Creditreform Magazin

Forschen und Fördern

Mit dem Forschungszulagengesetz (FZulG) werden innovative Unternehmen steuerlich begünstigt. Seit dem 1. Januar 2020 entlastet der Staat forschende Betriebe um bis zu 500.000 Euro pro Jahr. Für welche Unternehmen die Zulage eine willkommene Entlastung ist.

Geschwindigkeit und Flexibilität bei der Produktentwicklung sind das Markenzeichen von HJS Emission Technology. „Wir erzielen den wesentlichen Anteil unseres Umsatzes mit innovativen Produkten, die wir teilweise von der Anfrage bis zur Erstauslieferung innerhalb von acht Wochen umsetzen. Diese Flexibilität ist unsere Nische“, sagt Stefan Lefarth, verantwortlich für das Produktmanagement bei HJS. Das Unternehmen aus Menden im Sauerland ist auf Technologien zur Abgasnachbehandlung spezialisiert. Im August 2019 erhielt HJS zum Beispiel als erstes Unternehmen auf dem deutschen Markt die Zulassung für ein Abgasreinigungssystem, das den Stickoxidausstoß von leichten Lieferfahrzeugen senkt – und diese vor drohenden Fahrverboten bewahrt. Aber auch Automobilherstellern muss HJS als Zulieferer für Katalysatoren und Co. bisweilen blitzschnell Lösungen bereitstellen. Um stets an der Spitze der Entwicklung zu stehen, investiert HJS rund zehn Prozent seines Umsatzes wieder in Forschung und Entwicklung.

Einziges Manko: Für derartig kurzfristige Projekte konnte HJS bisher nie eine staatliche Unterstützung durch klassische Fördermittel von Land, Bund oder EU erhalten. Viel zu langwierig ist der bürokratische Antragsprozess für den schnellen Markt. Entsprechend große Hoffnungen setzt Lefarth auf das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung, kurz Forschungszulagengesetz (FZulG), das der Bundestag im November 2019 verabschiedet hat und das nun seit Anfang 2020 gilt. Es könnte für HJS eine spürbare finanzielle Entlastung bieten und dadurch einen größeren Spielraum für weitere innovative Projekte. Denn die neue Förderungszulage hat einen wichtigen Vorteil: Sie kann rückwirkend und für laufende Projekte beantragt werden, während bei der klassischen Förderung oft vor Projektstart eine Bewilligung vorliegen muss.

 

25 Prozent ist besser als nichts

Auch Förder-Versteher Michael Zahm macht Unternehmen wie HJS Mut: „Von der neuen Förderung werden wahrscheinlich viele Unternehmen profitieren, die bisher keine finanziellen Mittel erhalten haben.“ Zahm ist Geschäftsführer von PFIF – das Kürzel steht für Partner für Innovation und Förderung – und berät seit mehr als 25 Jahren Unternehmen bei der Auswahl von Förderprogrammen für Innovations- oder Investitionsprojekte, bei der Antragstellung sowie bei der Realisierung der Projekte.

Das neue Gesetz sehe vor, dass der Staat Unternehmen auf Antrag 25 Prozent des Personalaufwands für Forschung und Entwicklung erstatte, maximal 500.000 Euro pro Jahr, erklärt Zahm. Profitieren könnten besonders solche Unternehmen, die schnell reagieren müssen, die mehr als vier Vollzeitstellen in der Forschung und Entwicklung (FuE) haben oder die hohe FuE-Aufträge an Dienstleister vergeben.

Das FZulG hat jedoch auch Nachteile: Der Fördersatz von 25 Prozent auf die FuE-Personalkosten inklusive der Arbeitgeberleistungen zu den Sozialabgaben ist vergleichsweise gering. In klassischen Förderprogrammen profitieren Mittelständler von deutlich höheren Förderquoten – und zwar nicht nur für Personalkosten, sondern auch für Material und Geräte. Weil eine Doppelförderung ausgeschlossen ist, rät Zahm Unternehmen, bei jedem Projekt genau zu prüfen, ob sie auf eine klassische FuE-Förderung aus Landes-, Bundes- oder EU-Mitteln setzen oder die neue steuerliche Zulage in Anspruch nehmen.

 

Weder Konzern noch KMU

Für HJS stellt sich die Frage indes kaum. Denn der Zulieferer hat ein zusätzliches Problem mit der klassischen Förderung. Aufgrund der Innovationskraft bei der Katalysator- und Filtertechnologie, für die das Unternehmen in der Vergangenheit mehrfach ausgezeichnet wurde, ist die Anzahl der Mitarbeiter auf gegenwärtig 450 gestiegen. „Dadurch fallen wir aus vielen Förderprogrammen für den Mittelstand raus“, stellt Stefan Lefarth lapidar fest. Bei der Forschungszulage besteht diese Begrenzung nicht.

