Creditreform Magazin

Business-Simulation – große Entscheidungen mit doppeltem Boden

Spielend lernen? Warum nicht. Unternehmen lassen ihre Manager in Planspielen komplexe Zukunftsszenarien proben und Führungskompetenzen trainieren. Warum die Spiele mehr als nur Spaß und voll auf dem Vormarsch sind.

Nun steht Christoph Homann da, als Teil eines Teams von Entscheidungsträgern, und soll sich mit seinem Unternehmen am Markt behaupten. Etliche Parameter müssen bedacht werden, um die drei Produkte der Firma gewinnbringend abzusetzen. Marketing, Produktion, Finanzen, Qualität – einfach alles steht auf dem Prüfstand. Das Ziel: Sich besser zu positionieren als die Konkurrenz. Steigende Rohstoffpreise und eine plötzlich auftretende Pandemie erfordern schnelle Entscheidungen. Eine Herausforderung für den Ingenieur und sein Team. „Da werden auch Entscheidungen getroffen, die sich am Ende als nicht so schlau herausstellen“, sagt Homann. Und Fehlentscheidungen können schnell sehr hohe Verluste bedeuten. Zum Glück gibt es das besagte Unternehmen nicht. Alles ist nur ein Spiel.

Das General-Management-Planspiel ist eine Business-Simulation des Anbieters Marga. Mehrere Teams treten – abhängig vom Programm – aus demselben oder aus unterschiedlichen Unternehmen im spielerischen Wettbewerb gegeneinander an. Für fiktive Firmen müssen Managemententscheidungen in allen Bereichen getroffen und Zusammenhänge erkannt werden. Im besten Fall geschieht das als Teamarbeit. Diverse Einflussfaktoren, wie einbrechende Märkte, Produktionsschwierigkeiten im Ausland und tagesaktuelle Ereignisse wie durch Corona bringen Turbulenzen in das Simulationsspiel. Schnelles Umdenken ist gefordert. Welche Auswirkungen die Entscheidungen auf die Marktpositionierung haben, wird nach jeder gespielten Runde unmittelbar sichtbar. Nur haben Erfolg oder Misserfolg keine realen finanziellen Folgen. 

Business-Simulation: Skills trainieren, Strategien testen

Angebote wie das von Marga bieten die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte und Wechselwirkungen in realitätsnahen Simulationen verständlich darzustellen. „Neben dem Einsatz von betriebswirtschaftlichen Grundlagen geht es vor allem um erfolgreiches Teamplay“, sagt Homann, der im echten Leben bei Evonik arbeitet. Zudem sind Planspiele willkommene Abwechslung in einer Welt, die immer schnelllebiger und komplexer wird. Teilnehmende analysieren den Markt, testen verschiedene Strategien und trainieren unternehmerisches Denken und Handeln. Die dynamischen Simulationen können eine Entscheidungshilfe für den Alltag bieten, da sie auf die Realität übertragbar sind. Gespielt wird auf allen Hierarchieebenen. „Young Professionals spielen ebenso wie Senior Executives. Viele Unternehmen nutzen die Spiele für ihre internen Förderprogramme“, erklärt Janine Hirschfeld von Marga. Durch ein entsprechendes Mitarbeiterprogramm wurde auch Christoph Homann zum Teilnehmer.

„Neben betriebswirtschaftlichen Grundlagen geht es vor allem um erfolgreiches Teamplay.“
Christoph Homann, Evonik

Marga ist seit 50 Jahren Planspielanbieter. Zunächst auf Papier, später auf Disketten. Heute ist alles digital und kann in Präsenz und online, als Zwei-Tages-Seminar oder als Jahresprojekt angelegt werden – individuell auf die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst. Um den Sportsgeist der Spielenden zu steigern, gibt es den Marga-Award für das Team eines Programms, das seinen Unternehmenswert am stärksten steigern konnte. „Der Siegeswille ist natürlich ein Aspekt. Bei den meisten ist es aber die Möglichkeit, sich in einer sicheren Umgebung auszuprobieren“, sagt Hirschfeld.

