Sozialausgaben: Deutschland ist Europameister
Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln gibt Deutschland inzwischen mehr Geld für die soziale Sicherung aus als die nordischen Wohlfahrtsstaaten. Für Bildung und Investitionen gilt dies bedauerlicherweise nicht.
Deutschland ist spitze. Leider nicht beim Wirtschaftswachstum. Auch nicht bei Investitionen und Ausgaben für Bildung. Wohl aber, wenn es um die soziale Sicherung geht. Wie eine Ende November veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln zeigt, entfallen in Deutschland 41 Prozent der gesamten Staatsausgaben auf den Posten „Soziale Sicherung“. Davon wiederum geht allein die Hälfte in die Alterssicherung.
Das IW hat die Entwicklung der öffentlichen Ausgaben in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Benelux-Staaten sowie den nordischen Ländern zwischen 2001 und 2023 untersucht – allesamt Länder, die laut IW Deutschland wirtschaftlich und kulturell nahestehen. Von allen diesen Staaten liegt Deutschland bei den Sozialausgaben auf Platz 1 – sogar vor den nordischen Wohlfahrtsstaaten Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island, die zuletzt 40 Prozent für Soziales aufwendeten.
„Vor allem die Alterssicherung zehrt einen großen Teil der Einnahmen auf“, sagte Dr. Björn Kauder, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik beim IW, zu den Studienergebnissen. Schweden hingegen habe vorgemacht, wie es geht: Laut dem IW-Experten hat das Land bereits vor 25 Jahren Reformschritte unternommen und eine Mischung aus umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Rente eingeführt. Für Deutschland fürchtet Kauder: „Ohne eine Rentenreform werden die Kosten explodieren – zulasten der Steuerzahler.“
Schwache Quoten bei Bildung und Investitionen
Der Anstieg der Sozialausgaben auf inzwischen 41 Prozent ist auffällig – und problematisch. Denn das Geld fehlt an anderer Stelle. Zum Beispiel bei der Bildung. Hier spart Deutschland laut der IW-Studie. Lediglich 9,2 Prozent der gesamten Staatsausgaben entfallen in Deutschland auf Bildung. In Österreich und der Schweiz sind es hingegen 13,1 Prozent, in den nordischen Ländern 12,4 Prozent. Deutschland liegt bei der Bildung sogar unter dem EU-Durchschnitt von 9,6 Prozent. Das ist bedenklich, denn in einem rohstoffarmen Land sind Bildung und Innovationen entscheidende Ressourcen für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit.
Das gilt auch für Investitionen. Deutschland befindet sich in einem heftigen Investitionsstau. Das verzögert die dringend notwendige Ertüchtigung der Bahn- und Brückeninfrastruktur ebenso wie die dringend notwendige Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung. Der Staat investiert zu wenig und setzt damit auch zu wenig Anreize. Und auch die Unternehmen halten sich aufgrund der enormen Unsicherheit nach zwei Jahren Rezession sowie einem Jahr Stagnation zurück.
Was den Staat betrifft: Bei Investitionen liegt Deutschland noch weiter zurück als bei der Bildung. Gerade einmal sechs Prozent der gesamten Staatsausgaben wendet Deutschland gemäß der IW-Untersuchung für Investitionen auf. Der EU-Durchschnitt: 7,4 Prozent. Österreich und die Schweiz investieren immerhin 8,4 Prozent, die nordischen Länder sogar 9,3 Prozent.
Auf einem weiteren Gebiet schneidet Deutschland im Ländervergleich schlecht ab: So stieg, wie sich der IW-Studie ebenfalls entnehmen lässt, der Ausgabenanteil für die allgemeine öffentliche Verwaltung – ohne Staatsschuldentransaktionen – kräftig auf zuletzt elf Prozent an. Die Zunahme ist massiv, 2001 waren es lediglich 7,2 Prozent. „Somit entwickelte sich Deutschland vom Land mit dem niedrigsten zu dem Land mit dem höchsten Ausgabenanteil für die allgemeine öffentliche Verwaltung“, heißt es in dem IW-Report. In allen anderen untersuchten Staaten sank die Quote zuletzt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 8,1 Prozent.
Das Fazit fällt deutlich aus: „Im Angesicht der dargestellten Entwicklungen und der gegenwärtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Bundespolitik anzuraten, einem weiteren Aufwuchs der staatlichen Aktivität und vor allem der Sozialausgaben entgegenzutreten“, folgert der IW-Report. Geboten seien eine grundlegende Ausgabenkritik sowie ein effizienterer Einsatz der öffentlichen Mittel. „Insbesondere die Verwaltung bindet viele Ressourcen unproduktiv, weshalb die gestiegenen Ausgaben in diesem Bereich bedenklich stimmen“, schreibt der Autor. „Möchte Deutschland auf einen Pfad positiver wirtschaftlicher Entwicklung zurückkehren, bleibt eine Stärkung der Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock unerlässlich. Dies gilt auch für die Bildungsausgaben.“
Mitten im gegenwärtigen Rentenstreit bleibt abzuwarten, ob die Regierung der Empfehlung, einem „weiteren Aufwuchs der Sozialausgaben entgegenzutreten“, folgt.
Quellen:
https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/bjoern-kauder-deutschland-gibt-mehr-fuer-soziales-aus-als-nordische-laender.html
ttps://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2025/IW-Report_2025-%C3%96ffentl-Ausgaben-internationaler-Vergleich.pdf