Treiber für bessere Entscheidungen
Das Berufsbild „Financial Business Partner“ geht weit über das des Controllers hinaus. Der Finanzverantwortliche arbeitet eng mit dem Management zusammen und legt ihm Zahlen und Zusammenhänge so dar, dass daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet werden können.

Entschuldigung – als was arbeiten Sie noch mal? Diese Frage dürfte der einen oder anderen Fachkraft schon mal gestellt worden sein. Zehn Prozent der weltweit eingestellten Fachkräfte verfügen laut aktuellem „Work Change Report“ des Business-Netzwerks LinkedIn über Stellenbezeichnungen, die es im Jahr 2000 noch nicht gab. Der Financial Business Partner (FBP) zählt zu den neueren Stellenbezeichnungen. Damit gemeint sind Finanzexperten, die aufgrund ihrer besonderen Stellung Sparringspartner für die Führungsebene sind. Aus gutem Grund: „Die Transformation verlangt von Unternehmen schnellere Entscheidungsfindung. Es müssen mehr Entscheidungen in kürzerer Zeit in einem komplexeren Umfeld getroffen werden“, sagt Martin Graumann, Partner bei EY.
In einer modernen Geschäftswelt geht es heute darum, Entscheidungen von Anfang an zu begleiten. „Früher war es häufig so, dass eine Strategie vorbereitet wurde. Erst spät ist diese Information in die Finanzorganisation gelangt. Dabei kamen die Bewertung der finanziellen Implikationen und die Prognosefähigkeit zu kurz“, sagt Graumanns Kollege Gerd Winterling, ebenfalls Partner bei EY. Damit eine Begleitung gelinge, müssten die Kernpunkte des Financial Business Partnering erfüllt sein. „Dazu gehört es, als Partner des Business aufzutreten und ein klares Verständnis vom Geschäftsmodell und von der strategischen Positionierung zu haben“, sagt Winterling. Auch die Fähigkeit, Daten mithilfe von Algorithmen und KI zu nutzen, um Entscheidungen vorzubereiten, abzusichern und zu bewerten, sei wichtig.
Strategie trifft Finanzexpertise
Entscheidungen von Anfang an zu begleiten – das war der Grund, warum der Genossenschaftsbund Migros in Zürich eine Financial-Business-Partnering-Struktur etabliert hat. „Wir haben das Financial Business Partnering eingeführt, weil die Finanzfunktion früher oft zu spät bei Entscheidungen eingebunden wurde und finanzielle Analysen nicht immer präzise genug waren. Sie basierten auf diesen schwachen Grundlagen, und Prognosen trafen nicht wie geplant ein“, sagt Olivier Vogel, COO Operations. „Mit dem neuen Modell sind Business Partner nun feste Mitglieder der Führungsteams. Sie agieren als Sparringspartner der Abteilungsleitung, bringen Finanzexpertise ein und stellen sicher, dass Entscheidungen nun immer mit einer adäquaten finanziellen Begutachtung gefällt werden“, so Vogel.
Wie es bei Migros war, so ist es noch heute bei vielen anderen Unternehmen: Controller sind oft nicht Teil des Führungsteams und daher unzureichend informiert. „Ohne diese Informationen können sie keinen wertschöpfenden Beitrag leisten, was dazu führt, dass sie vom Business nicht geschätzt und nicht in Entscheidungen eingebunden werden“, sagt Vogel. Was also braucht es für die Einführung? „Zunächst muss geklärt werden, was das Business für seine strategischen Entscheidungen an Unterstützung aus dem Finanzbereich braucht“, so Graumann. Dann müssen die Aufgaben der Finanzfunktion entsprechend zugeschnitten werden. Zuletzt gehe es darum, das Skill- und Mindset der FBP so zu verändern, dass sie ihre Rolle als Serviceprovider für das Business ausüben können. „Die wichtigste Änderung liegt im Selbstverständnis“, sagt Graumann.
Eine Storyline für Entscheidungen
Und wie wird aus einer zahlen- und reportingorientierten Einheit eine mitsteuernde Einheit, die bei jeder Investition mit am Tisch sitzt? Dafür wurden bei Migros drei wichtige Weichen gestellt. Erstens hat Vogel die Financial Business Partner fest ins Führungsteam integriert. Zweitens hat er ihnen das Geschäftsmodell genauestens erklärt. Und drittens hat er eine unterstützende FBP-Community aufgebaut, um die Rolle der FBPs als unverzichtbare Partner zu stärken. Die Financial Business Partner übernehmen eine bedeutende Rolle, „die ihnen Stolz und Motivation verleiht, ihre Aufgaben erfolgreich anzugehen“. Die Führungsteams wiederum profitieren von der Entlastung und dem geballten Know-how der FBP-Community und sehen die Finanzabteilung nicht mehr nur als „Challenger“, sondern als „Enabler“.
Auch der Bielefelder Bauzulieferer Schüco setzt auf Financial Business Partnering. Michael Ziemer ist Senior Vice President Group Controlling & Shareholding Management. In seiner Funktion als Financial Business Partner verantwortet er das FBP-Team, zu dessen Aufgabenbereich es gehöre, „die Cases zu prüfen, die Investitionsentscheidungen zu hinterfragen, aber auch die Kommunikation auf- und vorzubereiten, falls es zu einer Entscheidung kommen soll“, sagt Ziemer. Dabei bleibe es nicht aus, dass diese Experten auch mal den Finger in die Wunde legen müssen. „Wir setzen deshalb auf ein integriertes Modell mit individueller Kommunikation, um die verschiedenen Führungskräfte nicht in erster Linie mit Zahlen, sondern mit einer nachvollziehbaren Storyline und gemeinsamer Diskussion zu überzeugen“, so Ziemer.
FBP-System: Vor- und Nachteile
Dieses „stakeholderorientierte Adressieren von Themen und Entscheidungen“, wie FBP Ziemer es nennt, macht diesen Beruf so vielfältig. Der Schüco-Chefcontroller legt bei der Zusammenstellung des Teams großen Wert darauf, dass es sich um Fachleute handelt, die nicht nur bei den Zahlen fit sind, sondern ein ganzes Set aus Kompetenzen mitbringen: Kommunikationsstärke ist wohl die wichtigste. Aber auch Seniorität, Resilienz, Selbstbewusstsein – und manchmal auch ein dickes Fell – gehören dazu. „Die geschaffene Transparenz ist nicht immer bequem, weil Vorhaben aus dem Business plötzlich hinterfragt werden“, sagt EY-Partner Graumann.
Unter dem Strich ziehen sowohl Vogel als auch Ziemer ein positives Fazit. Beide finden, dass das System ein Gewinn für das Unternehmen ist, verhehlen jedoch nicht, dass diese Organisationsform auch Nachteile mit sich bringt. „Sie ist teurer, da FBPs ein höheres Salär als Controller erhalten“, so Vogels Einschätzung. Doch die Resultate würden die Mehrkosten rechtfertigen. Auch sei die Rekrutierung anspruchsvoller, da ein FBP ins Führungsteam passen müsse. „Doch überzeugt die richtige Person, ist das Buy-in des Business gesichert“, sagt Vogel. „Zudem verbringen FBPs viel Zeit beim Business, wodurch ich mein Team seltener sehe und dadurch mein Abstimmungsaufwand mit den FBP steigt“, so der Migros-Manager. Mit modernen Tools und etablierten Arbeitsweisen lasse sich das aber gut managen.
Obgleich vor allem große Mittelständler und Konzerne das Business-Partnering-Modell inzwischen eingeführt haben, ist es nach Einschätzung der EY-Experten für jedes Unternehmen geeignet. „Häufig wird es bereits praktiziert, auch wenn diese Rolle nicht so heißt und die Aufgaben in Personalunion durchgeführt werden“, sagt Winterling. Besonders gut gelinge das, wenn im Unternehmen Buchhalter und Controller sind, die über ein tiefes Geschäfts- und Finanzverständnis verfügen. „Der Organismus funktioniert dann am besten, wenn man miteinander redet, und das ist ja Kern dieser Rolle“, so Graumann. Damit zusammen bessere Entscheidungen entstehen.
Schritt für Schritt zum Systemwechsel
Fünf Tipps für die Einführung eines Financial-Business-Partnering-Systems von Olivier Vogel, Leiter Operations Management & Operations, Migros-Genossenschafts-Bund, Zürich.
1. Rückhalt der Führung:
Die Leitung des Führungsteams muss den Ansatz aktiv unterstützen – sonst scheitert die Zusammenarbeit.
2. Vertrauen aufbauen:
Alle Beteiligten, inklusive des FBP, müssen klar am gemeinsamen Erfolg arbeiten.
3. Die richtige Person wählen:
Die Rolle geht weit über die Zahlenanalyse hinaus – Kommunikationsstärke und strategisches Denken sind zentral.
4. Überzeugend vermitteln:
Ein FBP muss finanzielle Zusammenhänge so darlegen, dass daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet werden können.
5. Neurekrutierung erwägen:
Oft ist es sinnvoller, neue Talente für die Rolle zu gewinnen, statt bestehende Controller einfach umzubenennen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Lisa Priller-Gebhard
Bildnachweis: Getty Images
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