Kleine Schwankungen, große Wirkung

Mit zunehmenden Kursschwankungen und sinkendem Dollar wachsen die Währungsrisiken. Wie sich international tätige Unternehmen absichern.

Harald Klaiber ist ein besonnener Mann. Der Finanzchef der Firmengruppe EBM-Papst im baden-württembergischen Mulfingen, die Ventilatoren und Elektromotoren herstellt und über 57 Vertriebsstandorte und 47 Tochtergesellschaften weltweit vertreibt, würde am liebsten alle Risiken, die Transaktionen in fremden Währungen mit sich bringen, vermeiden. „Leider ist das für ein global tätiges Unternehmen wie uns nicht möglich“, konstatiert Klaiber. Der Einkauf von Kupfer als Rohmaterial werde beispielsweise in US-Dollar berechnet, der Verkauf der eigenen Produkte nach China in Renminbi. Das birgt Gefahren. EBM-Papst hat Strategien entwickelt, mit denen sich der Mittelständler gegen Verluste aus Währungsschwankungen absichert. Klaiber: „Damit minimieren wir die Risiken zumindest.“

In Zeiten globaler Vernetzung werden immer mehr Geschäfte in Fremdwährungen abgewickelt. Das muss nicht immer der US-Dollar sein, auch das britische Pfund und der Schweizer Franken werden für grenzüberschreitende Geschäfte genutzt. Immer wenn zwischen Vertragsunterzeichnung und Zahlungstermin mehrere Wochen oder Monate liegen, manchmal sind es sogar Jahre, entsteht ein Transaktionsrisiko. Ein starker Euro ist für den Exporteur von Nachteil, weil seine Produkte für die Käufer teurer werden, ein starker Dollar ist für den Importeur schlecht, weil er mehr für den Wareneinkauf zahlen muss.

Gleiches gilt für Auslandsinvestitionen. Wer heute entscheidet, eine Fabrik in Indien zu bauen, die Gelder dafür aber erst nach Projektbeginn fließen sollen, kann eine Überraschung erleben, wenn sich die Kurse der Währungen zwischenzeitlich verändern. Da kommt es einem Vabanquespiel gleich, Preise oder Angebote langfristig festzulegen.

Das erste Halbjahr 2025 war geprägt von enormen Turbulenzen an den Finanzmärkten. Die Kurse vieler Währungen, allen voran der US-Dollar, schwankten wie seit Jahren nicht mehr. Auslöser des Chaos: der amerikanische Präsident Donald Trump. Seine erratische Zollpolitik, verstörende Über-Nacht-Aktionen und die oft falschen Aussagen zu den Handelsbilanzen stürzten den Kurs der globalen Leitwährung in den Keller – im Frühjahr innerhalb von 15 Wochen um 10 Prozent. Prognosen über den weiteren Verlauf trauen sich seriöse Volkswirte nicht abzugeben.

In der deutschen Wirtschaft haben die Wechselkursschwankungen für erhebliche Verunsicherung gesorgt. Der schwache US-Dollar hat die Gewinne der Exporteure im ersten Quartal schrumpfen lassen. Und das scheint erst der Anfang zu sein. „Eine zehnprozentige Aufwertung des Euro schmälert auf Jahressicht das Gewinnwachstum europäischer Unternehmen um 3 bis 5 Prozentpunkte“, warnt Ulrich Stephan, Chefstratege der Deutschen Bank. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Das stellt Unternehmen der Exportnation Deutschland vor die Frage: Wie kann ich die Risiken absichern?

Konzerne verfügen häufig über Treasury-Management-Teams, die sich um Kapitalbeschaffung, Bankbeziehungen, Liquidität und Risiken wie Zins- und Währungsschwankungen kümmern. Sie sollen die finanzielle Stabilität und Effizienz des Unternehmens sichern. Die Hamburger Otto Group beispielsweise beschäftigt eine Expertenmannschaft, die die Systeme und Geschäftsprozesse rund um den Zahlungsverkehr der über 120 Konzerngesellschaften verantwortet. Dabei handelt es sich um Zahlungsströme aus Transaktionen rund um den Wareneinkauf, die Umsatzerlöse und die Refinanzierung.

