Demokratie als Wirtschaftsfaktor

Unternehmer aus dem Mittelstand treten zunehmend ein für Demokratie, Weltoffenheit und eine Willkommenskultur. Christoph Miethke ist einer davon.

Wenn Christoph Miethke aus dem Fenster schaut, blickt er auf einen geschichtsträchtigen Ort. Sein Potsdamer Büro war Teil der ehemaligen Garde-Ulanen-Kaserne, die ab 1933 auch den Nationalsozialisten diente. Der Ausblick erinnert Miethke daran, welchem Umstand er den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens mit verdankt: „Wir Unternehmer profitieren besonders stark von freier Marktwirtschaft und Rechtssicherheit in einem demokratischen Staat.“ Das nach ihm benannte Medizintechnikunternehmen beschäftigt 280 Mitarbeiter aus 27 Ländern, darunter auch sechs Geflüchtete. Seine neurochirurgischen Implantate werden weltweit in über 60 Länder exportiert. Für Miethke steht fest: „Ein Klima der Ausgrenzung ist für global vernetzte Unternehmen Gift.“ Deshalb engagiert sich der gebürtige Krefelder seit Jahren in Vereinen und Verbänden für Diversität und sitzt im Präsidium der IHK Potsdam.
 

Sorge vor Rechtspopulismus

„Made in Germany“ steht für Qualität, Verlässlichkeit – und bislang auch für Weltoffenheit. Doch gerade international agierende Unternehmen aus dem Mittelstand beobachten mit wachsender Sorge, wie rechtspopulistische Strömungen das Bild von Deutschland in der Welt verändern. Mit der AfD ist eine Partei in diesem Jahr so stark wie noch nie, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem einstuft. Ihr Erfolg ist nicht nur ein politisches Signal, er ist auch ein ökonomischer Risikofaktor für Deutschlands Wirtschaft.

Schon heute kämpfen Unternehmen um qualifizierte Arbeitskräfte. Auswertungen weisen auf einen ungedeckten Bedarf an Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt von knapp 600.000 Personen hin. Die restriktive Haltung der AfD gegenüber Migration könnte diese Herausforderung verschärfen. Miethke: „Wir sind als Unternehmen dringend auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Eine restriktive Zuwanderungspolitik wird unsere Innovations- und Wachstumspotenziale massiv ausbremsen.“ Vor allem strukturschwache Regionen, wie Brandenburg, Thüringen oder Sachsen, in denen der Fachkräftemangel besonders gravierend ist, sind betroffen. Paradoxerweise erzielen AfD-Vertreter gerade dort hohe Wahlergebnisse und sind teilweise dominierende Kraft in den Landesparlamenten und Kommunen. Die Folge: Internationale Bewerber meiden Regionen, in denen sie Ausgrenzung fürchten müssen.

„Obwohl die Rechtsaußen-Partei bislang nur mittelbar auf die Migrationspolitik wirkt, zeigt sich bei den begehrten ausländischen Fachkräften Wirkung“, heißt es beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Gefragt nach den „akuten betrieblichen Auswirkungen“ der politischen Entwicklung, benennt knapp die Hälfte der Hauptgeschäftsführer von Wirtschaftsverbänden „Schwierigkeiten, in AfD-Hochburgen Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen“.

Auch beim Thema Handel bringt ein Erstarken der AfD Schwierigkeiten mit sich. Der Verband „Die Familienunternehmer“ warnt: „Die auf Abschottung und Autarkie setzende Handelspolitik der AfD würde der Exportnation Deutschland das Rückgrat brechen.“ Diese Einschätzung teilt auch das IW: „Die AfD stellt die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der Europäischen Währungsunion und – weniger deutlich – der Europäischen Union (EU) in Frage. Dabei wäre ein Nachahmen des Brexits teuer: Nach nur fünf Jahren würden die Kosten 5,6 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) – umgerechnet 690 Milliarden Euro – betragen; 2,5 Millionen Arbeitsplätze würden wegfallen. Ein Austritt aus dem Euro ist dabei noch gar nicht eingerechnet.“

