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JUNGE unternehmen: Rezession und Bürokratie schrecken Gründer ab

Die Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland sinkt dramatisch. Nach Berechnungen des ZEW in Mannheim und der Creditreform Wirtschaftsforschung wurden 2024 nur noch rund 161.000 neue Firmen gegründet – so wenige wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Zum Vergleich: Zwischen 2015 und 2021 lag der Durchschnitt noch bei rund 168.000 Gründungen jährlich, in den ersten 2000er-Jahren sogar bei über 200.000. „Wirtschaftskrise und Bürokratie bremsen das Gründungsgeschehen massiv“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Sprecher des Verbandes der Vereine Creditreform. Die Rahmenbedingungen hätten sich seit Jahren verschlechtert: Hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und wachsende Bürokratie hinderten neue Unternehmen am Start sowie beim Wachsen und blockierten Innovationen. Auch geopolitische Unsicherheiten dämpften zuletzt die Gründungsbereitschaft.

Industrielle Basis schrumpft

Besonders betroffen ist das Verarbeitende Gewerbe. 2024 wurden dort nur noch rund 5.000 Unternehmen gegründet – 38 Prozent weniger als 2016, als es noch gut 8.000 waren. Im forschungsintensiven Teil der Industrie brach die Zahl der Neugründungen im Vergleich zu 2023 um 20,8 Prozent ein. „Die Industrie und ihr Innovationspotential sind die großen Verlierer des Reformstaus in Deutschland“, warnt Hantzsch. „Der Unternehmensbestand schrumpft, Arbeitsplätze gehen verloren, Investitionen in die Zukunft bleiben aus.“

Auch ZEW-Wirtschaftsforscherin Dr. Sandra Gottschalk sieht die Entwicklung kritisch: „Der Rückgang bei forschungsintensiven Industriegründungen könnte dazu führen, dass künftig weniger innovative Produkte auf den Markt kommen. Das schwächt bereits heute die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.“

Baugewerbe unter Druck

Rückgänge zeigen sich auch im Baugewerbe. 2024 sank die Zahl der Neugründungen dort um 12,7 Prozent auf nur noch rund 14.700 – gut 5.500 weniger als 2019. Hauptursachen sind gestiegene Rohstoff- und Energiekosten, höhere Zinsen und die anhaltende Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung.

Hoffnungsträger IT-Dienstleistungen

Hoffnungen auf eine wieder stärkere Dynamik für das Gründungsgeschehen ruhen auf den Bereichen technische Dienstleistungen und IKT (Informations-, Kommunikations- und Netzwerktechnologien). Hier gab es zwischen 2016 und 2021 neue Impulse durch einen Anstieg der Gründungszahlen – etwa durch Künstliche Intelligenz (KI). Doch auch hier hinterlässt die Rezession Spuren: Die Zahl der Start-ups geht wieder zurück, nachdem sie in den Jahren zuvor stark gewachsen war – in der Softwarebranche aktuell beispielsweise um 20 Prozent. „Digitale Technologien gewinnen zwar an Bedeutung, doch auch sie sind nicht immun gegen die schwache Konjunktur“, erklärt Gottschalk.

Fokus auf Forschungsförderung

Um die Gründungstätigkeit wiederzubeleben, fordern ZEW und Creditreform eine gezielte Förderung innovativer Unternehmen. „Breite Förderung nach dem Gießkannenprinzip ist wenig zielführend. Sinnvoller seien steuerliche Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Konzentration auf Gründungen mit echtem Innovations- und Wachstumspotenzial“, so Hantzsch.

Methodik

Für die Analyse wurden Gründungen untersucht, die aufgrund ihrer Rechtsform oder Beschäftigtengröße in einem ausreichenden Maße als wirtschaftsaktiv gelten und rechtlich als selbstständige Unternehmen zählen. Aktuelle Gründungszahlen sind aufgrund noch nicht vollständig erfasster Gründungskohorten teilweise hochgerechnet.

Inhaltliche Rückfragen beantwortet:

ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische
Wirtschaftsforschung GmbH, Mannheim
Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik
Frau Dr. Sandra Gottschalk
Senior Researcher
Tel.: +49 621 1235-267
E-Mail: sandra.gottschalk@zew.de
Internet: www.zew.de