Risikomanagement Newsletter

Inflation und Überschuldung

Im Zentrum des Interesses der Bürger in Deutschland steht die Entwicklung bei den Energiepreisen. Nachdem sich die Situation bei der Pandemie gelockert hatte und die Inflationslage viele wie ein Schicksal hinzunehmen scheinen, sorgen die hohen Kosten für Gas und Strom ganz konkret für Belastungen eines jeden Haushalts.

Bereits im Sommer kam es zu einem „Gaspreis-Schock“, der mit dem Beginn der kalten Jahreszeit an jedem Zähler abzulesen war. Jetzt fürchten viele Menschen Nachzahlungen im Frühjahr des nächsten Jahres. Diskussionen über staatliche Hilfen, die Höhe der Unterstützung und den Zeitpunkt bestimmten die öffentliche Meinung. Viele Unwägbarkeiten, etwa die Temperaturen im Winter oder die Möglichkeiten das russische Gas zu ersetzen, machen es schwer, die weiteren Kosten abzuschätzen. Die Verbraucher leben in Angst, dass ein Ende der Preissteigerungen noch nicht erreicht ist oder dass sie gar frieren müssen.

Unterschiedliche Schätzungen kursieren im Hinblick auf die Belastungen, die auf die Haushalte zukommen. Während Verivox und der Bund der Steuerzahler für einen Vier-Personen-Haushalt eine Mehrbelastung von 2.400 Euro (62 Prozent) veranschlagen, geht der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen von Mehrkosten in Höhe von rund 5.000 Euro aus. Große Unterschiede zeigen die Preisgestaltungen einzelner Energieversorger.

Das Wort von der „Energiearmut“ macht die Runde. Wie bei den Kosten für das Wohnen auch, werden für die Energiepreise, die zu zahlen sind, Schwellen genannt. Wer mehr als 10 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens für Gas, Wasser und Strom ausgibt, gilt als finanziell gefährdet. So gaben im Jahr 2016 18 Prozent mehr als 10 Prozent ihres zur Verfügung stehenden Einkommens für Energie aus. 2020 war der Anteil dieser Gruppe wegen der gesunkenen Energiepreise sogar auf 14 Prozent gefallen. Dann aber beschleunigten sich die Zahlen: 2021 waren 15 Prozent der Bürger armutsgefährdet wegen zu hoher Energiekosten und im Frühjahr 2022 stieg dieser Anteil auf 25 Prozent. Dabei geht es nicht nur um Gas und Strom, sondern auch etwa um Öl, für das ebenfalls eine Verdopplung bei den Preisen hinzunehmen war. Unterstützungsmaßnahmen sind auf dem Weg: Ein Teil der Umlage für die Energiekosten im Dezember wird übernommen, rückwirkend sind Preis-Deckel für Januar und Februar ab März geplant.

Überschuldung, die aus der Kälte kam

Ein Merkmal im Katalog der Indizien für das Vorliegen wirtschaftlicher Armut ist die Angabe, ob man in der Lage sei, seine Wohnung ausreichend zu heizen. Das Statistische Bundesamt, das regelmäßige Befragungen zu diesem Thema durchführt, hatte bereits im Mai 2021, also bevor die Energiepreis-Krise zum Tragen kam, bei 2,6 Millionen Menschen (3,2 Prozent der Bevölkerung) dieses Symptom festgestellt. Eurostat nennt eine weitere bedenkliche Zahl: Danach sind 3,7 Prozent der Haushalte in Deutschland im Rückstand beim Begleichen der Rechnungen ihres Energieversorgers. Aus gutem Grund also wird diskutiert, wie verhindert werden kann, dass es aufgrund von Zahlungsrückständen zu Strom- oder Gassperren kommt. 

Creditreform hat nun in Zusammenarbeit mit den Tochterunternehmen Boniversum und microm Berechnungen angestellt, wie hoch wohl die Überschuldungsgefährdung der Verbraucher in Deutschland und damit die Ausfallwahrscheinlichkeit bei den Rechnungen sein wird. Diese Kalkulation nennt knapp 19 Prozent der deutschen Haushalte gefährdet im Hinblick auf die Überschuldung durch nicht zu begleichende Energie-Rechnungen. Dabei wird differenziert: Während 81 Prozent nur eine durchschnittlich niedrige Ausfallwahrscheinlichkeit besitzen, liegt sie bei gut 14 Prozent auf überdurchschnittlichem Niveau und bei 4,5 Prozent der Personen ist sie sogar deutlich erhöht. Ist diese Schätzung zu pessimistisch? Ohne Berücksichtigung der staatlichen Unterstützung waren ja bereits 25 Prozent der Haushalte 2022 durch die Kostensteigerungen als armutsgefährdet ausgemacht worden. Schon insofern sind die weniger als 20 Prozent der Hochrechnungen für 2023 eher konservativ und zurückhaltend. Die genannten Prozentanteile lassen sich für Verbraucher und Haushalte konkretisieren. So wären fast 8 Millionen Haushalte durch Überschuldung gefährdet – das entspricht 15,6 Millionen natürlichen Personen. Ein geringes oder kein Risiko weisen 33,7 Millionen Haushalte und 67,4 Millionen Privatpersonen als Verbraucher auf.

Auch das Essen verteuert sich

Die Kostenexplosion bei den Energiepreisen ist der stärkste Treiber der Inflation. Die Inflationsrate setzt sich jedoch nicht nur aus diesem einen Merkmal zusammen, sondern ist auch stark von den Preisen bei den Lebensmitteln abhängig. Nun verkündet Destatis, dass die Inflationsrate jüngst ein wenig gesunken sein – sie war und bleibt aber zunächst zweistellig. Selbst die EZB, die lange die Gefahren der Teuerung nicht sehen wollte, räumt nun ein, dass auch im nächsten Jahr noch mit zweistelligen Inflationsraten in den Euro-Ländern zu rechnen sei. Dabei sind die Preise bei den Nahrungsmitteln für den Verbraucher so essentiell wie bei der Energie. Bei beiden Größen gibt es kaum eine Möglichkeit auszuweichen. Im September lag die Teuerung bei Nahrungsmitteln bei 19 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat – damit also noch deutlich über der gesamten Inflationsrate. Die drastischsten Erhöhungen wurden bei Speisefetten und -ölen mit fast 50 Prozent erreicht, aber auch Molkereiprodukte und Eier waren mit einem Plus von 29 Prozent, Fleisch und Wurstwaren mit plus 20 Prozent sowie Brot und Getreideerzeugnisse mit plus 19 Prozent starke Treiber der Inflation bei den Nahrungsmitteln.

Es ist wohl keine Grenze bekannt, die Haushalten für Nahrungsmittel in Bezug auf ihr Einkommen empfohlen wird. Wie allerdings bei der Energie, ist wohl auch bei der Ernährung durch die Teuerung bei stagnierenden Einkommen und aufgebrauchten Ersparnissen eine Grenze erreicht. Es ist so davon auszugehen, dass die Überschuldung nach einigen Jahren guter Entwicklung im nächsten Jahr wohl deutlich zunehmen wird.

Quellen: Creditreform, Boniversum, Destatis, microm, Tagespresse