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Rasante Recycler

Mit einem besonders umweltfreundlichen Verfahren recycelt Cylib Autobatterien. Das junge Aachener Unternehmen nimmt Tempo auf: Nach nur drei Jahren fahren die Gründer die erste Fabrik im Industriemaßstab hoch – und planen die europaweite Expansion.

Ein grauer Container, gesichert mit einem schweren Vorhängeschloss. Der Aufkleber „Gefahrgutklasse 9A“ verrät den Inhalt: Lithium-Ionen-Batterien. Zwei davon liegen auf Hebebühnen, bereit, auseinandergenommen zu werden. Beim Zerlegen assistiert ein an die Decke montierter Roboterarm mit Schraubenzieher, auf einer Werkbank steht für das federführende menschliche Personal ein Akkuschrauber bereit. Der Recy­clingprofi Gideon Schwich zeigt auf die vordere Batterie: „Die ist nicht ganz so groß, sie stammt aus einem Hybridfahrzeug“, sagt er. Und doch bringt sie schon 250 Kilogramm auf die Waage. Sogar 600 Kilogramm wiegen die Batterien von reinen E-Autos. Auch die finden regelmäßig den Weg in den Container. 

Die Demontage ist der erste Arbeitsschritt in einem Recyclingprozess, an dessen Ende begehrte Rohstoffe in Reinform vorliegen: schneeweißes Lithium, rostrotes Kobalt, anthrazitfarbenes Graphit. Alles in so hochwertiger Qualität zurückgewonnen, dass daraus neue Batterien gebaut werden können. Cylib heißt das Unternehmen, das der Wirtschaftsingenieur Gideon Schwich (38) vor erst drei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Lilian (36) und deren Forschungskollegen Paul Sabarny gegründet hat. Rasant wächst das Projekt: Cylib strebt heute nach bestandener Pilotphase mit schon 130 Beschäftigten eine führende Rolle im europäischen Batterie­recycling an. Das Erfolgsrezept ist ein besonders leistungsfähiges und umweltfreundliches Verfahren, das Lilian Schwich an der RWTH Aachen entwickelt hat. 

Bereit für neue Aufgaben

Der Aachener Hauptsitz von Cylib atmet Geschichte. Die Fabrikhalle mit zwei geschwungenen Bürogeschossen darüber gehörte früher Philips. Im Treppenhaus jedes Stockwerks bezeugen dies an der Wand aufgemalte Leuchten, deren Farbe langsam verblasst. Philips fertigte hier Halogenbrennlampen, bis das entsprechende EU-Verbot das Aus für den Standort bedeutete. Das Cylib-Gründertrio haucht nun dem Gebäude neues Leben ein. Knallblau gestrichene Türrahmen säumen die engen Flure. Dahinter treiben internationale Expertinnen und Experten die Recyclingmission voran. „Unsere Hauptsprache ist inzwischen Englisch“, sagt Gideon Schwich.

Braune Baseballcap, hellblaues Hemd, Nike-Turnschuhe – im Gründerlook trimmt der Chef die Firma für den Markteintritt. Auf seinem Laptop klebt eine Botschaft zur Selbstmotivation: „Get shit done“. Viel ist schon erledigt – und noch mehr zu tun. Nachdem sich die Recyclingtechnologie in der Aachener Pilotanlage bewährt hat, wird nun in Dormagen eine Fabrik gebaut. Cylib errichtet dort im Chempark, früher Bayerwerk, seine Produktion. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst legte im September vergangenen Jahres für den Spatenstich höchstpersönlich Hand an. Und der Chef des Chempark-Betreibers Currenta, Tim Hartmann, frohlockte: „Ein neues Kapitel indus­trieller Wertschöpfung in NRW“ werde aufgeschlagen. 2027 nimmt Cylib den Betrieb auf. In der ersten Ausbaustufe werden 20.000 Tonnen Schwarzmasse zu kritischen Rohstoffen verarbeitet. Diese Menge entspricht dem Äquivalent von circa 60.000 ausgemusterten Lithium-Ionen-Batterien. Cylib strebt einen Umsatz von deutlich mehr als 100 Millionen Euro an. 