Auswirkungen wie diese rufen Unternehmer wie Christoph Miethke auf den Plan. In den  Firmen wächst der Drang, sich offen zur Demokratie zu bekennen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. So setzen sich beispielsweise Unternehmen in Ostdeutschland und junge Gründer für Diversität ein und auch auf regionaler Ebene formieren sich Proteste. Miethke wünscht sich noch mehr Engagement: „Viele Mittelständler warten noch ab und schauen, wie sich die Lage entwickelt. Ich möchte unserem Unternehmerkreis zurufen: Reflektiert mal, wie viel Einfluss ihr habt!“

Für den Unternehmer steht fest: Wer langfristig wettbewerbsfähig bleiben will, muss sich für ein gesellschaftliches Klima einsetzen, das auf Vielfalt, Respekt und Rechtsstaatlichkeit basiert. So stellt der politische Rechtsruck auch die interne Unternehmenskultur auf den Prüfstand. Viele Betriebe setzen daher verstärkt auf Diversity-Programme, interne Fortbildung und klare Kommunikationsrichtlinien. Wer sich als Arbeitgeber gegen Diskriminierung positioniert, zieht Talente an, statt sie abzuschrecken. Miethke: „Am Ende lautet der Schlüssel: Kommunikation. Für eine respektvolle Debatte bin ich immer zu haben.“ 

Unternehmer Christoph Miethke tritt Fremdenfeindlichkeit entgegen. Im Interview erläutert er die Gründe für sein Engagement.

„Die Wirtschaft ist kein unpolitischer Raum“


Was ist Ihre wichtigste Botschaft an andere Unternehmer, die noch zögern, Stellung für Demokratie und Weltoffenheit zu beziehen?

Die Wirtschaft ist kein unpolitischer Raum. Sie ist Teil der Gesellschaft – und hat die Kraft und den Einfluss, diese mitzugestalten. Gerade in Zeiten wie diesen. Viele Mittelständler warten noch ab und schauen, wie sich die Lage entwickelt. Ich möchte unserem Unternehmerkreis zurufen: Reflektiert mal, wie viel Einfluss ihr habt!

Wie gehen Sie mit rechtem Gedankengut in Ihrer Belegschaft um?

Ein Ingenieur hat bei uns seine Masterarbeit geschrieben, dann eine Anstellung bekommen und diese dann auch mit der Belegschaft gefeiert. Einige kannten ihn vorher nicht und haben ihn dann gegoogelt. Es stellte sich heraus, dass er ein Rechtsradikaler war, der sich auch in Uniform und mit Nazi-Fahne ablichten lassen hatte. Das war dann schon ein großes Thema.

Sind Sie aktiv geworden?

Ich habe ihn zu einem Gespräch geladen, um sich zu positionieren. Danach hat er sich auch einer Debatte mit der Belegschaft gestellt. Ich glaube, dass er hauptsächlich fremdgesteuert war von Menschen, die ihm nicht guttaten. Am Ende lautete der Schlüssel wie bei vielen Dingen: Kommunikation.

Apropos Kommunikation. Welche Rolle spielt politische Bildung Ihrer Meinung nachim Unternehmen?

Für eine respektvolle Debatte bin ich immer zu haben. Allerdings bin ich auch nicht der Chef, der sich hinstellt und sagt: Ich erkläre euch die Welt. Ich glaube, es beginnt viel früher und politische Bildung oder allgemein Haltung sollte viel eher in unserem Schulsystem implementiert werden.

Christoph Miethke

Christoph Miethke, geboren 1960 in Krefeld, studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung biomedizinische Technik an der Technischen Universität Berlin. Miethke ist Gründer und Geschäftsführer des Medizintechnikunternehmens Christoph Miethke GmbH & Co. KG in Potsdam. Seit 1992 entwickelt und produziert das Unternehmen innovative neurochirurgische Implantate für Hydrocephalus-Patienten. Miethke ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Matthias Techau
Bildnachweis: Getty Images