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Womit wachsen?
Unternehmen mit ambitionierten Expansionsplänen schauen sich regelmäßig nach Venture-Capital- und Private-Equity-Gesellschaften um. Doch die sind vorsichtiger geworden.

Jan Beuck ist jemand, den wohl viele Unternehmer gern kennenlernen möchten – er ist Investor. Der Hamburger ist als Gründer mehrerer PC- und Mobile-Games-Firmen reich geworden. Jetzt stattet der 45-Jährige junge wachstumsstarke Unternehmen mit Geld aus. So hat er vor zwei Jahren 1,5 Millionen Euro in die Firma Gamesright investiert, die von illegalen Glücksspielanbietern das von Teilnehmern verlorene Geld zurückfordert. „Ich unterstütze Gamesright, weil ich den Unternehmenszweck gutheiße“, erklärt Beuck sein finanzielles Engagement. „Außerdem ist das Management erfahren und das Geschäftspotenzial enorm.“ Denn sollte die Legal-Tech-Firma mit ihrer derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Klage gegen den Sportwettenanbieter Tipico erfolgreich sein, kämen auf die Wettbranche, so Beuck, „nach Expertenschätzungen Rückzahlungen an die Spieler von 20 bis 40 Milliarden Euro zu“.
Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) suchen Kapital. Zwar glänzt der deutsche Mittelstand laut KfW-Panel aktuell mit einer Eigenkapitalquote von fast 31 Prozent (2000: 11,9 Prozent), was die Abhängigkeit von Banken reduziert, die finanzielle Stabilität verbessert und Fremdkapital verbilligt. Trotzdem schauen sich Unternehmen mit ambitionierten Expansionsplänen immer wieder um nach Venture-Capital-Gesellschaften (VC) und Private-Equity-Gesellschaften (PE). 2024 bekam, so der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK), jedes Fünfte der 850 Unternehmen, die mit frischen Eigenmitteln ausgestattet wurden, diese für geplante Wachstumsschritte. Die Gesamtbeteiligungssumme 2024: 2,4 Milliarden Euro (2023: 2,3 Milliarden Euro). Für BVK-Vorstandssprecherin Ulrike Hinrichs „ein Indiz für stabile Nachfrage nach Wachstumskapital im Mittelstand“. Allerdings: In den ersten beiden Quartalen 2025 nähten viele Investoren ihre Taschen immer weiter zu. Sie sind vorsichtiger geworden, die Zahl der Mittelstandsfonds ist gesunken. Folge: Es gibt hierzulande derzeit weniger neues Kapital für KMU-Finanzierungen.
VC- und PE-Gesellschaften vergeben Eigenkapital gegen Anteile am Unternehmen. Vorteil für den Betrieb: Es fallen weder Zinsen noch Tilgung an. Neben Kapital bringen die Investoren in der Regel strategisches Know-how ein und unterstützen das Management etwa durch Kontakte in ihr Netzwerk. Das ist nicht Altruismus, sondern Mittel zum Zweck, um die Unternehmensexpansion voranzutreiben. Obwohl die Investitionsbereitschaft im deutschen Mittelstand derzeit niedrig ist – einer Creditreform-Studie zufolge planen aktuell nur rund 40 Prozent neue Investments –, gibt es drei Wachstumsfelder. Das erste Feld ist die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und -modellen: Software, Automatisierung und Industrie 4.0 ermöglichen Effizienzsteigerungen und neue Produkte. Im Fokus aktuell: Künstliche Intelligenz und Data Analytics.
Wachstumstreiber Nachhaltigkeit
Ebenfalls auf Investoreninteresse stoßen zum Zweiten Betriebe, die an umweltfreundlichen Technologien, energieeffizienten Prozessen oder nachhaltigen Wertschöpfungsketten arbeiten. „Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Wachstumstreiber“, erläutert Ulrike Hinrichs. „Unternehmen mit ClimateTech-Lösungen beispielsweise ziehen verstärkt Kapital an.“ Holger Clemens Hinz, Präsidiumsmitglied des Interessenverbands Kapitalmarkt KMU, registriert gestiegene Aufmerksamkeit auch an Infrastrukturtechnologie wie Batteriespeichersystemen, „weil sie als Schlüssel für das Gelingen der Energiewende gelten“.
