Creditreform Magazin

Sanktionen: Das unterschätzte Risiko

Im Umgang mit Sanktionen und Embargos ist eine strafrechtliche Verfolgung schwer auszuschließen. Doch es gibt auch noch andere Gefahren.

Wenn Silvia Rohe klarmachen will, dass Unternehmen Sanktionen ernst nehmen müssen, nutzt sie gern ein Beispiel aus ihrem Kundenkreis – anonymisiert natürlich. Doch die Geschäftsführerin von Creditreform Compliance Services berichtet dann nicht von hohen Geldstrafen und in Handschellen abgeführten Geschäftsführern. Sie berichtet von einem Mittelständler, dem der Zugriff auf alle Geschäftskonten gesperrt wurde. Das Unternehmen war wegen behaupteter Verstöße gegen Iran-Sanktionen auf einer Sanktionsliste gelandet – mit dramatischen Folgen. Für Unternehmen, die am Wirtschaftsleben teilnehmen, ist eine Sanktionslistenprüfung verpflichtend. „Banken screenen Sanktionslisten automatisiert sowie in Echtzeit im Onboarding-Prozess und handeln unverzüglich“, sagt Rohe. Das Screening gegen Sanktionslisten ist ein elementarer Bestandteil zur Einhaltung der Compliance-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung. „Mit Personen, Organisationen und Ländern, die dort aufgeführt sind, dürfen sie keine Geschäfte machen und es dürfen keine Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.“ Von heute auf morgen froren die Banken die Gelder von besagtem Mittelständler ein. „Es dauerte fast ein Jahr, bis es dem Unternehmen gelang, von der Liste gestrichen zu werden und wieder Zugang zu liquiden Mitteln zu erhalten.“

Nicht erst seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist die Zahl der weltweit neu verhängten Sanktionen in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. „Sanktionen dienen längst nicht mehr ausschließlich als Reaktion auf völkerrechtswidriges Verhalten“, schreibt PwC in einer Analyse. „Sie werden verstärkt auch als geopolitisches Instrument eingesetzt.“ Eine Besserung sei nicht in Sicht. Die Autoren empfehlen, sich aktiv mit der eigenen Exposition gegenüber Sanktionsrisiken zu beschäftigen. „Die Nichteinhaltung von Sanktionsvorschriften birgt hohe finanzielle Risiken und kann mit immensen Reputationsschädigungen einhergehen.“

Welche Embargos und Sanktionen gibt es?

Embargos beziehungsweise Sanktionen sind Verbote, bestimmte Waren an bestimmte Länder, Personen oder Organisationen auszuführen. Von beiden Begriffen, die oft synonym verwendet werden, beziehen sich Embargos auf den Handel. Sanktionen können darüber hinausgehen. Laut Zoll können Embargolisten beispielsweise umfassen: Rohstoffe, Chemikalien, Drogenausgangsstoffe, Dual-Use-Güter, Waffen, Technologie sowie Luxusgüter. Auch Finanztransaktionen und Dienstleistungen können darauf zu finden sein. Länderbezogene Embargos sind Wirtschaftssanktionen, die auf ein bestimmtes Land abzielen oder gegen bestimmte Personen beziehungsweise Personengruppen in einem Land verhängt werden. Der Außenwirtschaftsverkehr mit diesen Staaten wird nach Maßgabe des entsprechenden Embargos eingeschränkt oder sogar komplett untersagt. Warenbezogene Embargos sind grundsätzlich länderunabhängig und umfassen derzeit den internationalen Handel mit Rohdiamanten, den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zur Folter verwendet werden könnten, sowie sogenannte Bereitstellungsverbote. Personen- und organisationenbezogene Embargos. Diese Embargomaßnahmen richten sich gegen einzelne Personen und Gruppierungen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus handeln.

