Creditreform Magazin

Hilfe, mein Kunde ist insolvent!

Bei Insolvenz sind alle Forderungen verloren? Wer sich auskennt, kann auch dann noch seine Rechtspo­sition verbessern. Noch wichtiger aber ist eine gute Vorsorge.

Wenn Martin Gogger wissen möchte, wie es um die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bestellt ist, zählt er die Anmeldungen zu seinen Seminaren. Sind alle Plätze vergeben, ahnt er: Die Konjunktur wird möglicherweise bald kippen und mehr Unternehmen in die Insolvenz treiben. Gogger, Vorsitzender Richter am Landgericht Würzburg und dort unter anderem für Insolvenzrecht zuständig, referiert an der Creditreform Akademie regelmäßig zu einem sensiblen Thema: den Rechten und Möglichkeiten von Gläubigern im Fall der Insolvenz eines Kunden. „In Boom-Zeiten interessiert es nur wenige Unternehmen, wie sie sich gegen mögliche Ausfälle wappnen können. Häufen sich die Signale für bald steigende Insolvenzzahlen, füllen sich die Reihen“, sagt er. Daran gemessen, sind die Perspektiven derzeit eher düster, denn Goggers Vorträge werden zunehmend besser besucht.


Sicherheiten nach Maß

„Rechtzeitiges und richtiges Reagieren verringert im Insolvenzfall die eigenen Risiken“, betont er. Das heißt: Bereits in Zeiten, in denen es noch keine Anzeichen für eine drohende Insolvenz gibt, können Unternehmen viel tun, um ihre Position für den schlimmsten Fall zu optimieren. Wer kein Risiko eingehen will, liefert nur gegen Vorkasse oder schließt eine ausreichende Kreditversicherung ab – die allerdings häufig einen Selbstbehalt von 20 Prozent fordert.

Auf keinen Fall, so rät Gogger, sollten Unternehmen darauf verzichten, branchenübliche Sicherheiten zu vereinbaren. „Sie erlauben es dem Gläubiger, im Insolvenzfall auf das Sicherungsgut zuzugreifen. Eine Standardsicherheit wie ein verlängerter Eigentumsvorbehalt bringt dem Gläubiger von Gesetz wegen 72 Prozent aus dem Verwertungserlös, den der Insolvenzverwalter bei Abverkauf des Produkts erzielt.“

Sicherheiten können jedoch auch Tücken haben, insbesondere, wenn sie über das branchenübliche Maß hinausgehen. Darauf weist Robert Buchalik, geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp sowie Vorsitzender des Bundesverbands ESUG und Sanierung, hin: „Sicherheiten sind unter Umständen im Insolvenzfall anfechtbar und möglicherweise ein Indiz dafür, dass der Lieferant von der Schieflage wusste. Das könnte ­sogar dazu führen, dass alle Zahlungen, die er seit Stellung der ­Sicherheiten erhalten hat, ­zurückgezahlt werden müssen.“ Deshalb rät Buchalik, sich gegebenenfalls Sicherheiten aus dem Vermögen Dritter (auch des Gesellschafters), zum Beispiel eine Bürgschaft, geben zu lassen. Und: Zahlungen sollten immer zuerst auf die aktuelle Lieferung erfolgen – und das innerhalb der 30-Tage-Frist.


„Rechtzeitiges und richtiges Reagieren verringert im Insolvenzfall die eigenen Risiken.“

Martin Gogger, Landgericht Würzburg


Der Besitz einer Sicherheit und die bloße Anmeldung der Forderung beim Insolvenzverwalter reichen jedoch in vielen Fällen nicht aus, um Geld zu erhalten. „Viele Gläubiger versäumen, zu erwähnen, dass sie aus dieser Sicherheit gesondert befriedigt werden wollen. Wenn dieser Satz nicht vorliegt, wird der Insolvenzverwalter diese Sicherheit nicht bedienen“, erläutert Gogger. Nach seiner Beobachtung verfügen viele Unternehmen, auch kleinere, über ein Forderungsmanagement, mit dem sie gut in Insolvenzfällen bestehen können. „Für die Formulierung erster Briefe an den Insolvenzverwalter und die Durchsetzung von Standardsicherheiten in der Insolvenz benötigt man noch keinen spezialisierten Juristen. Aber man sollte sich frühzeitig kundig machen und eine Reihe von Musterschreiben griffbereit haben.“ Buchalik dagegen empfiehlt Lieferanten, im Fall der Insolvenz eines Kunden sofort einen Rechtsanwalt mit weitreichender Erfahrung im Insolvenzrecht einzuschalten, der sich unverzüglich um die Sicherstellung der Rechte aus einem möglichen Eigentumsvorbehalt kümmert.


Rechte aktiv durchsetzen

Besonders achtsam müssen Gläubiger im Fall einer Eigenverwaltung sein, wenn also ein Unternehmen das Insolvenzverfahren unter Aufsicht eines Sach­walters selbst durchführt. Das passiert immer häufiger. Im vergangenen Jahr wurden nach Zahlen von Creditreform zwar lediglich 1,4 Prozent aller Insolvenzen in Eigenverwaltung durchgeführt. Aber unter den insolventen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten betrug ihr Anteil bereits ein Viertel. „Lieferungen im vorläufigen Verfahren bis zur Eröffnung sind einfache Insolvenzforderungen. Durch eine konkrete Einzelermächtigung des Gerichts für exakt diese Forderung wird sie zur Masseverbindlichkeit“, sagt Buchalik. Auch hier gilt also: Gläubiger müssen sich informieren und aktiv ihre Rechte durchsetzen. Ab Insolvenzeröffnung sind alle Lieferantenverbindlichkeiten, die seitdem entstanden sind, ohnehin Masseverbindlichkeiten. Aber Vorsicht: Auch das schütze den Gläubiger nicht vor einem Ausfall, sagt Buchalik. „Wenn der Insolvenzverwalter dem Gericht Masseunzulänglichkeit anzeigt, werden auch Masseverbindlichkeiten nicht mehr befriedigt.“


Seminartipp

Dr. Martin Gogger, Vorsitzender Richter am Landgericht Würzburg, hält regelmäßig praxisorientierte Seminare an der Creditreform Akademie. Zielgruppe sind Unternehmer und deren Mitarbeiter, die Forderungsausfälle bei insolventen Kunden verringern und Möglichkeiten und Risiken eigener Sicherheiten besser einschätzen wollen.

Die nächsten Termine:

10.03.2020, Berlin

02.04.2020, Stuttgart

19.05.2020, Köln

Mehr unter: creditreform.de/aktuelles-wissen/veranstaltungen


Text: Stefan Weber

Quelle: Magazin „Creditreform“