Aus dem Planspiel in die Praxis

Damit das Planspiel mehr als nur eine spaßige Teamveranstaltung ist, muss der Transfer der neuen Fähigkeiten in die Realität gelingen. Das Debriefing durch einen Coach sei darum ebenso wichtig wie das Spiel selbst, sagt Dr. Sebastian Schwägele aus dem Vorstand des Planspielverbands SAGSAGA sowie Trainer und Planspielmoderator bei Playful Insights: „Ich empfehle ein Verhältnis von 50 Prozent Spielzeit und 50 Prozent Auswertung und Debriefing. Nur so gelingt die größtmögliche Performance.“ 

Erst in der gemeinsamen Reflexion ergeben sich Konsequenzen für die reale Berufswelt. Wenn das Planspiel beispielsweise gemacht wurde, um die Auswirkung einer Strategie auf den Markt zu testen, werden in der gemeinsamen Nachbesprechung die Konsequenzen diskutiert. Einige Spieleanbieter bieten ergänzende Tutorials und Coachings zu den Spielen bereits an. Andere Unternehmen suchen sich zuerst den Coach und dann das Spiel. 

Willy Christian Kriz, Professor für Führung, Organisationsentwicklung und Human Resources Management an der Fachhochschule Vorarlberg, erstellt derzeit in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung eine Neufassung des Grundlagenwerks zu Planspielen und Serious Games in der Berufsbildung. Der Oberbegriff Planspiel bringt dabei ganz unterschiedliche Versionen unter einen Hut. Das Angebot und die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Es gibt Spiele mit und ohne computergestützte Simulationen, reine Onlineversionen, Übungsfirmen, verhaltensorientierte Simulationen oder ganz klassische Brettspiele. Auch die stark im Trend liegenden Serious Games gehören dazu. Kriz schätzt, dass es im deutschsprachigen Raum rund 100 Spieleanbieter mit mehreren Tausend Spielen gibt. 

Auch die Nachfrage steigt stetig. Dabei ist die Idee, mithilfe von Planspielen Taktiken und Strategien zu lernen und zu testen, nicht neu. Schon das preußische Militär hat auf diese Weise Manöver simuliert und Führungskräfte ausgebildet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fanden die Methoden Einzug in die Unternehmen. Im nordischen und angelsächsischen Raum stärker als im deutschsprachigen Raum. „Das hat kulturelle Gründe. Hier werden die Bereiche Spaß und Lernen stärker getrennt. Erst seit der jüngeren Vergangenheit darf Lernen auch Spaß machen und spielerisch sein“, sagt Kriz. 

So erklärt sich die steigende Nachfrage nicht nur durch den Einsatz in Unternehmen, sondern auch verstärkt in Schulen und Universitäten. „Für Unternehmen ist besonders interessant, dass man mit Planspielen echte Strategien und echte Entscheidungen für reale kritische Situationen ableiten und sie für die Unterstützung von realem Change-Management nutzten kann“, sagt Kriz. Als Trend zeichnen sich zudem Planspielwettbewerbe ab, in denen Teams gegeneinander antreten – so wie Christoph Homann und seine Mannschaft. Ihr Team stand am Ende des Spiels tatsächlich am besten da. „Aber es war knapp“, sagt er.


Business-Simulation: Gezielte Planspiel-Wahl 

Wie findet ein Unternehmen im Dschungel der Anbieter das passende Angebot – Organisationspsychologe Willy Christian Kriz gibt Tipps.

Ziele definieren 
Es klingt zwar banal, doch bei vielen Unternehmen scheitert es an der Zieldefinition. Wenn nicht gut genug definiert wurde, welche Kompetenzen die Mitarbeiter für die Realität erlernen sollen, verpuffen 80 Prozent der Möglichkeiten. Dann hatten alle zwei Tage lang Spaß, mehr aber nicht. 

Nicht den Erstbesten nehmen 
Viele entscheiden sich für einen Anbieter, den sie vom Hörensagen kennen. Weil er in einem anderen Unternehmen erfolgreich war, muss das nicht für das eigene gelten. Also durchaus mehrere Anbieter in Betracht ziehen. Um auf Nummer sicher zu gehen, lohnt sich ein Anruf beim Fachverband SAGSAGA. Und: Den Anbieter nach Referenzen fragen.

Alles steht und fällt mit dem Trainer oder der Trainerin
Es geht nicht um die reine Anleitung des Spiels. Reflexion und Transfer holen am Ende den größten Nutzen für das Unternehmen heraus. Handelt es sich beispielsweise um ein Spiel zur agilen Teamarbeit, sollte der Planspielleitende selbst Erfahrung in diesem Bereich haben. 

Rundum-Paket
Einer der wichtigsten Punkte ist die Frage, welche Transfer- und Debriefing-Prozesse es gibt. Das sollte nicht losgelöst vom Planspiel erfolgen und ist entscheidend für den Erfolg der Maßnahme.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Nina Mützelburg