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Unternehmensinsolvenzen Gesamtjahr 2022: Landeshauptstadt Düsseldorf / Rhein-Kreis Neuss

Trotz Ukraine-Krieg, Energiepreisexplosion und Rekordinflation kein „konjunktureller Absturz“ – Zahl regionaler Unternehmensinsolvenzen wieder leicht gesunken

Die deutsche Wirtschaft erlebte auch 2022 ein konjunkturelles „Auf-und-Ab“. Von Frühjahr bis Herbst dominierten Konjunkturprognosen, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die damit einhergehende Energiepreisexplo-sion und der starke Preisauftrieb die deutsche Wirtschaft in eine tiefe Rezession führen könnten. Spätestens im letzten Jahresdrittel zeichnete sich aber ab, dass die schlimmsten Befürchtungen, auch dank umfangreicher staatlicher Finanzhilfen, nicht eintreten würden. Im Gesamtjahr 2022 stieg das reale Bruttoinlandsprodukt nach aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ge-genüber dem Vorjahr um 1,8 Prozent (kalenderbereinigt 1,9 Prozent) und übertraf damit wieder leicht den Vorpandemiestand. Bereits das „Mittelstandsbarometer Rhein-Kreis“ vom Frühsommer 2022 zeigte eine markante und branchen-übergreifende Aufwärtsbewegung der meisten Konjunkturindikatoren. Die regionale Wirtschaft erlebte einen in dieser Höhe unerwarteten „Post-Corona-Konjunkturboom“. Das regionale Geschäftsklima „sprang“ im Sommer 2022 um 24 auf 150 Punkte und erreichte ein neues Rekordhoch. Das Ende der Corona-Restriktionen befeuerte in der ersten Jahreshälfte 2022 Auftrags- und Umsatzentwicklung und bescherte nicht nur der regionalen Wirtschaft ein Ende der „Corona-Lähmung“. Entsprechend ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Gesamtjahr 2022 in der Stadt Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss nochmals zurückgegangen.

Gesamtjahr 2022: Erneuter Rückgang der Unternehmensinsolvenzen in der Landeshauptstadt Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss – Trendwende in 2023?

Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ist im Gesamtjahr 2022 in der Stadt Düsseldorf vergleichsweise deutlich um 27 auf 275 Fälle zurückgegangen (2021: 302 Fälle | - 9 Prozent). Dabei fiel der Rückgang im 2. Halbjahr 2022 (- 14 Prozent) sogar stärker aus als in den ersten sechs Monaten (- 5 Prozent). Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Düsseldorf liegt somit nicht nur wiederholt unter dem langfristigen Durchschnitt (399 Fälle), sondern überhaupt erst zum zweiten Male in den letzten zwei Dekaden unter dem Wert von 300 Insolvenzen. Der Entwicklungstrend ist dabei positiver als im Rhein-Kreis Neuss. Hier ist die Zahl unternehmerischer Insolvenzen im Gesamtjahr 2022, wie in der Halbjahresprognose berechnet, um 10 Fälle auf 157 Unternehmensinsolvenzen merklich gesunken (2021: 167 | - 6 Prozent). Der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Rhein-Kreis Neuss basiert auf einem ähnlichen Rückgang in beiden Halbjahren (1. Halbjahr: - 5 Prozent; 2. Halbjahr: - 7 Prozent). In beiden Räumen waren im letzten Jahr noch merkliche Anstiege der Unternehmensinsolvenzen gemessen worden.

Zum Vergleich: Bundesweit war nach Angaben der Creditreform-Wirtschaftsforschung im Gesamtjahr 2022 erstmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 / 2009 ein Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen, nach dem ihre Zahl zwölf Mal in Folge zurückgegangen war. Die Zahl der bundesweiten Unternehmensinsolvenzen stieg um vier Prozent auf 14.700 Fälle (2021: 14.130 Fälle). Zum Vergleich: Dies sind immer noch rund halb so viele Unternehmensinsolvenzen wie vor zehn Jahren (2011: 30.120 Fälle) und der niedrigste Stand seit 1993 (15.150). Gegen den Bundestrend zeigt Nordrhein-Westfalen 2022 auffälliger Weise und zum zwölften Mal in Folge einen weiteren Rückgang der Unternehmensinsolvenzen (3.710 Fälle | - 6 Prozent | 2021: 3.950 Fälle). Die Creditreform Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass „sich bei den Unter-nehmensinsolvenzen eine Trendwende abzeichnet“ (Insolvenzbericht, Dezember 2022).

