Creditreform Magazin

Mit Freiberuflern gegen den Fachkräftemangel

Wo Mitarbeiter knapp sind, werden Selbstständige und Freiberufler zu einer Alternative. Das langwierige Recruiting entfällt. Warum daraus ein Trend wird und worauf Unternehmen achten müssen.

Friederike Blömer genießt ihre Selbstständigkeit. Seit zwei Jahren ist sie als freiberufliche Unternehmensberaterin tätig. Sie unterstützt Unternehmen bei ihrer strategischen Personalplanung und Organisationsentwicklung. Der Kreis der Kunden reicht vom Startup bis zum Großkonzern. Die 32-Jährige hat nach einem dualen BWL-Studium mit einer Ausbildung zur Luftverkehrskauffrau viele Jahre fest angestellt gearbeitet. Sie kennt also beide Seiten und schätzt das freiberufliche Arbeiten: „Ich habe mehr Freiheiten und kann meinen Tag flexibler gestalten.“

Vor allen Dingen kann sich Blömer viel besser auf den Auftraggeber einstellen: „Ich bin mir selbst treu, muss nicht dem Chef gefallen wollen und lasse mich nicht auf interne Konflikte ein, die viel Kraft und Energie kosten“, sagt sie. „Ich bin offener und ergebnis­orientierter. Das hat auch meine Arbeit für meine Kunden verbessert.“

Sie ist überzeugt, dass Unternehmen mit dem Einsatz von Freelancern einen Mehrwert generieren können.

Die Corona-Pandemie war wie ein Beschleuniger für die neue Arbeitswelt. Sie hat bei vielen Menschen den Wunsch erhöht, selbstbestimmt zu arbeiten. Das zeigt eine Umfrage für die Studie „Freelancing in Europe 2022“ der Unternehmensberatung Boston Consulting Group mit der Personalplattform Malt (siehe Grafik). Als Hauptmotivation für die freiberufliche Tätigkeit nennen 95 Prozent der befragten Freiberufler Unabhängigkeit, gefolgt von Flexibilität (83 Prozent) und der freien Wahl des Arbeitsortes (80 Prozent). 78 Prozent der Befragten geben an, dass sie mit ihrer freiberuflichen Tätigkeit im Einklang mit persönlichen Werten arbeiten können und sie Projekte sowie Kunden frei auswählen können. Die meisten Freiberufler sind erfahren: Sie verfügen im Schnitt über neun Jahre Berufserfahrung.

Geringere Absicherung

Genau wie Silke Arfmann. Die Interim-Managerin aus Berlin blickt auf eine 30-jährige Erfahrung mit großen Marken in klassischer Werbung und in Digitalagenturen zurück. Seit 2007 ist sie Freiberuflerin und begeistert sich für Themen, die gesellschaftlich relevant sind, wie Nachhaltigkeit, verantwortungsvolle Digitalisierung und New Work. „Es gibt Phasen im Leben, in denen freiberufliches Arbeiten, aber auch das Fest-angestellt-Sein Sinn machen. Viele Fachkräfte wollen aktuell gerne frei arbeiten. Auch ich schätze mehr Selbstbestimmung und eine örtliche und zeitliche Flexibilität.“ Auf der anderen Seite stehen ein höheres Maß an Ungewissheit und eine geringere Absicherung. 

Arfmanns Projekte dauern in der Regel zwischen drei Monaten und einem Jahr.

„In den vergangenen Jahren sind die Anforderungen gestiegen. Man muss mehr Aufgaben in gleicher Zeit erledigen und sich schnell in eine Vielzahl von Tools einarbeiten. Aber die Digitalisierung macht es auch möglich, dezentral zu agieren und Fachkräfte aus der ganzen Welt an einen Tisch zu holen.“ Ihrer Erfahrung nach brauchen Unternehmen Freiberufler, um Veränderungen zu begleiten, aber auch um Lücken zum Beispiel durch Krankheit oder Elternzeit zu schließen. „Für Firmen sind Freiberufler ein guter Weg, um Ressourcenengpässe zu überbrücken oder dem Fachkräftemangel zu begegnen.“ Unternehmen können Freiberufler unkompliziert und zeitlich begrenzt innerhalb weniger Tage beauftragen. Das ist gerade in agilen Projekten ein Vorteil

Fachkräfte auf Zeit

In Zeiten des Fachkräftemangels ist der Einsatz von Freiberuflern ein Weg, um Kompetenzen auf Zeit einzukaufen. Dabei handelt es sich in der Regel um hochqualifizierte Fachkräfte mit einer Spezialisierung. Ganz besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung bei IT-Kräften, die von jedem Ort der Welt Projekte begleiten können. Seit Jahren steigt der Anteil der Freiberufler im IT-Sektor. Ihr Anteil liegt in der EU bei 25 Prozent. Das Freelancertum ist vor allem beliebt in der Generation Z, also bei den Menschen, die nach 1997 geboren wurden. „In den USA sind 46 Prozent der Fachkräfte dieser Generation Freiberufler“, berichtet Christoph Hardt, CEO der Plattform Malt in Deutschland, die freiberufliche Fachkräfte an Unternehmen vermittelt. Auch mehr und mehr Führungskräfte arbeiten auf freiberuflicher Basis. „Wenn wichtige Mitarbeiter ausfallen, besonders häufig sehen wir das im Bereich HR oder im Bereich Finance, decken häufiger freiberufliche Interim Manager die entstehende Lücke“, erklärt Hardt.

Auf digitalen Plattformen wie der von Malt können Unternehmen nach Fachkräften auf Zeit suchen. Dort sind 550.000 Freiberufler gelistet.

Dem stehen 70.000 Unternehmen gegenüber, die regelmäßig nach Freiberuflern suchen. Das Spektrum reicht vom Startup bis zum Großkonzern. „Wir entwickeln uns zu einem Arbeitnehmermarkt. Arbeitnehmer sind knapp und bestimmen zukünftig ein Stück die Regeln der Beschäftigung. Unternehmen müssen einen strategischen Weg finden, mit der wachsenden Zahl an Freiberuflern zusammenzuarbeiten“, empfiehlt Hardt.

Während für die Beauftragung von Freiberuflern in deutschen Unternehmen eher der Einkauf zuständig sei, ist in angelsächsischen Ländern meist die HR-Abteilung einbezogen. „Das macht Sinn. Wer regelmäßig Freiberufler beauftragt, sollte sich um diese Zielgruppe kümmern“, rät Hardt. Das kann zum Beispiel bedeuten, Rechnungen schneller als üblich zu bezahlen oder die Freiberufler auf spezifische Events einzuladen. Wie bei Festangestellten geht es darum, Freiberufler zu überzeugen und möglichst auch zu binden. Denn das nächste Projekt kommt bestimmt.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Dirk Wohleb
Bildnachweis: C. Alvarez / iStock