Dritter Wachstumsbereich, den Geldgeber mögen: Erschließung neuer Märkte und Internationalisierung. Hinrichs: „Für Expansionen, mit denen neue Zielgruppen erschlossen werden, bringen Beteiligungsgesellschaften in der Regel gerne Kapital und Expertise ein.“ Jan Beuck bestätigt das: „Noch unentdeckte Schätze zu finden und zu heben ist interessanter und verspricht höhere Gewinne, als sich auf Feldern zu betätigen, auf denen schon lange viele andere agieren.“
Ein interessantes Wachstumssegment allein aber reicht nicht, um als KMU einen Investor vor den geschäftlichen Traualtar zu ziehen. Die BVK-Vorstandssprecherin: „Der strategische Fit zwischen Unternehmen und Beteiligungsgesellschaft – Branche, Business Model, Wachstumsstrategie – muss zusammenpassen.“Attraktiv seien für Investoren Unternehmen mit „einem skalierbaren Geschäftsmodell und einem erfahrenen Managementteam mit klarer Vision und transparentem Reporting“. Außerdem werde auf die digitale Reife und die Innovationskraft geschaut. Und auf die zentralen KPIs (Key Performance Indicators), also Kennzahlen wie etwa CAC (Customer Acquisition Cost), die angibt, wie viel Geld in Marketing und Vertrieb für eine Neukundengewinnung gesteckt werden muss, oder NPS (Net Promoter Score), mit der gemessen wird, wie wahrscheinlich es ist, dass Kunden das Produkt oder die Dienstleistung weiterempfehlen. Early-Stage-Investor Beuck, der neben 33 Prozent an Gamesright auch knapp 40 Prozent an Insocial Media und 10 Prozent an der Filmproduktionsfirma Dropkick Pictures hält: „Je klarer und nachvollziehbarer ein Unternehmen seine Kennzahlen präsentiert, desto größer sind die Chancen, einen Investor zu überzeugen.“
Auch weiche Faktoren zählen
Ulrike Hinrichs betont, dass neben Hardfacts weiche Faktoren wie Vertrauen, Offenheit für partnerschaftliche Zusammenarbeit und externe Expertise „oft ausschlaggebend für einen Investmentzuschlag sind“. Außerdem schauten sich Investoren an, ob das infrage kommende Unternehmen auch eine klare Exit-Perspektive hat. Schließlich wollen sie nicht ewig an Bord bleiben.
Wachstumsgelder können KMU sich auch bei den regional tätigen Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften besorgen. Sie geben insbesondere für Existenzgründungen, Innovationen und Unternehmensnachfolgen Beteiligungsbeträge schon ab 50.000 Euro – und dem Eigentümer das Versprechen, Herr im eigenen Haus zu bleiben. Von den Betrieben erwarten sie dafür „fachliche und kaufmännische Qualifikation des Firmenchefs, ein überzeugendes Unternehmenskonzept sowie geordnete wirtschaftliche Verhältnisse“. Holger Zervas, Geschäftsführer der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein, die aktuell 570 Unternehmen mit insgesamt knapp 148 Millionen Euro ausgestattet hat, darunter mehrfach das Ratzeburger E-Commerce-Unternehmen BEMS Ventures: „Uns müssen das Management und das Geschäftsmodell überzeugen.“ Bei Startups frage man sich in seinem Haus aktuell immer, „ob auch die nächsten Finanzierungsrunden von Investoren geschlossen werden können“.
Ein solcher Investor ist der High-Tech Gründerfonds mit einem durchschnittlichen Erstinvestment von 865.000 Euro. Die Erwartungshaltung: Es muss erkennbar sein, „welches Problem gelöst wird, wie groß der Markt ist und wie er wächst“, so Geschäftsführerin Romy Schnelle. Wichtig seien zudem eine „solide Runway-Planung, nachvollziehbare Meilensteine und erste Marktindikatoren, die zeigen: Hier wird ein echtes Bedürfnis adressiert“. Rote Flaggen seien leichtsinniger Umgang mit Kapital und die Firmenbehauptung, es gebe keinen Wettbewerb. Ein gestandener Mittelständler sei attraktiv, „wenn er offen auf Neues zugeht und Lust hat, Innovationen aktiv mitzugestalten.“
Und umgekehrt? Was erwarten KMU von Finanzpartnern? Sie schauen nicht nur aufs Geld. Beispiel: die Ingolstädter Meistro-Gruppe (110 Mitarbeiter). Sie versorgt Firmen mit Strom und Gas, vermarktet erneuerbare Energien und entwickelt Photovoltaikanlagen, Speicher und Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme. Außerdem bietet sie Energieberatung zur Kostensenkung und setzt auf digitale Tools für transparente Verbrauchskontrolle. Das oberbayerische Unternehmen befindet sich derzeit in Gesprächen mit strategischen Investoren, „die unser Wachstum perspektivisch begleiten wollen“, so Geschäftsführer und Co-CEO Niels Keunecke. „Für uns ist entscheidend, dass unsere Investoren nicht nur frisches Kapital einbringen, sondern auch strategische Unterstützung und Expertise in möglichst vielen Geschäftsbereichen.“ Man müsse gemeinsame Werte und Ziele haben, wolle man nachhaltig wachsen und Erfolg haben. Ein weiteres Auswahlkriterium für Keunecke ist „die langfristige Vision des Investors“. Gestandene Mittelständler wie Meistro zielten „nicht auf kurzfristige Effekte ab, sondern auf eine dauerhafte solide Zusammenarbeit“.
Was bei Investoren gefragt ist
Die drei größten Investitionssummen gingen EY zufolge im vergangenen Jahr an das Münchner Softwareunternehmen Helsing (450 Millionen Euro), die Kölner Transkriptionssoftware DeepL (277 Millionen Euro) und die Aachener Chipfirma Black Semiconductor (250 Millionen Euro). Helsing hat sich auf den Einsatz von KI in der Rüstung spezialisiert, DeepL will der präziseste Übersetzer der Welt sein, und Black Semiconductor will eine effizientere Chipgeneration mit einer innovativen Kommunikationsschnittstelle produzieren.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann
Bildnachweis: Getty Images
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