KI auf Autopilot - What’s next? -

Veränderungen begegnen Unternehmen am besten mit Innovationskraft und Wandlungsfähigkeit. Nur, worauf sollten sie reagieren? Und wann? Für das Jahr 2025 sollten sie einen neuen KI-Trend im Auge behalten. Nach ChatGPT und Copilot werden KI-Agenten zum nächsten großen Ding, so die Entwickler. Was ist dran am Versprechen, dass digitale Assistenten in Zukunft Mitarbeiter entlasten und Prozesse verbessern?

Auf ihren Auftritt fiebert die Tech-Szene hin wie auf die Präsentation eines neuen iPhones in den 2010er Jahren: Einmal im Jahr stellt die Zukunftsforscherin Amy Webb auf dem Festival „South by Southwest“ (SXSW) ihren neuen „Tech Trends Report“ vor. Entstanden aus einem Filmfestival in Austin (Texas), gilt das SXSW inzwischen als eine der wichtigsten Tech-Leitmessen für Vordenker aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. So scheint es der ideale Rahmen für den 1.000 Seiten umfassenden Bericht zu sein, in dem Webb und ihre Mitstreiter aufgeteilt in 15 Kapitel darlegen, welche Zukunftstrends die Welt in den kommenden Monaten umtreiben.

Ganz oben auf ihrer Liste steht – wenig überraschend – Künstliche Intelligenz. Doch während Tech-Unternehmen wie OpenAI, DeepMind, Anthropic und Co. ihre KI-gestützten Chatbots bisher als Unterstützung für menschliche Mitarbeiter vermarktet hätten, beginne 2025 laut Webb die nächste KI-Ära. Nämlich die der „Agentic AI“, der KI-Agenten. Wie ein guter Praktikant erledigen Bots wie ChatGPT recht zuverlässig Dinge wie E-Mails zu schreiben, Texte zusammenzufassen oder Tabellen auszuwerten. Dem geht aber immer eine menschliche Anfrage und Aufgabenbeschreibung, ein Prompt, voraus. KI-Agenten hingegen können eigenständig handeln und auch ohne menschliche Eingabe Entscheidungen treffen, etwa Mails im Postfach nach Wichtigkeit sortieren, Meetings terminieren oder die Reisekostenabrechnung erledigen – wie eine Art persönlicher Assistent. „Eine neue Welle von KI-Systemen entsteht, die mit Computern auf die gleiche Weise interagieren können wie Menschen – durch Klicken, Tippen und Navigieren von Bildschirmelementen“, so Webb.

OpenAI, der Entwickler von ChatGPT etwa, hat im Januar seinen KI-Agenten „Operator“ vorgestellt, der im Internet eigenständig Aufgaben ausführen und mit Webseiten interagieren kann. In einem Onlinevideo zeigt OpenAI-Entwickler Yash Kumar, wie er Operator darum bittet, ihm einen Tisch in einem bestimmten Restaurant zu reservieren. Der Agent beginnt von selbst, zu tippen, zu scrollen und zu klicken – und schlägt schließlich einen passenden Termin vor. Genauso kann Operator das Foto eines Einkaufszettels bekommen und sich selbstständig auf Shoppingtour begeben. Ist ein Produkt nicht verfügbar, schlägt der Agent einen adäquaten Ersatz vor. Nur die Bezahlung müssen Nutzer noch selbst autorisieren. aber der Grad der Automatisierung zeigt, in welche Richtung die Reise geht. Experten wie Amy Webb erwarten, dass KI-Agenten in diesem Jahr ihren „ChatGPT-Moment“ haben werden, also von einer schnell wachsenden Nutzerzahl ausprobiert und akzeptiert werden.

Für OpenAI hängt viel von dem neuen Tool ab. Der KI-Vorreiter ist Anfang des Jahres unter Druck geraten, als das chinesische Startup DeepSeek ein KI-Modell vorgestellt hat, das ähnlich leistungsfähig ist wie das von OpenAI, aber nur einen Bruchteil der Entwicklungskosten verschlungen hat. Momentan ist Operator für Pro-Benutzer von ChatGPT verfügbar, in den kommenden Monaten sollen aber auch Nutzer mit Plus-, Teams- und Enterprise-Lizenzen darauf zugreifen können.

Auch für Unternehmen schlummert in der Entwicklung großes Potenzial. Teilautonome Systeme könnten Kundengespräche vorbereiten, Einkaufsprozesse übernehmen oder andere organisatorische Aufgaben erledigen. Speziell für Businessanwendungen hat der Marketing- und Bürosoftwareanbieter Salesforce seine Plattform „Agentforce“ entwickelt und beim Weltwirtschaftsforum in Davos intensiv beworben. Egal ob für Handel, Finanzen, IT oder Marketing – Agentforce verspricht Nutzern, individuell konfigurierbare KI-Agenten, die alle erdenklichen Arbeitsabläufe automatisieren. Mittelfristig könnten Anwendungen wie diese helfen, die demografische Entwicklung abzupuffern und die Produktivität von Mitarbeitern zu erhöhen.

Jenseits der Akzeptanz und der technischen Machbarkeit müssen vor einem breiten Einsatz von Agentic AI allerdings noch weitere Fragen beantwortet werden. Amy Webb warnt etwa vor der Gefahr, dass Agenten ohne menschliche Überwachung halluzinieren und nachteilige Ergebnisse produzieren könnten, weil sie keine Emotionen haben und keine Nuancen verstehen. Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel des Journalisten Geoffrey Fowler, der in der „Washington Post“ beschreibt, wie er Operator seinen Alltag managen ließ. Auf die Bitte „Finde billige Eier in meiner Nachbarschaft“ legte der Agent los und kaufte innerhalb von zehn Minuten zwölf Eier per Kreditkarte und ließ sie zur Haustür liefern. Kosten: 31,43 Dollar. Fowler hatte den Fehler gemacht und dem Agenten seine Kreditkarte freigegeben. Aber er hatte nicht um „kaufen“ gebeten, sondern um „finden“. Darüber hinaus muss die KI das Wort „billig“ auf die Qualität bezogen haben, nicht auf den Preis. Denn günstig waren die Eier, die nicht mal Bioqualität hatten, nicht. Zumal der Agent auch noch großzügig Trinkgeld, einen Zuschlag für Expresslieferung und Servicegebühren bezahlt hat. Führt man sich dieses Ergebnis vor Augen, hat die nächste Entwicklungsstufe der KI tatsächlich gerade erst begonnen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
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