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Wer soll das bezahlen?

Die aktuelle Krisensituation seit Beginn des Jahrzehnts berührt auch die Finanzierung der Unternehmen. Das betrifft zunächst die Corona-Pandemie, wird nun aber möglicherweise noch verstärkt durch die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine.

Nicht zuletzt durch staatliche Hilfen wurde das Schlimmste verhindert. Die Insolvenzen waren sogar rückläufig, von einer Kreditklemme konnte nicht die Rede sein. Aber die Unternehmen haben sich weitere Schulden aufgebürdet. Hinzu kommt der gewaltige Transformationsdruck einzelner Branchen, den es ebenfalls zu finanzieren gilt.

Die Boston Consulting Group hat nun eine Analyse vorgelegt, welche die Unternehmen in den DACH-Ländern, im deutschsprachigen Europa, untersucht. Analysiert wurden rund 1.000 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Umsätzen zwischen 60 Millionen und über 100 Milliarden Euro. Darüber hinaus wurden 366 Finanzexperten befragt, wie sie diese Ergebnisse bewerten.

Verschuldung wächst weiter

Den Unternehmensberatern steht zunächst die aktuelle, wachsende Verschuldung vor Augen. Dies ist vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass die Unternehmensgewinne um rund 10 Prozent zurückgegangen waren. Auch die Umsätze haben gelitten und verzeichneten im Krisenjahr 2020 ein Minus von 7 Prozent. Insgesamt stieg die Verschuldung über alle Branchen hinweg zwischen 2015 und 2019 bereits um rund 8 Prozent – alleine 2020 war ein anderer Anstieg von 6 Prozent zu erkennen. Immerhin haben die Unternehmen Liquiditätsreserven gebildet und die flüssigen Mittel haben 2020 zugenommen, um die Krise zu überstehen. Bei der Zunahme der Verschuldung ist in Rechnung zu stellen, dass viele staatliche Hilfen über Banken finanziert wurden. Dies sorgte für ein Plus bei den ausstehenden Kreditfinanzierungen über die Bank von 5 Prozent. Andere Finanzierungsformen, etwa Anleihen oder Private Debt Fonds und Schuldscheine waren in Zeiten von Corona weniger bei der Fremdfinanzierung gefragt.

Auf welche Art auch immer die Finanzierungsprobleme akut gelöst wurden – die Frage steht im Raum, ob die Unternehmen in der Lage sind, angesichts einer steigenden Verschuldung und rückläufiger Erträge ihre Schulden bei Fälligkeit zu bedienen. Finanzexperten sprechen hier von einer „Maturity Wall“. Eben diese Experten aber verneinen zu 85 Prozent einen solchen harten Aufschlag. Das hat mehrere Gründe: So sind die Kredite in Höhe von 53 Milliarden Euro, die alleine die KfW ausgereicht hat, über mehrere Jahre fällig, der größte Teil sogar erst 2027 und später. Hinzu kommt, dass die meisten Kredite ein eher geringes Volumen von durchschnittlich 10 Millionen Euro aufweisen. Und schließlich war ein weiterer beträchtlicher Teil der staatlichen Hilfen als Subvention angesetzt, etwa beim Kurzarbeitergeld.

Finanzierung und Transformation

Auch wenn keine Maturity Wall droht, wird es nach Ansicht von Boston Consulting und ihrer Untersuchung Probleme mit der Refinanzierung geben. Die Nettoverschuldung wird wohl über einige Jahre ein hohes Niveau behalten, das oberhalb des Investmentgrades liegt. Die entsprechende Schwelle liegt beim Dreifachen des EBITDA, also des Gewinns vor Steuern und Abgaben. Werden Banken und andere Finanziers sich mit einem neuen, weicheren Investmentgrade anfreunden? Nur 20 Prozent der befragten Finanzexperten glauben, dass angesichts der Verschuldungssituation und der Erträge ein Anheben des Investmentgrades möglich ist. Dann würde für viele Unternehmen eine Anschlussfinanzierung nur unter Schwierigkeiten, etwa durch höhere Zinsen oder weitere Sicherheiten, möglich sein.

Deutlich wird im Zusammenhang mit dem Szenario möglicher Refinanzierungen aber auch die Problematik, dass mancher Betrieb Unterstützungsgelder bezogen hat, der bereits vor der Krise durch die Pandemie nur flaue Geschäftsergebnisse vorzuweisen hatte. Boston Consulting hat eine Stichprobe von 14 Unternehmen untersucht, die staatliche Beihilfen erhalten haben. Zehn von ihnen hatten vor der Pandemie bereits eine EBITDA-Marge von unter 10 Prozent, davon wiederum sechs sogar unter 3 Prozent. Neun dieser Unternehmen litten bereits vor Corona unter rückläufigen Gewinnen, sechs weitere registrierten vorher schon rückläufige Umsätze. Dazu passt die Meinung der Experten, die zu 90 Prozent davon ausgehen, dass es eine ganze Reihe von Unternehmen gibt, die staatliche Hilfen in der Krise bezogen haben, bereits vorher aber mit schwacher Ertragssituation dastanden und deren Probleme durch die Beihilfen nur aufgeschoben wurden.

Die befragten Experten waren zu 80 Prozent der Ansicht, dass größere Finanzierungsprobleme bei den Unternehmen wohl mittelfristig auftauchen, wenn es gilt, die staatlichen Pandemie-Hilfen aber auch die konventionelle Finanzierung zu erfüllen. In Zukunft geht es entscheidend aber nicht nur darum, die Finanzierung aus der Krise abzulösen, sondern die Transformation der Wirtschaft, wie sie auf der Agenda so vieler Betriebe steht, zu finanzieren. Es sind die bekannten Themen wie die Digitalisierung, die Elektrifizierung und die Nachhaltigkeit im Zuge sich weiter verbreitender Umweltschutzmaßnahmen, die viel Geld kosten werden.

Der Druck zur Transformation ist in den Branchen unterschiedlich. Während bei den Konsum- oder Luxusgüterindustrien eine Umstellung auf neue Kundenbedürfnisse durch eine positive Rentabilität wohl zu bewältigen ist, wird es bei der Energieerzeugung oder in der Automobilindustrie deutlich schwieriger. In manchen Branchen wird die künftige Refinanzierung ein Problem werden, wenn die Gewinne flau sind, der Transformationsdruck hoch und die Verschuldung, eben auch aus der Krise heraus, ebenfalls gewaltig ist. Immerhin einen Ausweg sehen die Unternehmensberater bei einem adäquaten Geschäftsmodell in eher alternativen Finanzierungsquellen wie etwa Private Debt Fonds oder Crowdfunding, die dann wohl bald eine größere Rolle spielen dürften.

Quelle: Boston Consulting Group