Für das Gesamtjahr 2023 kann im Regionalraum Düsseldorf ebenfalls von einem (allerdings noch moderaten) Anstieg der Unternehmensinsolvenzen ausgegangen werden. In der Stadt Düsseldorf finden sich auch im 2. Halbjahr 2022 die meisten Unternehmensinsolvenzen im Dienstleistungssegment (u. a. Finanzdienstleistung, Information und Kommunikation, Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen) und im Handel – letztere mit einem leichten Rückgang. Verarbeitendes und Baugewerbe zeigen einen leicht ansteigenden Trend. Im Rhein-Kreis Neuss spiegelt sich eine ähnliche Grundstruktur. Handel geht, auch dank Nachholkonsum, leicht zurück, Bau- und Verarbeitendes Gewerbe sowie das Dienstleistungssegment weisen (ebenfalls leichte) Zunahmen der Unternehmensinsolvenzen auf. Der Gastronomie-sektor (Gastgewerbe) zeigt sich dank Wegfall der Corona-Beschränkungen in der Stadt Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss leicht entspannt.

In der Region gerieten weitere bekannte Unternehmen in die Insolvenz. So ist der Düsseldorfer Hygienepapierhersteller Hakle GmbH (220 Mitarbeiter) zum Sanierungsfall geworden und hat ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Grund sind offenbar die stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten. Im Geschäftsjahr 2020 hatte die Hakle GmbH nach dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss bei einem Umsatz von knapp 80 Millionen Euro noch einen Jahresüberschuss von rund 650.000 Euro ausgewiesen. Zudem musste das Reformhaus Bacher GmbH & Co. KG, Düsseldorf (580 Mitarbeiter, bundesweit), wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Rettung in Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung suchen. Die Geschäftsführung des Reformhauses, seit 95 Jahren am Markt, deutschlandweit an über 100 Standorten präsent, zeigt sich allerdings optimistisch, eine dauerhafte Lösung zum Erhalt des Unternehmens zu finden. In der Stadt Neuss wurde das Geschäft „unverpackt“ ebenfalls geschlossen, hier jedoch ohne Insolvenzanmeldung. Axel Kleinschmidt, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei der multidisziplinären Mittelstandskanzlei Ganteführer in Düsseldorf, ordnet den aktuell positiven Trend mit Einschätzungen aus der Praxis ein: „Nach erneut sehr nied-rigen Insolvenzzahlen in 2022 sehen wir seit Jahresbeginn einen spürbaren Anstieg der Insolvenzfälle. Wir rechnen mit einer moderaten Steigerung, im Hinblick auf die nach wie vor hohen Energiepreise und anhaltenden Störungen in den Lieferketten. Aber auch die hohen Zinsen und eine zu beobachtende Zurückhaltung der Banken erschwert die Beschaffung von Kreditmitteln für Unternehmen. Dennoch erwarten wir keine Insolvenzwelle. Bei fehlenden Zu-kunftsaussichten schließen viele Unternehmen ihr Geschäft und treten ohne Insolvenz aus dem Markt aus. Wenn allerdings ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft besteht, gelingt es einer zunehmenden Zahl von Unternehmern ihren Betrieb außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu restrukturieren und ihre Geschäftsbeziehungen neu zu verhandeln und so ein Insolvenzverfahren zu vermeiden.“

Perspektive 2022 / 2023: Die Unternehmensinsolvenzahlen im Regionalraum sinken gegen den Bundestrend: Stagnation statt Rezession – Unsicherheiten und Risiken bleiben

