Risikomanagement Newsletter

Geteilte Konjunktur

Nach den Wahlen ist die neue Regierung noch nicht gefunden. Wie auch immer aber die Koalitionen aussehen werden, fest steht jedenfalls, dass die Probleme, welche die Regierenden zu lösen haben, gewaltig sind.

Tatsächlich wurden die Wahlslogans dominiert vom Wort „Veränderung“ und die letzten Jahre erscheinen als eine Zeit der Stagnation. Zu diesem Eindruck hat natürlich nicht zuletzt der Lockdown in Zeiten der Corona-Pandemie beigetragen. Zunächst aber gilt es zu fragen: Wo steht Deutschland gesamtwirtschaftlich im Herbst 2021?

Keine schlechte Ausgangslage

Die Indikatoren für das erste Halbjahr 2021 liegen größtenteils vor, für die Monate danach sind sie noch unvollständig. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Konjunktur am aktuellen Rand zum Herbst gegenüber der Situation in der Krise deutlich verbessert zeigt, auf der anderen Seite allerdings die zu Jahresbeginn gehegten hohen Erwartungen wohl doch nicht erfüllt. So ist der jüngste ifo-Geschäftsklimaindex vom September auf 98,8 Punkte zurückgefallen, nachdem er bereits im August auf 99,6 Punkte gesunken war. Das Institut sieht auf Basis der Befragung die Unternehmer weniger zufrieden mit der aktuellen Geschäftslage, hinzu kommen gedämpfte Erwartungen. So hatte das Bruttoinlandsprodukt zu Jahresbeginn einen Dämpfer erlitten, der dafür sorgte, dass die Institute ihre hohe Prognose von einem Wachstum bis zu 2 Prozent zurücknahmen. Immerhin konnte das Statistische Bundesamt für das zweite Quartal 2021 ein Wachstum von 1,5 Prozent melden.

Die Lage in Deutschlands Wirtschaft ist gespalten. Der industrielle Bereich leidet auch nach der Pandemie. Dagegen kann sich der Tertiärsektor, vor allem die Dienstleistung, sich erholen und an Fahrt zulegen. Die Ursache für das Schwächeln des produzierenden Bereichs liegt in den Lieferengpässen. Dies trifft nicht nur die Industrie, sondern auch die Bauwirtschaft. Es geht also nicht um eine dürftige Nachfrage, die Industrie hat einfach Schwierigkeiten zu liefern. Deutlich wird dies mit dem Produktionsrückgang, der sich seit Monaten zeigt. Nach einer Pause im Mai stiegen die Auftragseingänge wieder und die Warenausfuhren steigerten sich seit mittlerweile über einem Jahr. Doch die Lieferengpässe sind gravierend und gerade die Autoindustrie, die so wichtig für die Binnenkonjunktur ist, hat darunter zu leiden, dass Halbleiter nicht zur Verfügung stehen. Viel ist auch die Rede davon, dass der Bau trotz anhaltendem Boom nicht das nötige Bauholz zur Verfügung hat, um seine Aufträge abzuarbeiten. Hier wirkt sich die internationale Arbeitsteilung aus. Nicht nur die Pandemie, sondern auch die Transportwege sorgen dafür, dass die Kosten steigen und der Einkauf sich deutlich schwieriger gestaltet.

Dienstleister machen Dampf

Besonders betroffen vom Lockdown waren der Bereich der persönlichen Dienstleistungen und der Handelssektor. Mit der Öffnung hellte sich auch die Stimmung in diesen Wirtschaftsbereichen auf. Während offizielle Zahlen zur jüngsten Entwicklung bei den Dienstleistern kaum vorliegen, kann schon aufgrund des ifo-Geschäftsklimaindex erkannt werden, dass sich das Geschäftsklima verbessert hat. Vor allem sind die Erwartungen der Unternehmen deutlich zuversichtlicher geworden. Dies gilt selbst für die stark betroffenen Bereiche „Gastronomie“ und „Tourismus“, die gerade im Hinblick auf mögliche Mutationen des Virus und damit einhergehende Schließungsmaßnahmen besonders betroffen wären. Wie das Institut weiter ausführt, sind die Aussichten hingegen bei der Logistik noch einmal trüber geworden, was natürlich im Zusammenhang mit der Situation in der Industrie weniger verwundert.

Nach dem Lockdown konnte der Einzelhandel deutlich zulegen. Im Juni gab es eine Steigerung beim Umsatz um 4,5 Prozent, im Mai waren es bereits 4,6 Prozent gewesen. Im Bereich der Bekleidung schraubte sich die positive Veränderung auf den Wert von plus 77,3 Prozent, es gelang damit sogar, den Wert vor der Corona-Krise um mehr als 5 Prozent zu überschreiten. Sicher haben bei dieser positiven Entwicklung der Nachholkonsum, aber eben auch die Senkung der Umsatzsteuer eine Rolle gespielt. Das gilt auch für die Kfz-Neuzulassungen in Deutschland. Ein Wermutstropfen bleibt aber auch hier: Der GfK-Konsumklimaindex meldete im August wieder eine Stagnation, Hintergrund sind wohl die Ängste durch wieder steigende Infektionszahlen.

Für den Konsum dürften jetzt und in Zukunft zwei Parameter wichtig sein. Das ist zum einen die Situation am Arbeitsmarkt, zum anderen die Lage bei den Preisen. Dabei zeigt sich die Entwicklung am Arbeitsmarkt weiter positiv. Im Sommer waren noch 2,6 Millionen Arbeitslose zu zählen – das waren gegenüber dem Vorjahr 320.000 Personen weniger. Und auch die Kurzarbeit, die in der akuten Krise Einbrüche bei den Beschäftigten verhindert hatte, ist zurückgegangen. Im Mai waren 2,2 Millionen Kurzarbeiter zu registrieren – ein deutlicher Rückgang gegenüber dem April mit 2,5 Millionen Personen. Im Gegenteil: Auch der Arbeitsmarkt ist von hoher Nachfrage gekennzeichnet.

Sorgen macht den Verbrauchern die Preissteigerung. Jüngste Zahlen zeigen die höchste Inflationsrate seit 28 Jahren. Es geht nicht mehr um die 2 Prozent, die von der EZB einmal als „Gold-Standard“ festgelegt worden waren – mittlerweile liegt die Preissteigerung bei über 4 Prozent. Die (ehemalige) Regierung beschwichtigt, sie spricht von niedrigen Basis-Zahlen durch die Senkung der Umsatzsteuer sowie durch den Lockdown und geht optimistisch davon aus, dass die Preissteigerungen nach dem Jahresende wieder zurückgehen werden. Tatsächlich sind die Zunahmen auch hausgemacht. Es sind eben nicht nur Preissteigerungen bei den Erdöl exportierenden Staaten, sondern eben auch die Erhöhungen durch die Abgaben hierzulande, die die Energie markant teurer machen. Daran wird sich wohl nichts ändern.

Die neue Regierung hat einen schweren Weg zu gehen, wenn es um bezahlbaren Unweltschutz geht. Die aktuelle Konjunkturlage allerdings ist im Ganzen durchaus positiv und wohl kein Hemmschuh für die vielbeschworenen Veränderungen, die in die Wege zu leiten sind.

Quellen: BMWi, GfK, ifo