Der Bedarf an Recyclingkapazität wird vor allem getrieben durch die Automobilindustrie. Die Wiederverwerter übernehmen eine Schlüsselrolle, damit die Elektrifizierung des Verkehrs gelingen kann. „Batterie-Recycling wird ein zentraler Hebel dafür sein, um Kostensenkungen sowie Minderung von Lieferrisiken sicherzustellen“, urteilten die Unternehmensberater von EY bereits 2022 in einer Studie. Damals sahen sie als Kernherausforderung, „eine wirklich nachhaltige und zirkuläre Batterie-Wirtschaft zu errichten“. Ein Problem, für das das Cylib-Gründerteam die Lösung beansprucht.

Doch es steht ein intensiver Wettbewerb bevor. Der Hochlauf der Batterieproduktion in Europa vollziehe sich „langsamer als noch vor wenigen Jahren erwartet“, analysiert Maximilian Stephan, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, in einem aktuellen Blog-Beitrag. Er geht davon aus, dass die Recycling­kapazitäten insgesamt „in den kommenden Jahren über dem Bedarf liegen werden“. Zu den Cylib-Konkurrenten zählen eta­blierte Konzerne wie BASF und Start-ups wie Tozero in München. 

Ausgebuchte Kapazitäten

Fehlende Nachfrage befürchte er nicht, sagt Schwich. „Unsere Kapazitäten in Dormagen sind schon ausgebucht.“ Von der Automobil- bis zur Logistik- und Schifffahrtsindustrie reiche das Spek­trum der Kunden. Auch ausrangierte Akkus von Gabelstaplern oder Booten landen bei Cylib. Zudem verweist er auf eine überlegene Technologie: Eine überdurchschnittliche Recyclingquote von 90 Prozent – und das mit einem um 30 Prozent verringerten ökologischen Fußabdruck im Vergleich zu gängigen Verfahren, so lautet Cylibs Versprechen. 

Während Wirtschaftsingenieur Schwich noch als Nachhaltigkeitsfachmann für die Beratung Accenture tätig war, tüftelte seine Frau Lilian am Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling der RWTH an der neuartigen Wiederverwertungsmethode. „Lili ist das technologische Brain“, sagt Gideon Schwich. Schon damals habe er nach Feierabend assistiert und im Labor die Reagenzgläser gespült. Oft hätten sie am Wochenende über Forschungspapieren gesessen und diskutiert oder Förderanträge geschrieben – mit Erfolg. Als Ein-Frau-Projekt sei Lilian Schwich mit ihrer Arbeitsgruppe im Bereich Batterierecycling gestartet. Rasch sei diese auch dank Förderung auf 16 Personen angewachsen. 2021 habe man gemeinsam mit Paul Sabarny, dem heutigen Chief of Special Operations, beschlossen, die eigene Gründung zu wagen.

Die Recyclingmethode von Cylib zielt darauf ab, den Einsatz von Chemikalien zu minimieren. Die Aluminiumhüllen der zerlegten Batterien werden noch klassisch an Verwertungsbetriebe geschickt, die diese einschmelzen. „Wir fokussieren auf die Module“, sagt Schwich – die schuhkarton-großen Stromspeicher, von denen mehrere in der Batterie stecken. Diese werden zerkleinert. Es entsteht die sogenannte Schwarzmasse – deren Farbe bestimmt das in ihr enthaltene Graphit. Knifflig für Recycler ist, dass sich darin neben dem kostbaren Lithium oder Kobalt auch Klebstoffe und Lösungsmittel sowie Eisen und Kupfer befinden. „Es ist wie eine Gleichung mit sehr vielen Variablen“, erläutert Schwich. „Und die haben wir schrittweise vereinfacht.“ 

„Wir entziehen der Schwarzmasse immer den Stoff, bei dem es am leichtesten möglich ist“, erklärt Schwich. Durch eine Wärmebehandlung werden zunächst Klebstoffe und Lösungsmittel ausgelöst und aufgefangen. Dann helfen Magnetkräfte, das Eisen abzuscheiden, und das spezifische Gewicht des Kupfers ermöglicht es, dieses auszulösen. Im nächsten Schritt werden Lithium und Graphit zurückgewonnen – dabei hilft ein spezielles wasserbasiertes Verfahren, das einige Chemikalien überflüssig macht. Anschließend werden weitere Metalle wie Mangan gewonnen. 
 

