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Ganz Deutschland im Standgas – so überholen wir niemanden

Liebe Leserinnen und Leser,

100 Tage können sich sehr lang anfühlen. Zugegeben, es kommt immer auf den Maßstab an. Für mich persönlich scheint das Jahr 2025 in Wirklichkeit aus zwei Jahren zu bestehen, wenn man die Zahl und Frequenz der Ereignisse in der Sommerrückschau betrachtet. Ich meine, 100 Tage bräuchte man allein, um all das erst mal vernünftig zu reflektieren und gedanklich einzuordnen. Aber die Zeit haben wir nicht und so geht es dann auch schnell vom Sommer in den Herbst, von dem sich viele wünschen, dass er ein Herbst des Handelns sein wird. 100 Tage ist auch die neue Bundesregierung im Amt und irgendwo klingen einem noch die Versprechen in den Ohren, die besagten, dass im Sommer signifikante Veränderungen spürbar würden. Ein bissiger Kommentator könnte dies bejahen, denn spüren tut der Bundesbürger ja allerhand – ob er will oder nicht. Doch hier hilft natürlich kein wohlfeiles Raunen, nur ein nüchterner Blick auf die wirtschaftspolitische Lage und Bilanz bringt uns weiter. Doch die fühlt sich fast so an wie Standgas. Denken Sie mal zurück an die Zeiten, wo Sie, liebe Leserinnen und Leser, das Autofahren erlernten. Wenn kein Gang eingelegt ist, können Sie noch so fest aufs Gas drücken, der Motor mag röhren, aber die Reifen bewegen sich trotzdem keinen Millimeter.

Auf der Habenseite steht sicherlich, dass die großen Probleme des Landes erkannt wurden. Doch betrachtet man die seither getroffenen Maßnahmen im Einzelnen, wird gleichzeitig Gas gegeben und wieder abgebremst: Investitionsprogramme auf der einen Seite, Mietpreisbremse und starre Arbeitszeitregelungen auf der anderen Seite. Das mittelständische Handwerk klagt laut über die ausbleibende Stromsteuersenkung für alle, der Großhandel über die Kosten des Wirtschaftsstandorts und immer noch ausbleibende Steuersenkungen. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Doch wie wir an dieser Stelle schon oftmals bemerkten, ist es nicht allein die Politik, die für den Status quo verantwortlich ist. Auch die Unternehmen und Bürger selbst müssen einen großen Beitrag leisten, wenn wir nicht in der Rezession versinken wollen.

In der heutigen Ausgabe geht es um den wichtigsten Indikator, wenn wir das Vertrauen in die Zukunft messen wollen: die Investitionsbereitschaft. Doch die Kreditnachfrage für Investitionen ist nach wie vor sehr gering. Die Unsicherheit überwiegt noch. Wie sehr, lesen Sie in unserem ersten Beitrag. Danach widmen wir uns ausführlich der nur teilweise geglückten Stromsteuerentlastung für den Mittelstand. Zu guter Letzt müssen wir nachvollziehen, wie unser „Geschäftsmodell Deutschland“ so unter Druck geraten konnte.

Uns ist bewusst, das ist schwere Kost an heißen Tagen und nicht allzu leicht verdaulich. Diese Themen durchdrungen zu haben, ist aber für jeden Unternehmer und wirtschaftlich Interessierten unerlässlich.

Ihr
Patrik-Ludwig Hantzsch