Creditreform Magazin

Rechnung fehlerhaft - was tun?

Bei unvollständigen oder fehlerhaften Rechnungen gerät der Vorsteuerabzug schnell in Gefahr. Jetzt haben die Finanzbehörden ihre lang erwarteten Spielregeln zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung veröffentlicht. Auslöser war die zunehmend unternehmerfreundliche Finanzrechtsprechung.

Fehlende oder falsche Pflichtangaben auf Eingangsrechnungen können für Ärger sorgen, spätestens bei einer Außenprüfung. Von einigen allzu strengen formalen Vorgaben im Umsatzsteuerrecht ist die Finanzrechtsprechung zuletzt allerdings abgerückt.

So verlangt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwar nach wie vor eine nachvollziehbare und zutreffende Beschreibung, aus der sich die Art der erbrachten Leistung ergibt. Nur so können die Finanzbehörden die Vorsteuerabzugsberechtigung überprüfen. Detaillierter Auflistungen bedarf es dazu aber nicht. Es reiche vielmehr, wenn den Finanzbehörden zusätzliche Unterlagen mit den benötigten Informationen bereitgestellt werden (Entscheidung vom 15. September 2016, Rechtssache C-516/14 Barlis). Auch andere materielle Voraussetzungen wie etwa die Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen für eigene steuerpflichtige Umsätze können vom Unternehmer durch Beweismittel nachgewiesen werden. Da jedoch keine Pflicht zur Ermittlung fehlender Informationen seitens der Finanzbehörden besteht, wirken Zweifel und Unklarheiten am geltend gemachten Vorsteuerabzug wie ehedem zulasten des Unternehmens.

Vorsteuerabzug ohne Rechnung?

Auch künftig setzt der Vorsteuerabzug den Besitz einer Rechnung voraus. Das Anwendungsschreiben der Finanzbehörden vom 18. September 2020 stellt hierzu, gestützt durch aktuelle Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), klar, dass die Berechtigung zum Vorsteuerabzug keinesfalls durch bloßen Zeugenbeweis belegt werden kann. Auf ein Entgegenkommen des Finanzamts dürfen Unternehmer lediglich beim Totalverlust einzelner Rechnungen hoffen. Denn nach der BFH-Entscheidung vom 23. Oktober 2014 (Az.: V R 23/13) setzt der maßgebliche § 15 Abs. 1 UStG nicht notwendigerweise voraus, dass die betreffende Rechnung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt vorhanden ist und im Prüfungsfall vorgelegt werden kann. Bei verloren gegangenen und nicht mehr rekonstruierbaren Rechnungen muss der Unternehmer allerdings mit allen verfahrensrechtlichen Beweismitteln nachweisen, dass er zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs tatsächlich eine ordnungsgemäße Rechnung besessen hatte. Nur in diesem Fall darf das Finanzamt die abziehbaren Vorsteuern unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus vorherigen Betriebsprüfungen und der allgemeinen Lebenserfahrung schätzen. Als Beweismittel werden neben Kopien und Zweitausfertigungen der Originalrechnung auch Zeugenaussagen akzeptiert, sofern sich diese auf das ehemalige Vorliegen von Originalrechnungen für konkret bezeichnete Eingangsleistungen beziehen.

Rückwirkende Berichtigung von Rechnungen

Großzügiger zeigen sich die Finanzämter und Finanzgerichte bei mangelhaften Rechnungen, die vom Rechnungsaussteller nachträglich berichtigt werden. In der Praxis kann eine Berichtigung laut BMF-Schreiben vom 18. September 2020 auch dadurch erfolgen, dass der Rechnungsaussteller die ursprüngliche Rechnung storniert und eine Neuausstellung der Rechnung vornimmt.

Da eine Rechnung nach der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (§ 31 UStDV) aus mehreren Dokumenten – dazu zählen beispielsweise Lieferscheine zum Nachweis des tatsächlichen Lieferdatums – bestehen kann, reicht laut Umsatzsteuer-Anwendungserlass der ­Finanzbehörden (UStAE Abschnitt 14.11 Abs. 1) alternativ ein Dokument mit den nachgeholten oder korrigierten Pflichtangaben, sofern sich dieses eindeutig und leicht nachprüfbar auf die ursprüngliche Rechnung bezieht. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn im Änderungsdokument die fortlaufende Nummer der ursprünglichen Rechnung angegeben ist; einer neuen Rechnungsnummer für den Korrekturbeleg bedarf es dabei ausdrücklich nicht. Auch braucht die ursprüngliche Rechnung vom Leistungsempfänger nicht zurückgegeben werden. Aus Vereinfachungsgründen verzichten die Finanzbehörden darüber hinaus auf eine Korrektur von Voranmeldungen innerhalb eines Besteuerungszeitraumes.

Hohe Nachzahlungszinsen

Doch selbst wenn Unternehmen in der Vergangenheit von ihren Geschäftspartnern korrigierte oder ergänzte Abrechnungen erhielten, wurden nach der deutschen Verwaltungspraxis für voreilig in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug Nachzahlungszinsen von jährlich immerhin sechs Prozent fällig. Mit Rückendeckung des EuGH (Urteil vom 15. September 2016, Rechtssache C-518/14 Senatex GmbH) entschied der BFH am 20. Oktober 2016 (Az.: V R 26/15) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, dass Rechnungsberichtigungen auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurückwirken. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass im ursprünglichen Dokument mindestens Angaben

  • zum Rechnungsaussteller und
    Leistungsempfänger,
  • zur Leistungsbeschreibung,
  • zum Entgelt sowie
  • zur gesondert ausgewiesenen
    Umsatzsteuer
     

gemacht wurden, die nicht zu unvollständig oder gar offensichtlich unzutreffend sind. Zugunsten betroffener Unternehmen haben die Finanzbehörden diese Rechtsprechung übernommen. Sofern also die obigen Anforderungen erfüllt sind, entfaltet eine Rechnungsberichtigung immer Rückwirkung.

Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht damit grundsätzlich bereits in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung ­bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag. Hohe Nachzahlungszinsen sind damit vom Tisch. Der Wermutstropfen: Eine Änderungsmöglichkeit bereits bestandskräftiger Umsatzsteuer-Festsetzungen nach § 175 der Abgabenordnung gibt es nicht. Denn die Finanzbehörden wollen eine Rechnungskorrektur nicht als rückwirkendes Ereignis anerkennen.


RECHTSGRUNDLAGEN

Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. September 2020 (Az.: III C 2 – S 7286-a/19/10001:001) zur Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung und Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Bernhard Lindgens