Creditreform Magazin

Den richtigen Ton getroffen

Forderungen gegenüber säumigen Zahlern im Ausland lassen sich momentan kaum durchsetzen? Stimmt nicht. Die Inkassospezialisten von Creditreform zeigen, dass mit einem weltweiten Netzwerk, viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl auch in schwierigen Zeiten Erfolge möglich sind.

Der Fall versprach zunächst wenig Aussicht auf Erfolg. Ein Textilunternehmen war insgesamt rund 70.000 Euro aus Lieferungen nach Madagaskar schuldig geblieben. Die älteste Rechnung war bereits mehr als sechs Monate alt und der Schuldner hatte seine Geschäftstätigkeit infolge der Pandemie vorübergehend eingestellt. Die Inkassomitarbeiter von Creditreform nahmen Kontakt auf und erreichten, dass das Unternehmen im September 2021 eine erste Teilzahlung von knapp 20.000 Euro leistete. Nach weiteren Gesprächen unterzeichnete der Schuldner im Dezember eine Vereinbarung zur Zahlung des Restbetrags. Bisher hat er alle Zusagen eingehalten. Ein Glücksfall für den Gläubiger.

Sind Pandemie-Zeiten möglicherweise gute Zeiten für Auslandsinkasso-Unternehmen? Tatsächlich ließe sich dafür eine Reihe von Gründen anführen: Zum Beispiel, dass viele Exporteure ihr Geschäft nach einer Infektionswelle schnell wieder hochfahren und dabei mehr Risiken in Kauf nehmen. In der Hoffnung, endlich wieder Umsatz zu machen, sitzen sie am Ende auf einer Menge unbezahlter Rechnungen. Auch die Tatsache, dass die besonders von der Corona-Krise gebeutelten Branchen oft keine andere Wahl haben, als ihre Gläubiger zu vertrösten, könnte für mehr Beschäftigung bei Inkassospezialisten sorgen.

Auf der anderen Seite lassen sich aber auch Argumente finden, weshalb Pandemie-Zeiten weniger gut sind für alle, die sich auf das Forderungsmanagement verstehen. Allem voran die Tatsache, dass in der Flaute weniger Geschäfte gemacht und somit auch weniger Rechnungen geschrieben werden, die später möglicherweise offenbleiben. Denkbar auch, dass mancher Gläubiger großzügiger gegenüber seinen geplagten Schuldnern auftritt und das Inkasso aussetzt.

Der Aufwand steigt

Wenn Oliver Höfs, Abteilungsleiter Auslandsinkasso beim Verband der Vereine Creditreform, für das erste vollständig von der Pandemie geprägte Jahr 2021 Bilanz zieht, fällt das Urteil positiv aus: „Die Stückzahlen sind deutlich gestiegen und die Erfolgsquote war unverändert hoch.“ Allerdings, so räumt er ein, habe dieses Ergebnis einen höheren Aufwand erfordert. Denn natürlich seien in vielen Branchen weniger Rechnungen geschrieben worden. Und tatsächlich hätten viele Gläubiger Nachsicht mit schlechten Zahlern gezeigt – indem sie Ziele verlängerten und die Beauftragung von Inkassounternehmen hinauszögerten. 