Die zurückhaltende Trendprognose vom Jahresbeginn 2022 hat sich im Regionalraum Düsseldorf erfüllt: Aus der erwarteten „Seitwärtsbewegung“ ist gegen den Bundestrend 2022 ein merklicher Rückgang der regionalen Unternehmensinsolvenzen geworden. Ihre Zahl ist auch im 2. Halbjahr 2022 sowohl in der Landeshauptstadt Düsseldorf als auch im Rhein-Kreis Neuss zurückgegangen. Trotz Krieg in der Ukraine mit der Folge drastisch steigender Energiepreise und historisch hohen Inflationsraten wechseln in der Konjunkturforschung derzeit Moll- und Dur-Tonlagen in schneller Folge. So changiert auch die aktuelle Analyse der Insolvenzforschungsstelle des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im bundesweiten „IWH-Insolvenztrend“ vom Januar 2023 zwischen Pessimismus und Optimismus: „Wir erwarten für die kommenden Monate ähnlich hohe Insolvenzzahlen wie im Dezember 2022. Im Frühjahr könnten die Zahlen saisonbedingt noch weiter ansteigen“. […] Trotz des erwarteten Anstiegs werden die Insolvenzzahlen wohl auch bis zum Frühjahr 2023 nicht über das langjährige Mittel steigen.“ Und auch das „Risikobarometer Mittlerer Niederrhein“, das von Creditreform Düsseldorf / Neuss in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer Niederrhein im letzten Dezember zum 4. Mal veröffentlich wurde, ist für 2023 wenig optimistisch, die Prognose ist aber „noch nicht besorgniserregend“. Chris Proios von der Initiative „Konjunkturforschung Regi-onal“ ergänzt: „Das Ausfallrisiko der Unternehmen im Rhein-Kreis Neuss lag 2022, wie auch die Insolvenzentwicklung zeigt, vergleichsweise deutlich unter dem Wert für die Gesamtregion des Mittleren Niederrheins. Allerdings nimmt das Ausfallrisiko im Rhein-Kreis Neuss im nächsten Jahr branchenspezifisch zu. Überdurchschnittlich negative Werte der Unternehmensausfallwahrscheinlichkeit zeigten 2022 beispielsweise der Wirtschaftsbereich Verkehr und Lagerei, das Gastgewerbe und die Energie- und Wasserversorger.“

Dabei zeigen derzeit viele Konjunkturindikatoren einen positiven Grundtrend: Der ifo-Geschäftsklimaindex ist bis Ende Januar 2023 dreimal in Folge gestiegen. Das GfK-Konsumklima verbessert sich zum vierten Mal in Folge und startet im Januar „mit etwas mehr Optimismus in das Jahr 2023“. Und auch das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) von Ende Dezember zeigte sich zurückhaltend positiv: „Eine schwere Rezession wird […] zunehmend unwahrscheinlicher und die konjunkturellen Aussichten sind vorsichtig positiv.“ Das ifo-Institut spricht Ende Januar von einer „milden Winterrezession“. Allerdings prognostizieren drei wichtige Wirtschaftsforschungsinstitute - das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, das Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel, und das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen – für die deutsche Wirtschaft „eine jahrelange Phase schwachen Wachstums“. Die jährlichen Wachstumsraten werden demnach mittelfristig unter einem Prozent liegen (IfW bis 2027: 0,7 Prozent) – und damit deutlich niedriger als im Schnitt der vergangenen dreißig Jahre (1,4 Prozent). André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf / Neuss, bleibt daher in seiner Einschätzung vorsichtig: „Erfreulicherweise war die Insolvenzentwicklung in unserer Region im letzten Jahr trotz Krieg in der Ukraine und Energiepreisexplosion positiv. Allerdings ist weiterhin Vorsicht angesagt. Vor allem die Zinswende an den Kapitalmärkten könnte – nach einer Phase der jahrelangen Niedrig- oder Nullzinspolitik – ein Game-Changer sein. Zusammen mit einer anhaltenden Energiepreiskrise kann dies neue Insolvenzen auslösen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, deren Geschäftsmodell nur aufgrund der pandemiebedingten besonderen Rahmenbedingungen der letzten Jahre funktionierte.“



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