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Ein Schutzschirm nicht nur für Kaufhäuser

Es war leider kein Aprilscherz. Zu Anfang des Monats musste Galeria Kaufhof/Karstadt zum Insolvenzgericht. Dem Antrag, sich in ein Schutzschirmverfahren zu begeben, gab das Essener Gericht am nächsten Tag statt. Die Pandemie und in ihrer Folge die verfügte Schließung der Kaufhäuser sorgte für Umsatzverluste – Insider gehen davon aus, dass bis Ende April etwa eine halbe Milliarde Euro verloren gehen wird. Für die Kaufhauskette wäre das nicht mehr tragbar gewesen.

Schieflage schon vor Corona

Klar ist aber auch, dass der Konzern schon seit Jahren rote Zahlen schreibt. Wie in manchen anderen Branchen, wo bereits in Zeiten guter Gesamtkonjunktur Probleme deutlich waren, so zeigte auch das Kaufhaus-Konzept beider Häuser schon lange Schwächen. Der neue Eigentümer Benko hatte ein Sanierungskonzept bereits außerhalb des Insolvenzantrags vorgelegt, das auf eine Verschlankung setzte, die durch das Zusammenlegen von Betriebsteilen und dem Abbau von Personal (etwa in der Verwaltung) erreicht werden sollte. Was auch immer mit diesem Vorgehen erreicht worden wäre – nun hat Corona diesen Bemühungen den Garaus gemacht. Das Schutzschirmverfahren könnte sich schließlich sogar als der bessere Weg erweisen, das traditionsreiche Unternehmen wieder flott zu machen. Die knapp 30.000 Beschäftigten waren schon mit Kurzarbeitergeld versorgt, jetzt beziehen sie Insolvenzgeld.

Die Kaufhäuser unter dem Dach der Signa von Eigentümer Benko sind nicht die ersten, die sich des Schutzschirmverfahrens bedienen. Auch Esprit und Condor nutzen die Vorteile des Verfahrens, bei dem in Eigenverwaltung ein abgestimmter Sanierungsplan umgesetzt wird. Kaufhof und Karstadt werden in der aktuellen Corona-Krise nicht die letzten gewesen sein, die das Instrument nutzen.

Insolvenz ist nicht das Ende

Im Jahr 2012 war das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in die Insolvenzordnung aufgenommen worden. Ziel war es, den Return, die Sanierung in den geordneten Bahnen des Insolvenzrechts zu ermöglichen. Eine Unternehmensinsolvenz sollte, nachdem der Vergleich aus der alten Konkursordnung keine Rolle mehr gespielt hatte, nicht mehr mit der Liquidation des Betriebs enden. Es galt und gilt, Unternehmenswerte zu erhalten.

Dabei sind an das Verfahren strenge Auflagen geknüpft. Im Mittelpunkt steht, dass das Unternehmen noch zahlungsfähig ist. Es darf aber eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder auch eine Überschuldung vorliegen. Diese Tatsache ist durch einen in Insolvenzsachen kompetenten Sachverständigen zu bescheinigen. Dem Gericht ist außerdem der Antrag auf Eigenverwaltung vorzulegen sowie ein Sachwalter zu nennen. Dabei ist das Unternehmen bei der Wahl des Sachwalters – im aktuellen Fall RA Kebekus – sehr frei. In dieser Freiheit liegt ein wesentlicher Unterschied zum „normalen“ Sachwalter im Insolvenzplanverfahren. Wichtig dafür, dass dem Antrag vom Gericht stattgegeben wird, ist, dass der vorgelegte Plan realistische Chancen bietet, um die Sanierung erfolgreich durchzuführen.

Krise als Chance

Nun kann das betroffene Unternehmen wieder handeln. Es begründet Masseverbindlichkeiten, aber vor allem ist es vor Vollstreckungen geschützt. Bei den tausenden Lieferanten der Warenhäuser, vor allem aus dem Textilbereich, dürfte das den Weg in die Gesundung überhaupt erst ermöglichen. Eine andere Frage ist in diesem Zusammenhang nach den betroffenen Lieferanten, die nun (zunächst) auf ihr Geld warten. Ob das mit der Vertretung im Gläubigerausschuss zu regeln sein wird?

Schutzschirm aus der Sicht der Praktiker

Der Gravenbrucher Kreis – der Zusammenschluss führender, überregional tätiger Insolvenzverwalter und Restrukturierungsexperten Deutschlands – sieht das Schutzschirmverfahren in der Krise als das richtige Instrument an. Er fordert den Gesetzgeber zu weiteren Erleichterung dabei auf: „Hier sollte die Bundesregierung den Zugang zu bereits bestehenden gesetzlichen Sanierungsmöglichkeiten, namentlich dem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren), erleichtern. Falls in diesem Zuge positive Sanierungsaussichten für Unternehmen festgestellt werden, sollte die Zahlung von Insolvenzgeld für Beschäftigte auf einen Zeitraum von sechs Monaten verdoppelt werden. Unter dem Schutzschirm würden auch sämtliche Altverbindlichkeiten zunächst „eingefroren“. Für die zu erwartenden Verfahren müssen die Insolvenzgerichte personell mit ausreichenden Kapazitäten ausgestattet sein. Auch sollte die Durchführung der Verfahren im schriftlichen Verfahren unter Einsatz digitaler Kommunikationsmöglichkeiten gefördert werden.“