Risikomanagement Newsletter

Brexit – wo steht Deutschland?

Bereits 2016 war das Brexit-Referendum durchgegangen und die Mehrheit der Briten stimmte für den Austritt aus der Europäischen Union. Es folgte eine schwierige Zeit, denn nun musste man neue Verträge auf den Weg bringen, die das Zusammenleben von Großbritannien und den anderen Ländern der Union regelten.

Nach einem neunmonatigen Verhandlungsmarathon war es dann zum Ende des Jahres 2020 gelungen, ein Vertragswerk auf die Beine zu stellen, dass die zukünftigen Handels- und Kooperations-Verbindungen in geordnete Bahnen brachte. Dem war eine jahrelange Unsicherheit vorausgegangen, die für die Bürger und die Unternehmen der Länder jedes Zusammenkommen erschwerte. Damit war allerdings den Problemen noch nicht der Boden entzogen. So war die zukünftige Rolle Nordirlands, die zunächst geklärt schien, wieder ein Streitpunkt geworden. Es ist klar, dass jedes noch so ambitionierte Abkommen nicht wieder den Status wiederherzustellen vermag, der vorher in der Partnerschaft der Europäischen Union geherrscht hatte. Großbritannien möchte einen selbständigen Sonderweg gehen und wird sich auch in Zukunft noch weiter vom europäischen Festland wegentwickeln.

Steinige Verhandlungen

Im Mai 2021 ist das Abkommen in Kraft getreten. Grundsätzlich sieht es vor, dass im Warenhandel weder Zölle erhoben werden noch Quoten vorgegeben sind. Hinzu kamen Angemessenheitsbeschlüsse, die für den Datenschutz erlassen wurden und die festlegen, dass die personenbezogenen Daten aus den Ländern der Union in Großbritannien einen Schutz auf vergleichbarem Niveau genießen. Dabei geht man allerdings davon aus, dass Großbritannien sein Datenschutzniveau auf gleichem Level hält – eine Annahme, die gerade angesichts der zunehmenden Entfernung zwischen den Blöcken in Frage steht, wenn die Frist in vier Jahren ausläuft. Und noch weitere Punkte sind offen: ein gemeinsames Forschungsrahmenprogramm, ebenso wie Vereinbarungen im wichtigen Sektor der Finanzleistungen und – gerade im Augenblick von besonderer Relevanz – die Regelung der Energie-Zusammenarbeit in der Nordsee. Nun wird weiterverhandelt und in einer Vielzahl von Gremien und Ausschüssen wird versucht, noch offene Fragen zur beiderseitigen Zufriedenheit zu klären.

Das Bundeswirtschaftsministerium betont, dass ein noch so „ambitioniertes Freihandelsabkommen kein Äquivalent für die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion“ sein kann. Tatsächlich ist darauf zu verweisen, dass zwar im Vertrag von einer Zollfreiheit die Rede ist, Unternehmen aber vor einer Vielzahl bürokratischer Hürden stehen. Sie müssen den Ursprung ihrer Produkte bei der Einfuhr nachweisen und es entsteht darüber hinaus ein gewaltiger Aufwand durch Zollanmeldungen und entsprechende Abfertigungen. Schließlich fallen Gebühren für Dienstleistungen im Zusammenhang mit den Warenein- und -ausfuhren an, die gerade für kleinere Unternehmen kostspielig werden. Angesichts dieser und weiterer Schwierigkeiten bleibt die Frage nach der Entwicklung des Handels zwischen Deutschland und Großbritannien in den letzten Jahren.

Kurve zeigt nach unten

Vor sechs Jahren kam es zum Brexit-Referendum. Seitdem entwickelten sich die Handelsbeziehungen rückläufig. Lag das Handelsvolumen 2015 zwischen Deutschland und Großbritannien insgesamt noch bei über 157 Mrd. Euro, so stand es 2020 bei nur noch gut 100 Mrd. Euro – und erreichte nach ersten Schätzungen 2021 am Ende noch 97 Mrd. Euro. Das Vereinigte Königreich stand einmal auf dem fünften Platz, wenn es um deutsche Handelspartner ging – im Jahr 2021 war es nur noch der zehnte Rang für die Briten beim Waren- und Dienstleistungsaustausch. So bedeutsam der Einbruch beim bilateralen Handel seit 2016 auch ist, so bleibt die Insel für Deutschland ein wichtiger Handelspartner. Schließlich zeigt sich, dass die Investitionen deutscher Unternehmen für diese (lt. Umfrage) wohl doch sehr zufriedenstellend ausfallen.

Der DIHK hat eine Umfrage unter deutschen Unternehmen durchgeführt, die in Großbritannien arbeiten. An erster Stelle der Probleme steht mit 55 Prozent der Nennungen der Fachkräftemangel. An zweiter Stelle folgen dann aber die Handelsbarrieren sowie eine zu erkennende Bevorzugung einheimischer Unternehmen – so äußerten sich weitere 43 Prozent. 30 Prozent der Befragten sprachen von Problemen im Vereinigten Königreich im Zusammenhang mit der Rechtssicherheit. Diese Unsicherheiten führen dazu, dass Mehrkosten für Zollverfahren, Zollagenten, zusätzliche Lagerhaltungen und Verzögerungen bei den Lieferungen neben Unsicherheiten über die veränderten Vorschriften den deutschen Unternehmen zu schaffen machen. Ein Beispiel für diese zusätzlichen Anforderungen geben die sogenannten Konformitätsnachweise und Etikettierungen. Sowohl die Union also auch das Königreich schaffen mit diesen Kennzeichnungspflichten eine Menge Bürokratie.

Großbritannien ist aus der Europäischen Union ausgetreten, um mehr Selbstständigkeit zu erlangen. Zukünftig wird es noch deutlichere Abweichungen von EU-Standards geben – nicht nur im Bereich des Datenschutzes, sondern auch bei Medizinprodukten, der künstlichen Intelligenz, im Finanzwesen und eben auch bei Regelungen zu genetischen Modifikationen von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen, die die Briten weitaus toleranter sehen. Eine Rückkehr zur alten Übereinstimmung unter dem Dach der Europäischen Union wird es nicht geben, aber wenigstens sollte es gelingen, die Abweichungen unbürokratischer und schneller zu lösen, damit die exportierenden und importierenden Unternehmen mehr Sicherheit gewinnen.

Quelle: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, DIHK