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SchuldnerAtlas Deutschland 2023 – Rückkehr der Überschuldung

5,65 Millionen Bürger überschuldet / „Verdeckter Anstieg“ bei Überschuldung / Überschuldungsquote von 8,15 Prozent / Trendwende durch anhaltende Inflation und hohe Zinsen / Rezession als Überschuldungstreiber

Die Überschuldungslage der Verbraucher ist ambivalent. Auf den ersten Blick hat sie sich 2023 nochmals leicht verbessert. Nur noch 5,65 Millionen Menschen (- 233.000 Fälle ggü. Vj.) gelten 2023 in Deutschland als überschuldet. Offiziell ist das ein erneuter Tiefststand. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, sinkt um 0,33 Punkte auf 8,15 Prozent.

„Verdeckte Trendumkehr“

„Die vermeintlich guten Werte trügen leider“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. „Ohne statistische Sondereffekte messen wir erstmals seit 2019 einen Überschuldungszuwachs.“ Hintergrund ist eine Verkürzung der Speicherfristen für Restschuldbefreiungen von bisher drei Jahren auf nun sechs Monate. Nach alter Lesart gibt es rund 17.000 Fälle mehr als 2022. Die Überschuldungsquote läge demnach eigentlich bei 8,51 Prozent und damit leicht über dem Vorjahr. Seit 2020, mit Beginn der Corona-Krise, hatten sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo verringert. Staatliche Hilfen und eine ausgeprägte Sparneigung schützten viele Verbraucher. „Die multiplen Krisen, insbesondere die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen, verteuern das Leben der Verbraucher stetig“, so Hantzsch weiter. „Die Konsumlust der Bürger wächst aber wieder, obwohl fast alles deutlich teurer ist. Das wird viele finanziell überfordern.“ Da die Folgen einer Überschuldung, Stichwort Privatinsolvenz, erst zeitverzögert auftreten, rechnen die Analysten mit steigenden Fallzahlen in den kommenden Monaten.

Stabile Lage, gemischte Aussichten

Neben der „verdeckten Trendumkehr“ ändern sich auch weitere Parameter. „Wir beobachten, dass nun erstmals seit 2020 die sogenannte „weiche“ Überschuldung, also nachhaltige Zahlungsstörungen, wieder ansteigt“, erläutert Michael Goy-Yun“, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm. „Drastisch gestiegene Lebenshaltungs- und Energiekosten haben im letzten Jahr die finanziellen Spielräume der Verbraucher deutlich eingeschränkt.“ Vor allem die sogenannten „Dauerüberschuldeten“ aus unteren sozialen Schichten hatten unter der Preisentwicklung zu leiden. „Die steigende Nachfrage nach Ratenkrediten und „Buy now, pay later“-Angeboten, die vor allem auf Jüngere und Frauen abzielen, bestätigen den Konsumtrend“, so Goy-Yun weiter. So sind es auch diese beiden Gruppen, bei denen die „weiche“ Überschuldung gegen den Trend ansteigt. „Bei der jüngsten Alterskohorte (bis 29 Jahre) gibt es erstmals seit 2013 sogar eine Zunahme von Überschuldungsfällen und Gesamtquote. Den geringsten Rückgang der Überschuldungsquote verzeichnen die über 70-Jährigen. In der Langzeitbetrachtung ist die Entwicklung der Altersgruppen jedoch gegenteilig gelagert. Während sich vor allem junge Menschen (unter 30 Jahre) in den vergangenen 10 Jahren immer weniger überschuldeten, stieg die Überschuldungsquote der über 60-Jährigen im gleichen Zeitraum signifikant an.

„Auffällig sei zudem“, so Experte Goy-Yun, „dass einkommensschwache Haushalte weiterhin am meisten von Überschuldung betroffen sind. Blicken wir aber auf die Krisenjahre seit 2019, stellen wir fest, dass diese Gruppe offensichtlich sehr von den Stützungsmaßnahmen des Staates profitiert hat.“ Deren Anteil am Überschulungsgeschehen nahm um 5 Prozentpunkte ab, während mehr Normal- und Gutverdiener (summarisch + 5 Prozentpunkte) in eine Überschuldungsspirale geraten sind und teils eine Schuldnerberatung in Anspruch genommen haben. „Ganz konkret können das Menschen sein, deren Immobilienfinanzierung in diesem Zinsumfeld ausläuft, die eine Anschlussfinanzierung brauchen und plötzlich mit enormen finanziellen Mehrbelastungen zurechtkommen müssen“, erläutert Goy-Yun.

Rezession als Überschuldungstreiber

„Die zahlreichen Maßnahmen des Staates haben gerade die unteren Einkommensschichten signifikant entlastet. Fraglich ist, ob die Hilfen einen Langzeiteffekt haben“, so Wirtschaftsexperte Hantzsch. „Der starke Anstieg des Mindestlohns 2022 und das Bürgergeld beispielsweise haben zwar für den Moment entlastet, der Preis dafür ist aber besonders für die kleinteilige Wirtschaft hoch, da deren Lohnkosten langfristig steigen und personalintensive Branchen weniger Mitarbeiter finden“, so Hantzsch weiter. „Die Überschuldung von Verbrauchern ist eng an die konjunkturelle Entwicklung geknüpft. Dabei sind die wirtschaftlichen Aussichten ungewiss, aber durch die Bank trübe“, so Hantzsch. „Bei den Unternehmensinsolvenzen hat eine Trendumkehr bereits eingesetzt.“ Das Durchschlagen auf die Verbraucher sei nur eine Frage der Zeit, da sich zum Beispiel auch die Lage am Arbeitsmarkt trotz demographischen Wandels wieder verschärfe und Deutschland sich beim Wachstum auf den letzten Plätzen befindet. „Wenn produzierende Unternehmen dem Wirtschaftsstandort Deutschland den Rücken kehren, kostet das gut bezahlte Arbeitsplätze und die finanzielle Sicherheit der Beschäftigten“, so Hantzsch.

Ländertrends bleiben positiv

Die Zahl der Überschuldungsfälle ist auch 2023 in beiden Teilen Deutschlands auf ähnlichem Niveau zurückgegangen – wenn auch nicht so stark wie in den Vorjahren. Beide Teile liegen im hellgrünen Bereich der Überschuldungsampel. Im aktuellen Jahr weisen 394 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland (98,5 Prozent) einen Rückgang der Überschuldungsquote auf. Die Analyse zeigt aber auch hier, dass die weiche Überschuldung auf dem Vormarsch ist: In mehr als der Hälfte aller Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland (57 Prozent) ist die weiche Überschuldungsquote angestiegen.
 

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Redaktion: Dr. Rainer Bovelet, Aachen

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