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Zurückhaltung bei den Investitionen

Einige Wirtschaftsbereiche sind vorwiegend mittelständisch geprägt. Der Bau und manche Dienstleistungen – vor allem im konsumnahen Bereich – werden bestimmt von einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, die oftmals hochspezialisiert in ihrer Region tätig sind.

Die aktuellen Krisen treffen Konsumenten und Unternehmen in ihren Auswirkungen gleichermaßen. Doch kleine Unternehmen werden weniger deutlich gehört. Oft fühlen sie sich zurückgesetzt und in der öffentlichen Wahrnehmung nicht berücksichtigt. Die aktuelle Creditreform Analyse zur Konjunkturlage und Finanzierung im Mittelstand fragte nun genau diese Betriebe, was ihnen aktuell am meisten zusetzt.

Zuversicht verloren

Die Investitionsbereitschaft von Unternehmen ist der stärkste Ausdruck, mit welcher Zuversicht ein Unternehmen in die Zukunft schaut. Wer investiert, der glaubt daran, dass es sich lohnt, weil die wirtschaftliche Lage bzw. der Markt für die Produkte und Dienstleistungen bereit ist. Im Herbst 2022 hat die Investitionsbereitschaft ein Tief erreicht. Nur 46,2 Prozent der befragten KMU sind investitionsbereit. Lediglich 2020 wurde mit 45,5 Prozent ein noch geringerer Wert erfasst. Noch im letzten Jahr wollten 51,6 Prozent der Befragten Geld für Investitionen in die Hand nehmen – ein Wert, der etwa im Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt.

Die wichtigsten Investitionen stellen Anlage- oder Erweiterungsinvestitionen dar. Bei den Investitionsarten wird in diesem Jahr die ganze Misere deutlich. Die zukunftsgerichteten Erweiterungsinvestition haben um rund 5 Prozentpunkte abgenommen – von 57,2 Prozent im Jahr 2021 auf nun 52,6 Prozent. Im Vordergrund stehen die Ersatzinvestitionen – nach wie vor sind es 56 Prozent, die dazu bereit sind. Deutlich zugenommen aber haben sogenannte Rationalisierungsinvestitionen – von 18,0 auf 28,4 Prozent in diesem Herbst. Angesichts des Mangels an Personal, der hohen Kosten beim Energiebezug sowie den Störungen beim Einkauf durch markant erhöhte Preise und Ausfälle von Lieferungen, richtet sich jetzt die Aufmerksamkeit darauf, wie Rationalisierungen diese Behinderungen kompensieren können.

Unsicherheit macht sich breit

Gefragt nach den Gründen der zunehmenden Investitionsverweigerung (Mehrfachnennungen waren hier möglich) nannten die Betriebe an erster Stelle die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten (45,0 Prozent). An zweiter Stelle wurde angegeben, dass man keine Notwendigkeit für Investitionen sehe (41,9 Prozent). Diese beiden deutlich am häufigsten angeführten Gründe hängen unmittelbar zusammen. Sicher dürfte sein, dass es an der Notwendigkeit deshalb fehlt, weil der Markt im Zeichen von eingeschränktem Konsum und hoher Inflation wohl nur wenig Chancen bietet. Tatsächlich wurde die Teuerung an dritter Stelle genannt, wenn es darum ging, die Gründe für die Zurückhaltung bei Investitionen zu nennen. 30,0 Prozent der Betriebe sprachen von der Inflation. Immer noch macht sich die Corona-Pandemie bemerkbar, wenn 16,9 Prozent der Befragten angaben, dass diese sie von Investitionsvorhaben abhalte. Während der Ukraine-Krieg nur von 14,5 Prozent der Mittelständler ins Feld geführt wurde, liegen eingeschränkte oder fehlende Finanzmittel bei 16,1 Prozent der Antworten. Hier dürfte sich bereits bemerkbar machen, dass nicht nur die Eigenkapitaldecke im Zeichen der Krise gelitten hat, sondern dass auch die Fremdfinanzierung schwieriger geworden ist. Die Zinsen für ein Betriebsdarlehen sind gestiegen und die Banken sind vorsichtiger bei der Vergabe geworden. Es ist davon auszugehen, dass dieser Grund für gescheiterte Investitionsvorhaben in Zukunft noch häufiger genannt wird.

Die Antworten zu den Gründen der Zurückhaltung bei Investitionen (Mehrfachnennungen möglich) sind im Kontext mit der allgemeinen Krisenlage zu sehen. Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat die kleinen und mittleren Unternehmen im Herbst 2022 gefragt, welche Bereiche auf ihrer Tagesordnung besonders hervorstechen. Eine solche Liste wurde den Befragten zum ersten Mal im Frühjahr 2022 vorgestellt – hier ist also ein Vergleich möglich, wie sich die Lage innerhalb des letzten halben Jahres verschärft hat. An erster Stelle stehen die hohen Energiekosten. Mehr als 80 Prozent der Betriebe führten dies an, im Frühjahr 2022 waren es nur 3,2 Prozent. Diese markante Zunahme entspricht der Bewertung des Ukraine-Kriegs. Nach dem Angriff Ende Februar waren zwei Monate später nur 4,0 Prozent der Betriebe bereit, dies als wichtigstes Thema für den Mittelstand zu bezeichnen. Im Herbst dieses Jahres nannten 32,5 Prozent der Betriebe den Krieg als wichtigstes Thema. Insgesamt an zweiter Stelle steht jedoch die Inflation, die 73,0 Prozent der Befragten aktuell anführten (Frühjahr: 71,8 Prozent). An Aufmerksamkeit verloren haben angesichts dieser drängenden Probleme die Themen „Digitalisierung“ (22,1 Prozent) und „Umwelt“ (15,9 Prozent).

Es geht um die Existenz

Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe (50,8 Prozent) befürchtet durch die Inflation negative Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität des eigenen Geschäftsmodells. Auf der anderen Seite stehen 48,2 Prozent der Befragten, dass sie nicht um ihre Existenz fürchten müssen. Mit dieser Antwort zeigt der Mittelstand, wie prekär seine Situation ist. Da mögen Rationalisierungen durchgeführt werden oder die Eigenkapitaldecke verbreitert sein – die Angst um die unternehmerische Existenz ist bei diesem hohen Anteil direkt greifbar. Eine Inflation von über 10 Prozent, wie sie im Oktober zu verzeichnen war, ist für viele nicht mehr zu verkraften. Während das Verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe und der Einzelhandel bei gut 53 Prozent liegen, sind es nur im Großhandel (48,7 Prozent) und bei den Dienstleistern (48,6 Prozent) weniger Mittelständler, die existenzielle Sorgen hegen. Ein Betrieb, der in solchem Maße Ängste zeigt, was die Fortführung seines Geschäftsmodells betrifft, der wird nicht investieren und der wird auch wohl kaum Personal einstellen. Die Konjunktur in Deutschland hat bereits gelitten – sie zeigt nur noch schwache Zuwächse und wird in Zukunft wohl weiter durch dieses Klima der Angst schwächeln.