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Sommer der Insolvenzen

Die Pleiten in Deutschland nehmen weiter zu und erreichten im August ein 20-Jahres-Hoch. Auch die Zahl der Unternehmensschließungen steigt.

Möglicherweise geht es der deutschen Wirtschaft noch schlechter als bisher gedacht. Die Risiken für die Unternehmen in Deutschland nehmen jedenfalls weiter zu – und immer mehr Betriebe geraten ins Straucheln. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) Mitte August mitteilte, stieg die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland im Juli 2025 gegenüber dem Vorjahresmonat um 19,2 Prozent, also fast um ein Fünftel. Das wäre ein riesiger Sprung nach oben. Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bestätigt den Trend. Anfang August veröffentlichte das IWH eine Analyse, nach der die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Juli deutlich angestiegen ist. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen habe damit im Juli einen Wert erreicht, der – abgesehen vom Rekordmonat April 2025 – so hoch gewesen sei wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Nimmt man das gesamte erste Halbjahr 2025 in den Fokus, so erreichte die Zahl der Firmeninsolvenzen den höchsten Stand seit zehn Jahren. Nach Angaben der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss wurden von Januar bis Juni 11.900 Unternehmensinsolvenzen registriert. Das entspricht einem Anstieg von 9,4 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2024, in dem 10.880 Fälle registriert wurden. Dies wiederum war ein Zuwachs von 28,5 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2023.

„Durch Nachholeffekte nicht mehr zu erklären“

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) im August berichtete, hätten Ökonomen die im Trend seit fast drei Jahren steigende Zahl der Unternehmensaufgaben vor allem mit Nachholeffekten begründet. Konkret unter anderem mit erheblichen Erhöhungen der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank und dem Auslaufen der Corona-Hilfen. Oft hätten die Betriebe ohnehin schon Schwierigkeiten gehabt und die Hilfen hätten eine Insolvenz lediglich verzögert. Dieses Erklärungsmodell reiche nun nicht mehr aus. „Durch Nachholeffekte ist das nicht mehr zu erklären“, zitierte die FAZ einen Insolvenzforscher vom IWH.

„Zwei Jahre Rezession nagen an der Liquidität der Unternehmen", sagte der Chefanalyst der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier, bereits im Juni. „Nunmehr 43 Prozent der Unternehmen schätzen ihre Finanzlage als problematisch ein, so viele wie seit Ende der Corona-Pandemie und dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht mehr.“

Klar ist also: Trotz einiger Hoffnungssignale steckt Deutschland weiter in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Strukturkrise. Viele Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage, ausbleibenden Aufträgen, steigenden Kosten für Arbeit, Energie und Bürokratie sowie anhaltender allgemeiner Unsicherheit. Besonders die finanziellen Reserven schwinden, Kredite werden teils nicht mehr verlängert und immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten.

Ein Sechstel mehr Unternehmensschließungen als im Vorjahr

Somit steigen in Deutschland die Insolvenzzahlen – und die Zahl der Unternehmen, die aufgeben. Das geht aus einer gemeinsamen Untersuchung von Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hervor. Demnach stieg die Zahl der Unternehmensschließungen im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent. Insgesamt haben bundesweit 196.100 Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Das ist der höchste Wert seit 2011, als viele Betriebe infolge der Finanzkrise aufgeben mussten. Darunter sind laut der Studie beispielsweise viele technologieintensive Dienstleister – hier nahm die Zahl der Schließungen um 24 Prozent zu. Betroffen sind etwa IT, Produktentwicklung, Umwelttechnik und Diagnostik, obwohl dieser Sektor als Zukunftsbranche eigentlich wachsen müsste. Auch hier geht wertvolles Know-how verloren. Auffällig ist zudem der starke Anstieg an Schließungen größerer, wirtschaftlich aktiver Unternehmen – ein Trend, der sich nun im dritten Jahr in Folge fortsetzt. 2024 wurden über 4.000 solcher Unternehmen abgemeldet – fast doppelt so viele wie in einem durchschnittlichen Jahr.

Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer – zumindest mittelfristig. Vor wenigen Tagen legte die KfW Bank ihren „KfW-Konjunkturkompass August 2025“ vor. Dieser jüngsten Analyse zufolge dürfte die deutsche Wirtschaft im laufenden Quartal allenfalls geringfügig wachsen, danach jedoch dürfte die konjunkturelle Aufwärtsdynamik zunehmen. „Wir heben unsere Prognose für das preisbereinigte Wirtschafts­wachstum in Deutschland 2025 etwas an auf jetzt 0,2 Prozent“, heißt es im aktuellen KfW-Konjunkturkompass. „Die Wachstums­prognose für 2026 erhöhen wir um deutliche 0,5 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent.“

Quellen:
www.creditreform.de
www.destatis.de
www.dihk.de
www.faz.de
www.kfw.de