Nachfolge: Generationswechsel läuft – mit angezogener Handbremse
Aktueller Nachfolgemonitor von Creditreform Rating, FOM Hochschule und VDB zeigt: Es fehlen Nachfolger – die Nachfolgelücke wird größer. Der Anteil weiblicher Nachfolger bleibt mit 21 Prozent gering.
Im deutschen Mittelstand sind über 145.000 Unternehmen potenziell übergabereif – gemessen an Größe, wirtschaftlicher Aktivität und dem Alter. In zwei von fünf aller rund 373.400 „etablierten“ mittelständischen Unternehmen in Deutschland ist nämlich mindestens ein Inhaber oder eine Inhaberin älter als 60 Jahre, sodass in den kommenden Jahren eine Betriebsübergabe erforderlich sein dürfte. Bei der zugrundeliegenden Creditreform Analyse wurden Unternehmen berücksichtigt, die u. a. zwischen fünf und 500 Mitarbeiter beschäftigen, älter als zehn Jahre sind und bei denen natürliche Personen einen Anteil von mindestens 50 Prozent halten.
„Die Nachfolgewelle ist keine ferne Prognose mehr, sondern Realität“, sagt Holger Wassermann von der FOM Hochschule, die gemeinsam mit dem Verband Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB) und der Creditreform Rating AG im Oktober die 10. Ausgabe des „Nachfolgemonitors“ vorlegte. „Wir brauchen dringend mehr und besser vorbereitete Nachfolgerinnen und Nachfolger.“
Die Unternehmensübergabe ist für immer mehr Betriebe also kein Zukunftsthema mehr, sondern eine ganz aktuelle Herausforderung. Dabei markiert das Jahr 2024 einen historischen Tiefpunkt im deutschen Nachfolgegeschehen. Die Zahl der Firmenübergaben erreichte den niedrigsten Stand seit Beginn der systematischen Erfassung. Fachleute sehen darin ein deutliches Signal für die sich verschärfende demografische Nachfolgelücke.
Die wichtigsten Zahlen:
Der Anteil der über 75-jährigen Übergeber hat sich seit 2015 nahezu verdreifacht und liegt inzwischen bei 7,9 Prozent. Gleichzeitig steigt der Anteil der 55- bis 64-Jährigen von durchschnittlich 38,6 Prozent in den Jahren 2015 bis 2019 auf 43,4 Prozent in den Jahren 2020 bis 2024.
Das durchschnittliche Alter der Übergeber ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich von 61,5 auf mittlerweile 63 Jahre gestiegen. Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend bei den Freien Berufen, wo sich der 10-Jahres-Durchschnitt um ein ganzes Jahr erhöht hat. Der Frauenanteil bei Nachfolgen stagniert bei 21 Prozent. Nur rund jedes fünfte Unternehmen hat eine weibliche Nachfolge.
Trotz angespannter Wirtschaftslage erreichen oder übertreffen gut zwei Drittel der Unternehmen nach der Übernahme das ursprüngliche Umsatzniveau. Diese Erfolgsquote unterstreicht das Potenzial von Unternehmensnachfolgen für Wachstum und Arbeitsplätze. Die Analyse zeigt allerdings auch, dass die Margen deutlich langsamer zurückkommen als der Umsatz. Bei der Mittelverwendung zeigt die aktuelle Analyse eine Verschiebung: Der Kaufpreisanteil steigt kontinuierlich auf nunmehr 77 Prozent, während Immobilien- und Baufinanzierung sowie Betriebsmittel an Bedeutung verlieren. Diese Entwicklung geht mit im Beobachtungszeitraum steigenden Unternehmensgrößen einher.
Weshalb der Generationswechsel stockt
Die Altersstruktur der deutschen Unternehmer wird zur wirtschaftspolitischen Herausforderung und die Entwicklung steuert auf einen Kipppunkt zu. Denn: Die besonders große Kohorte der Babyboomer auf der Seite der Übergeber, die sich dem Rentenalter nähern, trifft auf schrumpfende Kohorten potenzieller Nachfolger. Diese strukturelle Diskrepanz manifestiert sich bereits in den aktuellen Nachfolgezahlen und wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Dies ist aber nicht der einzige Grund, weshalb es bei den Nachfolgen hakt. Ein weiteres Problem sind Eigenkapitallücken auf Käuferseite und überhöhte Preisvorstellungen der Verkäufer. Das lässt viele Deals scheitern. Hinzu kommt, dass die Bankenfinanzierung schwieriger geworden ist.
Eine Rolle spielt auch die vergleichsweise gering ausgeprägte Gründungslust. Das Interesse an einer Unternehmensgründung sinkt seit Jahren. Die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, sinkt auch angesichts aktueller politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten. Die Sicherheit des festen Arbeitsplatzes schlägt Selbstständigkeit. Auf der anderen Seite lassen immer noch zu viele Inhaber zu spät los und zögern den für ihr Unternehmen so elementaren Schritt einer systematisch geplanten Nachfolge gefährlich hinaus.
Mit jeder scheiternden Nachfolge droht das Ende des betreffenden Unternehmens – und damit der Verlust von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie Know-how. Aus einer gemeinsamen Untersuchung von Creditreform und dem ZEW Mannheim vom Frühjahr geht hervor, dass 2024 bundesweit mehr als 196.000 Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit eingestellt haben. 16 Prozent mehr als im Vorjahr und zugleich der höchste Wert seit 2011, als viele Betriebe infolge der Finanzkrise aufgeben mussten. Die Gründe dafür sind vielfältig, oft haben sich Geschäftsmodelle überholt. Einer der Gründe fürs „stille Scheitern“ sind aber auch misslungene Nachfolgen.
Das spricht nicht etwa gegen die Unternehmensnachfolge – sondern vielmehr dafür, sie frühzeitig und systematisch anzugehen. Alles spricht dafür, dass Unternehmer bereits mit 50 Jahren darüber nachdenken sollten, wer eines Tages ihre Nachfolge antreten könnte. Wer dann das Gespräch sucht und einen geeigneten Kandidaten frühzeitig für die Nachfolge aufbaut, leistet einen sehr wichtigen Dienst für den Fortbestand des Unternehmens. Helfen würden zudem eine steuerliche und bürokratische Entlastung für Übergeber und Nachfolge-Interessierte – und eine viel stärkere Förderung weiblicher Nachfolge. Mentoring- und Matching-Programme zwischen den Generationen wären ein weiterer wichtiger Hebel, um mehr Nachfolge zu ermöglichen.
Quellen:
www.creditreform.de
www.creditreform-rating.de
www.zew.de