Quellen: Zoll, Europa Zollportal 

Bei Sanktionen ganz genau hinsehen

Das Tückische an Sanktionen: Sie betreffen Unternehmen auf unterschiedliche Art und Weise – wie, das ist oft nicht einfach ersichtlich. Zum einen, weil es verschiedene Arten gibt, und zum anderen, weil sich Risiken oft in Lieferketten verbergen. So kann es beispielsweise untersagt sein, an ein bestimmtes Unternehmen zu liefern – nicht, weil die Firma sanktioniert wird, sondern einer der Inhaber auf einer Liste steht. Oder weil zu erwarten ist, dass der Empfänger das Produkt auf Umwegen in ein Land liefert, für das ein Embargo verhängt wurde. Schwierigkeiten kann Unternehmen auch die Tatsache bereiten, dass es sich bei Sanktionen um Verordnungen handelt, die nicht erst in deutsches Recht übersetzt werden müssen. Das heißt, sie treten unmittelbar nach Veröffentlichung in Kraft. Laut Compliance-Expertin Rohe werden Sanktionslisten mitunter mehrmals im Monat, oft sogar wöchentlich, aktualisiert. Jedes Land habe seine eigenen Listen, ebenso die EU. Überschneidungen seien möglich, aber nicht zwingend – das bedeutet: Wer sich nur auf die Dokumente der EU bezieht, läuft Gefahr, Sanktionen, welche die einzelnen Mitgliedsländer verhängt haben, zu verpassen. Nicht nur Geschäftspartner in Ländern, in denen Sanktionen nicht verwunderlich sind, stellen ein Risiko dar. „Viele Unternehmen zeigen sich verwundert, wenn ich ihnen erkläre, dass auch deutsche Unternehmen auf Sanktionslisten stehen können“, sagt Rohe.

Der Aufwand im Umgang mit Sanktionen steigt spürbar

Die Sanktionslandschaft ist komplexer geworden. Das merkt Stefan Lehner tagtäglich. Der Rechtsanwalt ist bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner im Bereich Prävention und Verteidigung tätig, zu seinen Schwerpunkten zählen außenwirtschaftsstrafrechtliche sowie

sanktionsrechtliche Fragestellungen. „Für Unternehmen bedeuten diese Entwicklungen gesteigerte Sorgfaltspflichten“, sagt Lehner. Sie müssten sich neben der Klassifizierung ihrer Güter mit der Prüfung von Sanktionslisten befassen und sicherstellen, dass sie den Empfänger an sich und die Empfängerländer im Blick behalten. Er sieht einen deutlich gestiegenen Aufwand, den Unternehmen betreiben müssen, um zu vermeiden, dass sanktionswidrige Geschäfte mit Ländern wie Russland oder Belarus getätigt werden.

Für Compliance-Verantwortliche steckt der Teufel im Detail. Produktbezogene Sanktionen etwa beziehen sich nicht nur auf Waren, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind – die sogenannten ­Dual-Use-Güter. „Die EU hat auch entschieden, dass neben Dual-Use-Gütern auch solche sanktioniert werden können, welche die russische Wirtschaft oder die Produktion von Kriegsmaterial fördern“, sagt Alexander Cappel. Der Rechtsanwalt bei Norton Rose Ful­bright berichtet von einem Kunden, dem eines der zahlreichen Sanktions-Updates der EU durchgerutscht ist. „Wirklich sicher sein kann nur, wer Sanktionslisten regelmäßig und systematisch mit den verschiedenen Warennummern abgleicht, die auf Bundes-, EU-Ebene und weltweit gelten“, sagt Cappel. „Hier ist der Einsatz von digitalen Tools sinnvoll.“

In Gesprächen stelle sie häufig Nachholbedarf fest, sagt Compliance-Expertin Silvia Rohe. „Manches Unternehmen scheint darauf zu hoffen, unbemerkt durch die Irrungen und Wirrungen des komplexen Systems schlüpfen zu können.“ Verbreitet sei auch der Gedanke „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Doch in Sicherheit wiegen sollten sich Verantwortliche keineswegs: Die Nichtbeachtung und Vernachlässigung von Sanktionslistenprüfungen birgt erhebliche Risiken. Wer eine Geschäftsbeziehung zu einer sanktionierten Person oder einem Unternehmen unterhält oder eingeht, begeht eine Ordnungswidrigkeit und diese wird mit Bußgeldern bis zu 500.000 Euro oder Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren für Geschäftsführer geahndet.

Laut Außenwirtschaftsgesetz muss ein Abgleich gegen entsprechende Sanktionslisten bis zum Ablauf des zweiten Werktags erfolgen, der auf die Veröffentlichung des Rechtsaktes im Amtsblatt der EU folgt (§ 18 Abs. 11 AWG). Schon der Versuch, Sanktionen zu umgehen, indem etwa eine Lieferung über ein Drittland erfolgt, ist strafbar. Der Strafrahmen beträgt mindestens ein Jahr (vgl. § 18 Abs. 6, 7, 8, 9, 10 AWG), eine Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbußen zwischen 30.000 und 500.000 Euro geahndet werden (§ 19 Abs. 6 AWG). Sanktionen gelten nur in Ausnahmefällen rückwirkend, neue Verträge, die gegen geltende Sanktionen verstoßen, sind nichtig.

Quelle: Creditreform Compliance Services


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Tanja Könemann
Bildnachweis:  Valery Bocman / iStock / Getty-Images