Auch der Hamburger Spezialist für Waagen und medizinisches Messen, Seca, ist mit seinen 500 Mitarbeitern zu groß für die EU-Definition von Mittelstand: Auf viele Förderprogramme kann sich der Familienbetrieb überhaupt nicht bewerben, dementsprechend gering ist die Anzahl von erfolgreichen Förderungen. „Wir sind Weltmarktführer und wollen uns nicht an anderen Unternehmen orientieren“, sagt Technik-Geschäftsführer Frederik Vogel. „Unser Anspruch ist, dass neue Entwicklungen von uns kommen müssen.“ Zentrales Thema der vergangenen Jahre ist die Digitalisierung. Nicht nur, dass Gewicht, Muskelmasse und Körperfettanteil der Patienten medizinisch genau gemessen werden, die Ergebnisse müssen auch digital vorliegen und etwa direkt in die Krankenhausakte eingespielt werden können.

Weil die Ansprüche an Studien und Validierung in der Medizintechnikbranche extrem hoch sind, hat Seca in den vergangenen Jahren tendenziell mehr als zehn Prozent des Umsatzes in die Entwicklungsabteilung mit ihren 80 Mitarbeitern gesteckt. Auch Vogel hofft, dass sein Unternehmen in Zukunft vom Forschungszulagengesetz profitiert: „Es ist schwer, sämtliche Entwicklungsprojekte selbst zu stemmen. Und eine finanzielle Unterstützung würde natürlich das unternehmerische Risiko minimieren“, sagt er. Denn längst nicht jede Weiterentwicklung führe schließlich zu einer Innovation, die sich finanziell rentiere.

 

Ein Euro bleibt ein Euro

Jörg Rupp hält das neue Gesetz für ein zweischneidiges Schwert. „Es ist ideal für Unternehmen zwischen 250 und 1.000 Mitarbeitern“, sagt der Innovationsberater und Geschäftsführer von Dorucon. Diese Unternehmen spielten praktisch in der dritten Fußball-Liga: Zu klein, um finanziell große Sprünge zu machen wie die Großunternehmen und Konzerne. Zu groß, um von Fördertöpfen für Mittelständler zu profitieren. Der 45-jährige promovierte Ingenieur und Betriebswirt rechnet vor, dass kleine und mittlere Unternehmen mit dem klassischen Förderprogramm wie etwa dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) vom Bundeswirtschaftsministerium in aller Regel besser bedient sein werden als mit der steuerlichen Zulage.

Eine Gefahr sieht der Saarländer darin, dass mittelfristig die Budgets für diese attraktiven Förderprogramme gekürzt werden: „Auch Abgeordnete können einen Euro nur einmal ausgeben“, sagt Rupp. Er fürchtet, dass den kleinen innovativen Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern, die in ihren Nischen Marktführer sind, sukzessive der Geldhahn abgedreht wird. Im ZIM etwa erhalten Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern je nach Bundesland einen Zuschuss von 40 oder 45 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten, Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern immerhin einen von 35 Prozent.

Vor- und Nachteile der Forschungszulage verdeutlicht auch eine Beispielrechnung von PFIF-Geschäftsführer Michael Zahm: Ein über zwei Jahre angelegtes Entwicklungsprojekt eines mittleren Unternehmens verursacht Personalkosten von 175.000 Euro. Aufgrund der Komplexität des Projekts und zur Ergänzung interner Ressourcen bindet das Unternehmen zusätzlich einen spezialisierten Auftragnehmer ein, etwa für die Entwicklung spezieller Software, der weitere 25.000 Euro kostet. Im Vergleich kommt ein kleines Unternehmen in diesem Szenario mit einer ZIM-Förderung deutlich besser weg (siehe auch Beispielrechnung unten). 

Für aufwendige oder bisher nicht förderfähige Projekte ergäbe sich jedoch mit der Zulage eine neue Möglichkeit, die den Spielraum von Unternehmen erweitere – vor allem wenn es gelinge, den Aufwand für den Antrag und den Nachweis der geleisteten FuE-Stunden gering zu halten, resümiert Zahm.  


ZIM oder Zulage?

Rechenbeispiel zur Förderung eines Entwicklungsprojekts.

Unternehmensgröße:
weniger als 250 Mitarbeiter
Projektdauer: zwei Jahre
Personalkosten: 175.000 Euro
Kosten für externe Auftragnehmer:
25.000 Euro

 

davon anrechenbar im ZIM:
Personal: 175.000 €
Pauschale bzw. AG-Sozialabgaben: 175.000 €
externe Auftragnehmer: 25.000 €
zuwendungsfähige Kosten: 375.000 €
Fördersatz: 35 % 
Förderbetrag: 131.250 €

 

davon anrechenbar im FZulG:
Personal: 175.000 €
Pauschale bzw. AG-Sozialabgaben: 35.000 €
externe Auftragnehmer: 15.000 €
zuwendungsfähige Kosten: 225.000 €
Fördersatz: 25 %
Förderbetrag: 56.250 €


Text: Jens Gieseler

Quelle: Magazin „Creditreform“