Starke Partner an Bord

Nachhaltigkeit ist nicht das einzige Argument, mit dem sich Cylib am Markt behaupten will. „Wir können bei allen Rohstoffen mit den Preisen aus der primären Gewinnung mithalten“, sagt Gideon Schwich. Etwa 100 Millionen Euro kostet die Fabrik in Dormagen – finanziert über öffentliche Fördermittel und Geld, das von Investoren eingeworben wurde. Mit Porsche Ventures und Bosch Ventures ist auch die Automobilindustrie prominent vertreten. Dem Gründerteam gehöre noch etwa ein Drittel des Unternehmens, so Schwich – der Anteil könnte durch mögliche weitere Finanzierungsrunden weiter sinken. „Je früher wir in eine Kreditfinanzierung kommen, desto besser“, sagt der CEO. Rund 300 Millionen Euro Investitionen peilt Cylib binnen fünf Jahren insgesamt an.
 

Nächstes Ziel: Europa

Der strategische Blick geht über NRW und Deutschland hinaus. Eine europaweite Expansionsstrategie ist in Arbeit. „Wir wollen in den Mittelstand wachsen“, nennt Schwich das Ziel. Dabei wandele sich Cylib permanent. „Wir sind jetzt seit Gründung quasi das vierte oder fünfte Unternehmen“, sagt Schwich. „Ich freue mich auf die nächsten fünf bis zehn Phasen.“ Für die nötige Reife sorgen auch Kooperationen. So wurde jüngst eine Zusammenarbeit mit dem belgischen Konzern Syensqo für die Verfeinerung der Lithium-Rückgewinnung vereinbart. Ein weiterer Schritt, „um Kreisläufe zu schließen“, so Schwich. Rückenwind erhält Cylib durch EU-Regulierungen. Neben dem Aus für Verbren­nerautos ist auch die Rücknahme von E-Auto-Batterien durch die Hersteller festgeschrieben.

Wie rasant Cylib gewachsen ist, zeigt sich am Hauptsitz in Aachen. „Wir hatten das Gefühl, dass das Gebäude viel zu groß ist, als wir angefangen haben“, sagt Schwich. Inzwischen sei es fast zu eng geworden. „Wir müssen den Platz so effizient wie möglich nutzen“, sagt er. Das schließt auch die Chefs ein. Die drei Schreibtische des Gründertrios passen so gerade in den Raum, von dem aus Cylib gesteuert wird. 

„Wachstum vor Profit“, lautet die Maßgabe für die nächsten Jahre. 2028 könne das Werk in Dormagen alleinstehend profitabel sein, so Schwich. Die primäre Motivation als Unternehmer sei nicht das Geldverdienen, sagt er. Bei der Gründung sei es vor allem darum gegangen, „einen Beitrag zu leisten, um drängende Umweltfragen zu lösen“. Es gelingt mit wachsendem Tempo.

Wachstum mit neuer Formel

Cylibs wichtigste Meilensteine:

  • 2021: Die Werkstofftechnik-Expertin Lilian Schwich promoviert zum Thema Lithium-Rückgewinnung aus Batterien. Im selben Jahr beginnt sie mit ihrem Ehemann Gideon Schwich und ihrem Forschungskollegen Paul Sabarny die Planung für das Startup Cylib.
  • 2022: Gründung von Cylib – das Unternehmen zieht in eine ehemalige Philips-Produktionsstätte im Aachener Stadtteil Rothe Erde und baut hier eine Pilotanlage auf.
  • 2023: Cylib wirbt 11,6 Millionen Euro Wagniskapital ein und erhält den Innovationspreis NRW.
  • 2024: Eine Serie-A-Finanzierungsrunde im Mai bringt noch einmal 55 Millionen Euro. Im September erfolgt der Spatenstich für die erste Cylib-Fabrik im Industriemaßstab.
  • 2025: Kooperationen mit dem Recyclingspezialisten Pure Battery Technologies, Syensqo und Webasto. Lilian Schwich wird mit dem Nicolaus August Otto Award der Deutz AG ausgezeichnet.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Thomas Mersch
Bildnachweis: Cylib / Jann Höfer



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