Wenn Creditreform dennoch bemerkenswert gute Zahlen im Auslandsinkasso erreichte, so erklärt Höfs dies vor allem mit der starken Präsenz der Gruppe. „Wir arbeiten mit einem engmaschigen, weltweiten Netz von Landesgesellschaften zusammen, die auf den Forderungseinzug in dem jeweiligen Land spezialisiert sind. Das ist ein großer Vorteil, denn wer die Gepflogenheiten vor Ort kennt und gute Sprachkenntnisse besitzt, hat bessere Chancen, Forderungen durchzusetzen“, betont der Inkassospezialist. Ein weiteres Plus in der Pandemie sei die langjährige Erfahrung von Creditreform im Auslandsinkasso. Im vergangenen Jahr sei es mehr denn je darauf angekommen, den richtigen Ton und das passende Tempo im Forderungsmanagement zu treffen. Ist der Schuldner tatsächlich nur ein unglückliches Opfer der Corona-Krise und somit möglicherweise schon bald in der Lage, wieder durchzustarten? Oder hat sein Geschäftsmodell strukturelle Schwächen, die befürchten lassen, dass auch unter anderen Bedingungen keine Besserung eintritt? Um solche Fragen treffsicher zu beantworten, braucht es belastbare Bonitätsdaten sowie profunde Unternehmens- und Branchenkenntnisse. Obendrein ist viel Fingerspitzengefühl nötig, um säumige Zahler mit Nachdruck an ihre Zahlungspflicht zu erinnern.

Erfolge brauchen Zeit

Ein Inkassounternehmen ist umso erfolgreicher, je früher ihm eine Forderung übertragen wird. In der Pandemie ist Creditreform jedoch häufig erst vergleichsweise spät beauftragt worden. Im Durchschnitt waren die Forderungen bereits sechs bis sieben Monate alt. „Dennoch haben wir wie in den Jahren zuvor insgesamt mehr als 50 Prozent des uns übertragenen Forderungsvolumens realisiert. Schnelle Erfolge gab es jedoch nur selten. Verstärkt haben wir den Schuldnern Zahlungsaufschübe oder auch vergleichsweise langfristige Ratenzahlungen zugestanden“, erläutert Höfs. Und noch etwas war im Pandemie-Jahr anders: Der durchschnittliche Forderungsbetrag reduzierte sich noch einmal deutlich – von zuvor etwa 2.500 Euro auf weniger als 2.000 Euro.

Höfs interpretiert diesen Trend so: „Unternehmen sind bei kleineren Beträgen durchaus stärker ins Risiko gegangen. Dagegen sicherten sie sich besser ab, wenn es um größere Summen ging, oder verzichteten auch schon mal auf einen Auftrag, wenn ihnen die Bonität des Geschäftspartners nicht gut genug erschien.“ Am besten ist es natürlich, wenn es erst gar nicht zu offenen Forderungen kommt. Exporteure tun deshalb gut daran, neue ausländische Geschäftspartner einer Bonitätsprüfung zu unterziehen und bestehende Beziehungen intensiv zu überwachen. 

Viele Unternehmen fühlen sich auf der sicheren Seite, wenn sie auch bei Lieferungen ins Ausland einen Eigentumsvorbehalt vereinbaren. Sie vertrauen darauf, dass die Ware – wie im deutschen Recht geregelt – bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises ihr Eigentum bleibt. Doch das ist häufig ein Trugschluss. Denn der Eigentumsvorbehalt richtet sich immer zwingend nach der Rechtsprechung des Landes, in dem sich die Ware aktuell befindet. Viele ausländische Rechtsordnungen haben jedoch ein anderes Verständnis vom Rechtsbegriff des Eigentumsvorbehalts oder kennen ihn möglicherweise gar nicht. In den USA zum Beispiel ist er völlig unbekannt. Somit hilft dort der Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel nicht. 

Die gute Nachricht für Unternehmen, deren Schuldner im Ausland beheimatet sind: Nur in wenigen Ländern verjähren Forderungen so schnell wie in Deutschland, also nach drei Jahren. In Frankreich beispielsweise sind fünf Jahre üblich, in Italien sogar zehn Jahre. Allerdings beginnt die Uhr überall im Ausland unmittelbar mit dem Rechnungs- und Fälligkeitstag zu ticken. In Deutschland dagegen startet die Frist erst mit dem Ende des Jahres, in dem die Rechnung erstellt wurde. Allzu viel Zeit sollte man sich jedoch nicht lassen, überfällige Auslandsforderungen ins Inkasso zu geben. Denn je älter eine Forderung ist, umso schwieriger ist es üblicherweise, sie durchzusetzen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber