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Schulden: Vertrauensbruch statt Straßenbau

Die Wirtschaft setzte viel Hoffnung auf das „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität“ (SVIK), das im März noch vom alten Bundestag beschlossen wurde. Nun zeigt sich: Es gibt da ein paar Hürden.

Das noch in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Sondervermögen hat es sogar ins Grundgesetz geschafft: „Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Mrd. Euro errichten“, heißt es in Artikel 143h. Im Juli brachten die Fraktionen der CDU/CSU und SPD dazu den Entwurf eines „Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität“ in den Bundestag ein. Es wurde am 30.09.25 verabschiedet und trat am 02.10.25 in Kraft. So weit, so gut. 

Begeisterung entfacht das Sondervermögen allerdings nicht. Denn: Es geht mit weiteren Schulden einher. So heißt es in einer Pressemitteilung der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (DIW Berlin, ifo Institut, Kiel Institut für Weltwirtschaft, IWH, RWI) vom 25. September: „Zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz nutzt die Bundesregierung erweiterte Verschuldungsregeln. Daraus ergeben sich in den kommenden Jahren Impulse – allerdings mit Einschränkungen: Erstens fließen Mittel, etwa für Bau- und Rüstungsprojekte, wegen langer Planungs- und Vergabezeiten langsamer ab als im Haushalt vorgesehen. Zweitens dienen Kredite auch dazu, eine eigentlich fällige Konsolidierung zu vermeiden. Drittens entsteht 2027 trotz der verschobenen Mittel aus den erweiterten Kreditmöglichkeiten ein erheblicher Konsolidierungsbedarf.“ Die Binnenwirtschaft komme zwar spürbar in Fahrt, allerdings würden die strukturellen Probleme nur kaschiert: Grundlegende standortstärkende Reformen würden ausbleiben.

Zusätzliche Verschuldung ist der eine grundlegende Kritikpunkt, ausbleibende Basis-Reformen der zweite. Doch dabei bleibt es nicht. Inzwischen zeichnet sich (Kritikpunkt Nr. 3) ab, dass es tatsächlich weniger zusätzliche Investitionen geben wird als erhofft, notwendig und versprochen. „Die Politik hält nicht ihr Versprechen, ausschließlich zusätzliche Investitionen mit dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität zu finanzieren“, beklagt etwa das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Mit dem Haushalt 2026 breche die Bundesregierung das Versprechen, dass die 500 Mrd. Euro „on top“ zum regulären Bundeshaushalt fließen und keine bestehenden Investitionen ersetzen sollen.

„Schweres Foulspiel“

Das IW legte dazu im September eine Analyse vor und belegt den Vorwurf an mehreren Beispielen. Für die Deutsche Bahn zum Beispiel seien aus dem SVIK 18,8 Mrd. Euro eingeplant. Gleichzeitig sinken die Schieneninvestitionen im Bundeshaushalt um 13,7 Mrd. Euro. Rechnet man die Eigenkapitalerhöhung der DB heraus, hätte sich die Regierung 8,2 Mrd. Euro Spielraum im Haushalt verschafft. Beispiel Nr. 2: die dringend notwendige Sanierung der Autobahnbrücken. Dafür sollen 2026 aus dem SVIK 2,5 Mrd. Euro fließen. Gleichzeitig würden die Investitionen für Bundesfernstraßen im Kernhaushalt um 1,7 Mrd. Euro gegenüber 2024 gekürzt. Ähnliches gilt laut IW für den Breitbandausbau und für Krankenhäuser.

Allein bei der Verkehrsinfrastruktur verschafft sich die Bundesregierung der Analyse zufolge einen Haushaltsspielraum von 10 Mrd. Euro. Dieses Geld muss die Koalition nicht an anderer Stelle einsparen. Das IW moniert zudem, dass das volle Ausmaß dieser Praxis im Dunkeln bleibt, weil sich die Verschiebung der Ausgaben zwischen Kernhaushalt, Sondervermögen sowie Klima- und Transformationsfonds schwer nachvollziehen lässt. „Die Bundesregierung verspielt mit diesem Vorgehen viel Glaubwürdigkeit“, sagte IW-Haushaltsexperte Tobias Hentze im September. „Statt neuer Brücken finanziert Deutschland mit dem Sondervermögen jetzt auch die Mütterrente. Das ist ein schweres Foulspiel.“

Auch der Bund der Steuerzahler Deutschland äußert scharfe Kritik: „Das Sondervermögen ist ein XXL-Verschiebebahnhof“, teilte der BdSt bereits im Juli mit. „Was als Investitionsoffensive verkauft wird, ist in Wahrheit ein schuldenfinanzierter Schattenhaushalt. Wer auf diesem Weg Wachstum verspricht, hat aber auf Sand gebaut“, betonte BdSt-Präsident Reiner Holznagel. „Wir sehen keine klaren Regeln für Effizienz und Priorität, sondern nur eine riskante Entgrenzung der Staatsausgaben.“

Es gibt auch andere Stimmen. Zu den prominenten Verteidigern des Sondervermögens gehört Jens Südekum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf und persönlicher ökonomischer Berater von Finanzminister Lars Klingbeil. Mit dem SVIK „wurden die Weichen für die größte Investitionsoffensive in der Geschichte der Bundesrepublik gestellt“, schrieb er im September in der FAZ. „Zwar gibt es einige berechtigte Einwände. Doch pauschal zu behaupten, das Geld werde gar nicht investiert, geht an der Realität vorbei“, heißt es in dem Beitrag. Er rechnet vor, dass bis zum Ende der Legislaturperiode 2029 zusätzliche Investitionen von insgesamt 164 Mrd. Euro angelegt seien. Von ebenso prominenter Stelle (Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts) kommt jedoch eine Widerlegung. Er legte Anfang Oktober in der Zeitschrift „WirtschaftsWoche“ dar, weshalb die Kritik an der Bundesregierung sehr wohl berechtigt sei.

Klar ist: Die Bundesregierung darf keinesfalls weiteres Vertrauen von Wirtschaft und Gesellschaft verspielen. Sie muss den Haushalt konsolidieren. Sie muss aber auch investieren – und zwar in großem Maßstab. Damit Deutschland wieder wettbewerbsfähig wird, braucht es zahlreiche Impulse, darunter unbedingt Investitionen in eine zeitgemäße Infrastruktur, aber auch und endlich echte Reformen und Bürokratieabbau. Vorschläge dafür liegen genügend auf dem Tisch. Es braucht keine weiteren Kommissionen, sondern beherztes Anpacken.

Quellen:
www.diw.de
www.faz.de
www.iwkoeln.de
www.steuerzahler.de
www.wiwo.de



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