Bei EBM-Papst kümmern sich vier Treasury-Experten um das Risikomanagement der Firmengruppe. „Das überlassen wir nicht den lokalen Einzelgesellschaften“, stellt Finanzchef Klaiber klar. „Zunächst betreiben wir ein natürliches Hedging, versuchen also, die Ein- und Ausgänge in einer Währung ungefähr in der Balance zu halten. Das ist aus unserer Sicht der beste Schutz gegen Währungsrisiken.“ Dafür steht auch die Local-for-local-Strategie des Unternehmens: Ausländische Standorte sollen durch Zulieferer vor Ort unabhängiger von krisenanfälligen Lieferketten werden. Die Volumina, um die es bei dem mittelständischen Industrieunternehmen geht, sind beeindruckend: Im vergangenen Geschäftsjahr wickelte EBM-Papst (Umsatz: 2,4 Milliarden Euro, Mitarbeiter: 14.000) Geschäfte für rund 250 Millionen Euro in US-Dollar und für etwa 60 Millionen Euro in Renminbi ab. Grundlage ist das zu Beginn jedes Geschäftsjahres ermittelte Währungs-Exposure. Gemäß der festgelegten Sicherungsstrategie werden dann mindestens 50 Prozent geschützt – mit Nach­sicherungen in den Folgemonaten. Das geschieht bei EBM-Papst über klassische Versicherungsprodukte, in erster Linie Termingeschäfte.
 

Was kleinere Unternehmen tun können

Kleineren Betrieben, die international agieren, fehlen in der Regel die personellen Ressourcen für ein Treasury Management. Bei ihnen werden die Aufgaben entweder gar nicht oder von der Buchhaltung und dem Controlling erledigt. Das ist nicht ungefährlich, denn gerade bei den Firmen, die mit kleineren Beträgen und geringeren Margen arbeiten, wirken sich selbst minimale Wechselkursveränderungen schnell negativ aus. Ein Beispiel: Ein deutscher Maschinenbaubetrieb verkauft Anlagen an einen ausländischen Kunden im Wert von 10.000 Euro. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses steht der Eurokurs bei 1,10 US-Dollar, der Lieferant kann also mit einem Zahlungseingang von 11.000 US-Dollar rechnen. Steigt der Eurokurs auf 1,20, sind die Maschinen eigentlich 12.000 US-Dollar wert. Da im Vertrag aber das alte Kursverhältnis vereinbart wurde, erhält der Lieferant nur 11.000 US-Dollar – 1.000 US-Dollar weniger, als wenn er mit der Vertragsunterzeichnung ein paar Wochen gewartet hätte. Natürlich können sich Wechselkursschwankungen auch auszahlen: Würde der Eurokurs im genannten Beispiel von 1,10 US-Dollar auf 1,00 US-Dollar fallen, wären die Maschinen nur noch 10.000 US-Dollar wert, durch die vertraglich vereinbarten 1,10 US-Dollar bekäme der deutsche Lieferant aber 1.000 US-Dollar mehr.

„Währungsrisiken nicht unterschätzen und sie aktiv managen“, lautet die Empfehlung von Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. Neben einer breiten Diversifikation der Märkte und Lieferanten sei „ein professionelles Währungsrisikomanagement entscheidend, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Geschäft zu sichern“. Um sich gegen volatile Wechselkursbewegungen abzusichern, steht Unternehmen eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung – sowohl im Einkauf als auch im Verkauf. Wie man die einzelnen Instrumente kombiniert, hängt vom Geschäftsmodell, von der Unternehmensgröße und der Risikobereitschaft ab. 

Am einfachsten ist es, möglichst viele Geschäfte in Euro zu fakturieren. Dann liegt das Kursrisiko beim ausländischen Handelspartner. In der Praxis ist das allerdings nicht immer möglich, weil die Geschäftsfreunde jenseits der deutschen Grenzen nicht immer mitspielen. Eine zweite Lösung ist das Devisentermingeschäft. Das funktioniert so: Das Unternehmen vereinbart mit seiner Bank oder einem Finanzdienstleister für eine definierte Summe zu einem bestimmten Zeitpunkt einen festen Wechselkurs. Also beispielsweise heute für einen Zahlungseingang in 90 Tagen. Auf diese Weise lassen sich Einnahmen und Ausgaben in Fremdwährung sicher kalkulieren und gegen negative Kursschwankungen absichern.

