die nicht dem produzierenden Gewerbe zuzurechnenden Handwerksbetriebe, sondern untergräbt insgesamt das Vertrauen in die Verlässlichkeit politischer Zusagen und Entscheidungen“, zitiert das „Handwerksblatt“ Jörg Dittrich, den Präsidenten des ZDH.

Immerhin: Die besonders energieintensive Industrie profitiert. Nicht nur von der Stromsteuersenkung, sondern auch vom Industriestrompreis, für den die EU Ende Juni grünes Licht gab. Der Industriestrompreis darf – orientiert am Börsenstrompreis – auf bis zu 5 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Die Unternehmen sparen rund 4 Mrd. Euro über drei Jahre. Damit ist der Industriestrompreis nach Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln eine wirksame kurzfristige Entlastung für die Unternehmen. Auch die Kosten für den Staat seien überschaubar. „Eine langfristige Perspektive auf wettbewerbsfähige Strompreise ist die Maßnahme aber nicht, drei Jahre sind in der strategischen Planung von Unternehmen unbedeutend“, sagte IW-Ökonom Andreas Fischer im Juli. „Wichtig ist es, die deutsche Stromversorgung insgesamt effizienter zu gestalten, um die Kosten nachhaltig zu senken.“

Neubau von Gaskraftwerken zur Strompreissenkung

Um die Strompreise insgesamt weiter zu senken, plant Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche den Neubau von Gaskraftwerken mit einer Kapazität von insgesamt 20 Gigawatt. Der Zubau solch steuerbarer Kraftwerke ist einer der zentralen Hebel, die nach Ansicht des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nun in Bewegung gesetzt werden müssen, genauso wie eine stärkere Digitalisierung der Energiewirtschaft und der beschleunigte Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur. Bleibt zu hoffen, dass es hier nicht erneut zum Wortbruch kommt.

Quellen:
www.dihk.de
www.handelsblatt.com
www.iwkoeln.de
www.koalitionsvertrag2025.de
www.tagesschau.de
www.creditreform.de