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Berufsende und Konsum: Altersarmut und junge Überschuldung steigen drastisch

Die Überschuldung in Deutschland nimmt zu. Besonders deutlich ist der Anstieg der Fälle bei jungen und älteren Menschen. Bei Jüngeren spielen dabei Internet-Einkäufe eine wichtige Rolle.

Wer einen Kredit für ein Haus oder ein neues Auto aufnimmt oder online auf Rechnung bestellt, wird zum Schuldner. Aber das heißt noch lange nicht, dass man überschuldet ist. Solange die nötigen Mittel vorhanden sind, um die fälligen Raten abzubezahlen, ist alles im grünen Bereich. Erst wenn das nicht mehr so ist und eine fällige Forderung nicht beglichen werden kann, beginnt der Prozess der Überschuldung.

In Deutschland nimmt die Überschuldung derzeit wieder zu. Wie der im November vorgelegte „SchuldnerAtlas Deutschland 2025“ von Creditreform zeigt, nimmt dabei die Zahl überschuldeter junger (bis unter 30 Jahre) und älterer Personen (über 60 Jahre) überdurchschnittlich stark zu, was sich zudem aus einem stärkeren Zuwachs von sogenannten „harten“ Fällen, also solchen mit juristischer Dimension, speist.

Jüngere: Schulden bei Online- und Versandhändlern

Zwar kommt auch 2025 die besonders wirtschaftsaktive Gruppe der 30- bis 39-Jährigen mit 13,39 Prozent auf die höchste Überschuldungsquote aller Altersgruppen. Die Überschuldungsquote der Personengruppe unter 30 Jahren erreicht 2025 lediglich den Wert von 6,95 Prozent. Aber: Sie nahm bereits zum dritten Mal in Folge zu und weist 2025 den stärksten Anstieg nach Alter auf: plus 0,19 Prozentpunkte. Dabei stieg die Zahl der Fälle mit hoher Überschuldungsintensität stärker als die Fälle mit geringer Überschuldungsintensität.

Diese Daten zeigen die Folgewirkungen der „Buy now, pay later“-Angebote durch Zahlungsdienstleister im Online-Handel. Diese zielen vor allem auf jüngere, besonders internet- und konsumaffine Zielgruppen. Nicht wenige junge Menschen sind offensichtlich in die harte Überschuldungsspirale „gerutscht“. Oft wird die Bezahlfrist übersehen, die Betroffenen erhalten dann Zahlungserinnerungen und Mahngebühren. Davon sind mehr junge Männer als junge Frauen betroffen. Zudem liegt die Wohnkostenbelastung bei Studierenden und Auszubildenden deutlich über dem Durchschnitt.

Dies deckt sich mit aktuellen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Laut einer Destatis-Mitteilung vom 17. November hatten 40 Prozent der 20- bis 24-Jährigen, die im Jahr 2024 Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchten, Schulden bei Online- und Versandhändlern. Mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil kontinuierlich ab: Während bei den 25- bis 34-Jährigen noch 37 Prozent entsprechende Zahlungsrückstände aufwiesen, lag der Anteil bei den 55- bis 64-Jährigen laut Destatis bei 23 Prozent.

Steigende Lebenshaltungskosten setzen älteren Menschen verstärkt zu

Den zweitstärksten Zuwachs der Überschuldungsfälle zeigt laut „SchuldnerAtlas Deutschland 2025“ die Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen. Sie stiegen um 3,4 Prozent an. Bei den über 70-Jährigen nahmen die Fälle sogar um 5,7 Prozent zu.

Derzeit müssen über 420.000 Menschen ab 70 Jahren als überschuldet eingestuft werden. Der Anstieg der Überschuldungsfälle in dieser Altersgruppe bleibt im Langzeitvergleich von 2013 bis 2025 mit einem Plus von rund 280 Prozent hoch. Nur 2020 wurden mehr überschuldete ältere Menschen gezählt als 2025. Die aktuelle Entwicklung ist trotz zwischenzeitlichen Rückgängen in den Vorjahren besorgniserregend und weiterhin aufmerksam zu beobachten, auch unter dem Aspekt der Altersarmut. Dies auch deshalb, weil sich die Gesamtzahl aller überschuldeten Personen im gleichen Zeitraum um rund 14 Prozent verringert hat.

Während Jüngere also vor allem durch Konsum, Kredite und Onlinekäufe ins Straucheln geraten, leiden ältere Menschen zunehmend unter steigenden Lebenshaltungskosten und begrenzten Renteneinkommen. Wir erleben eine neue Zweiteilung der Überschuldung: Die Jungen stolpern über Konsumverhalten, die Älteren über strukturelle Knappheit. Beide Gruppen haben kaum Spielraum, wenn unvorhergesehene Ausgaben kommen.

Neue Gesetze sollen Verbraucher besser schützen

Wie es der Zufall will, nahm der Bundestag am selben Tag, an dem Creditreform der Öffentlichkeit den aktuellen „SchuldnerAtlas“ vorstellte, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten an. Mit dem Gesetz über den Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten für Verbraucher werden Vorgaben der EU-Verbraucherkreditrichtlinie 2023/2225 in deutsches Recht umgesetzt. Ziel ist es, Verbraucher mit finanziellen Problemen oder drohender Überschuldung frühzeitig zu unterstützen und den Zugang zu kostenloser, unabhängiger Beratung sicherzustellen. Die Länder werden verpflichtet, ein ausreichendes Netz an Schuldnerberatungsstellen zu gewährleisten. Die Anbieter müssen unabhängig von Kreditwirtschaft oder Inkassounternehmen sein. Zulässig sind vor allem gemeinnützige Träger, zum Beispiel Wohlfahrtsverbände oder Verbraucherzentralen.

Außerdem kommt bald ein „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge“. Es sieht unter anderem eine strengere Regulierung von Ratenkauf-Angeboten im Internet vor – den sogenannten „Buy now, pay later“-Diensten. Bisher gab es keine klaren gesetzlichen Regeln, künftig sollen auch zinsfreie Kleinstbeträge unter 200 Euro als echte Verbraucherkredite gelten. Laut dem Gesetzentwurf müssen Anbieter die Kunden in Zukunft umfassender über entstehende Kosten informieren. Außerdem wird auch bei Beträgen unter 200 Euro eine Prüfung der Kreditwürdigkeit nötig. Wer über eine schlechte Bonität verfügt, kann dann nicht mehr so leicht „Buy now, pay later“-Angebote nutzen.

Quellen:
www.bmjv.de
www.bundestag.de
www.creditreform.de
www.destatis.de
ttps://www.ra-kotz.de/buy-now-pay-later-neue-rechte-regeln-ab-2025.htm
ttps://www.merkur.de/verbraucher/wird-schwieriger-aenderung-bei-paypal-klarna-auf-pump-kaufen-94003259.html
ttps://www.vzbv.de/pressemitteilungen/verbraucherzentrale-fordert-klare-regeln-fuer-faire-verbraucherkredite