Apropos Einnahmen und Ausgaben. Wenn ein Betrieb beide Transaktionsarten in derselben Fremdwährung handelt, kann er sie gegeneinander aufrechnen. Sinnvoll ist dieses oben schon erwähnte Prinzip namens Natural Hedging für Unternehmen, die Lieferanten und Kunden in einem Währungsraum haben. Bewusst nutzt das beispielsweise die Stiebel Eltron Gruppe, Hausgerätehersteller aus dem niedersächsischen Holzminden (siehe Interview). Fällt der Kurs des US-Dollar, verbilligen sich alle Zulieferteile oder Rohstoffe, die in der Leitwährung berechnet werden, während die Ausfuhren in entgegengesetzter Richtung teurer werden, was Produkte „made in Germany“ weniger attraktiv macht. Der Kofferspezialist Travelite schaut deswegen gerade mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den gesunkenen Dollarkurs. Das Familienunternehmen (120 Mitarbeiter, 80 Millionen Euro Umsatz) lässt zwei seiner drei Koffermarken in Asien fertigen. Das war dank der Dollarschwäche zuletzt günstiger. Knapp 20 Prozent ihrer Produkte exportieren die Hamburger. Das hat sich im ersten Halbjahr etwas weniger gelohnt. Große finanzielle Einbrüche aber hat das Unternehmen nicht verkraften müssen, weil es rund 50 Prozent seiner Zahlungsströme bis zu zwölf Monate im Voraus hedged. Jan-Oliver Nannen, einer der drei Travelite-Geschäftsführer: „Das gibt uns, aber auch unseren Händlern Sicherheit und Preisplanbarkeit.“

Eine weitere Möglichkeit ist eine Devisenoption.Sie erlaubt es dem Unternehmen, eine Währung zu einem bestimmten Kurs zu kaufen oder zu verkaufen. Das wird genutzt, wenn es sich rechnet. Vorteil: die Flexibilität. Nachteil: Kostenlos ist die Option nicht, es wird eine Prämie fällig. Ideal ist dieses Absicherungsinstrument für Betriebe mit schwankendem Auftragsvolumen. Ebenfalls der Absicherung von Kursturbulenzen dienen sogenannte Multicurrency-Konten, auf denen Zahlungen in Originalwährung empfangen und zwischengelagert werden können, bis der Wechselkurs günstiger ist. Sinnvoll ist das für Unternehmen mit wiederkehrenden Transaktionen.

Eine Absicherungsmethode, die in vielen kleineren Betrieben noch ein Fremdwort ist, ist Forfaitierung. Dahinter verbirgt sich der Verkauf von Forderungen an einen spezialisierten Finanzdienstleister oder eine Bank. Ein Exporteur, der in Fremdwährung fakturiert, gibt mit der Forfaitierung das Risiko von Kursschwankungen und von Zahlungsausfällen an den Forfaiteur ab. Zweiter Vorteil: sofortige Liquidität für den Betrieb. Zwei Nachteile: Die Forfaitierung ist mit Kosten verbunden, die je nach Länderrisiko variieren, und die Abwicklung kann aufwendig sein.

Und schließlich gibt es noch die Exportkreditversicherung. Sie schützt primär vor Zahlungsausfällen, bietet aber auch eine indirekte Absicherung gegen Währungsrisiken, indem sie den Exporteur vor den finanziellen Konsequenzen von verzögerten oder ausfallenden Zahlungen in Fremdwährung schützt. 

Drei Fragen an ...

… Pervin Akbaba, Leiterin Treasury, Stiebel Eltron


Wie hoch waren 2024 die Umsätze von Stiebel Eltron in Fremdwährung?

40 Prozent unseres Umsatzes von rund 950 Millionen Euro haben wir außerhalb des Euroraumes generiert. Da wir aber in Schweden, Thailand, China, der Slowakei und den USA auch produzieren und hier versuchen, Ein- und Ausgänge in einer Währung ungefähr in der Balance zu halten, machen die von uns in Fremdwährung beglichenen Rechnungen nur 3 Prozent aus.
 

Wie sichern Sie sich gegen Wechselkursschwankungen ab?

Wir nutzen schon jetzt Devisentermingeschäfte und wollen das künftig verstärkt tun. Die frühzeitige Festlegung von Wechselkursen für zukünftige Zahlungsströme minimiert gezielt die Währungsrisiken und erhöht im Außenhandel die Planungssicherheit nachhaltig.
 

Was haben Ihre Händler und Käufer davon?

Wir können auf diese Weise sowohl unseren Händlern als auch Endkunden mehr Preisstabilität und Kalkulationssicherheit bieten. Handelspartner werden im internationalen Geschäft besser gegen Währungsrisiken abgesichert, Endkunden freuen sich über planbare Preise.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann
Bildnachweis: Getty Images