Creditreform Magazin

„Inkassotätigkeit wird unverändert möglich sein“

Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, hat den Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht maßgeblich mitgestaltet. Im Interview nimmt er Stellung zur Kritik der Inkassowirtschaft.

Herr Billen, Zahlungsverzug ist für jedes Unternehmen ein potenziell ernstes Problem und eine der wichtigsten Insolvenzursachen. Inwiefern trägt der Gesetzesentwurf etwas zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs bei? Oder ist es nicht vielmehr im Gegenteil so, dass er die Verzugsfolgen einseitig zugunsten säumiger Schuldner abmildert und zum Verfall der Zahlungsmoral beiträgt?

Gerd Billen:
Durch die in § 288 BGB neu vorgesehenen Hinweispflichten soll Schuldnern bereits vor Eintritt des Verzugs, beispielsweise im Rahmen der Rechnungsstellung, zumindest aber vor Eintritt der Kostenfolgen des Verzugs, verdeutlicht werden, welche Kostenfolgen eine nicht fristgerechte Zahlung haben kann. Dies soll die Schuldner anhalten, die von ihnen eingegangenen Verbindlichkeiten rechtzeitig zu begleichen. Aus meiner Sicht fördert das die Zahlungsmoral und dient dem Schutz der Schuldner und Gläubiger gleichermaßen.

 

Der Gesetzesentwurf hat den Verbraucherschutz zum Ziel, erfasst aber auch das Inkasso von B2B-Forderungen. Inwiefern ist das stimmig?

Es ist stimmig. Lassen Sie es mich am Beispiel der Vergütungsregeln festmachen: Die Vergütungsregelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, in denen die Neuregelungen zur Geschäftsgebühr angesiedelt sind, stellen auf den Aufwand ab, den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei der Bearbeitung eines Mandats haben. Bei Inkassoforderungen unterscheidet sich dieser aber nicht danach, ob der Schuldner Verbraucher oder Gewerbetreibender ist. Daher macht es Sinn, hier auch B2B-Forderungen zu erfassen.

 

Die Vereine Creditreform verstehen ihre Aufgabe darin, die Forderungen ihrer 129.000 Mitglieder rasch und kostengünstig zu realisieren, das heißt, möglichst außergerichtlich. Das gelingt auch in den allermeisten Fällen. Eine positive Nebenwirkung dieser Anstrengungen  ist, dass die Zahl der gerichtlichen Mahnverfahren seit Jahren sinkt und bundesweit nur noch weniger als fünf Millionen Fälle ausmacht, was gemessen an dem Fallaufkommen der Inkassobranche sehr wenig ist. Über diese Entlastung der Justiz müssten Sie eigentlich froh sein. Ihr Gesetzesentwurf lenkt das Geschehen nun aber wieder mehr in Richtung der Gerichte. Worin liegt der Sinn?

Ich glaube nicht, dass die Neuregelungen zu einer signifikanten Zunahme der Fälle führen werden, die in das gerichtliche Mahnverfahren gelangen. Unserer Ansicht nach ist den Inkassounternehmen auch unter Geltung der neuen Regelungen eine im Wesentlichen unveränderte Tätigkeit möglich. Wenn Inkassounternehmen in einen Vorgang wirklich einmal viel Zeit stecken müssen, soll das auch weiterhin angemessen vergütet werden. Dies gilt etwa für Fälle, in denen eine für alle Seiten befriedigende Lösung herbeigeführt und letztlich ein gerichtliches Mahnverfahren abgewendet wird. Die Neuregelung sieht vor, dass der üblicherweise geltende Gebührensatz in besonders umfangreichen oder besonders schwierigen Fällen überschritten werden kann.

 

Beim Einzug sehr kleiner Forderungen kann ein Missverhältnis zwischen Hauptforderung und Nebenforderung entstehen. Insofern ist eine auf dieses Segment fokussierte Regulierung diskutabel. Ihr Entwurf geht aber über die gesamte Breite des Spektrums und erfasst auch Forderungen weit jenseits jeder Bagatellgrenze. Warum halten Sie auch dafür eine Regulierung für notwendig?

Die Vergütungen, die Inkassodienstleister derzeit in der Regel verlangen, sind insgesamt als zu hoch anzusehen. In dem 2013 verabschiedeten Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken war vorgesehen, dass durch eine Rechtsverordnung Höchstsätze für die Gebühren festgesetzt werden sollten, die ein Gläubiger von einer Privatperson erstattet verlangen können soll. Zum Erlass dieser Verordnung ist es dann nicht gekommen, weil sie einseitig nur die Inkassodienstleister getroffen hätte. Es war aber seit 2013 klar, dass die für Inkassodienstleistungen geltend zu machenden Gebühren begrenzt werden sollten. Davon, dass dies nicht geschehen ist, hat die Branche in den vergangenen Jahren gut gelebt. Dies gilt zudem auch deshalb, weil Gläubiger und Inkassodienstleister bisher nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, in dem für die Geschäftsgebühr geltenden Rahmen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ihre Leistungen dem Aufwand entsprechend zu bewerten. Eine durchschnittliche Inkassodienstleistung ist mit einem Gebührensatz von 1,3, den die Inkassodienstleister derzeit in mehr als der Hälfte der Fälle ansetzen, überhöht bewertet.

 

Gläubiger sollen künftig ihre Schuldner auf die Kostenfolgen des Verzugs hinweisen und auch die Inkassodienstleister sollen künftig in bestimmten Konstellationen den (säumigen) Schuldnern Rechtsrat erteilen. Glauben Sie, dass ein Handwerker, ein Freiberufler oder ein Gewerbetreibender dies als interessengerecht empfindet?

Der Hinweis auf die Kostenfolgen des Verzugs soll die Schuldner zu einer fristgerechten Zahlung veranlassen. Dies liegt eindeutig im Interesse der Gläubiger. Die Erteilung von Rechtsrat an den Schuldner – und schon gar nicht durch den Gläubiger selbst – sieht der Referentenentwurf an keiner Stelle vor. Sichergestellt werden soll lediglich, dass Schuldner, die ein Schuldanerkenntnis unterschreiben, verstehen sollen, welche Folgen dies für sie hat. Diese Fairness sollte beim Abschluss einer Vereinbarung eigentlich selbstverständlich sein. 
 


Quelle: Magazin „Creditreform“

Interview: Christian Raschke