Steigende Staatsquote – das steckt dahinter
Die Staatsausgaben in Deutschland sind 2024 auf eine Staatsquote von 49,5 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr ist dies ein weiterer Zuwachs von 1,1 Prozentpunkten – 2023 lag die Staatsquote noch bei 48,4 Prozent. Dieser Anstieg ist nicht dramatisch, liegt er doch nur um 2,2 Prozentpunkte über dem langjährigen Durchschnitt seit 1991. Doch nähert man sich einem Wert, der an den Ausspruch von Helmut Kohl denken lässt: „Bei 50 Prozent Staatsquote beginnt der Sozialismus“.
Das Statistische Bundesamt, das diese volkswirtschaftliche Kennzahl ausweist, nennt auch die Gründe: Es spricht davon, dass der aktuelle Anstieg vor allem auf die deutlich gestiegenen monetären Sozialleistungen zurückzuführen sei. Dabei geht es um höhere Ausgaben für die Renten, die Pflege und das Bürgergeld. Überdurchschnittliche Staatsausgaben wurden in den letzten 35 Jahren 1995 und 2020/2021 erreicht. Mitte der 90er-Jahre waren die Schulden der Treuhandanstalt unter die Staatsausgaben gefallen, in den beiden Corona-Jahren waren es die Verteilung und Beschaffung von Impfstoffen sowie die Wirtschaftshilfen, die für Quoten von 55,2 bzw. 51,1 und 50,7 Prozent sorgten.
Nicht nur Soziales
Aber es geht bei der Staatsquote und den Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden nicht nur um den Sozialbereich. Der Staat ist auch zuständig – und gerade das ist aktuell ein großes Thema – für den Ausbau der Infrastruktur, für den Verkehrsfluss, für Rüstung und Verteidigung. Die Staatsquote wird bestimmt durch das Verhältnis vom Bruttoinlandsprodukt zu den Ausgaben der öffentlichen Stellen. Dabei geht es aber nicht nur um die Quote, sondern auch um absolute Zahlen. 2024 wurden mehr als 2 Bill. Euro ausgegeben. Das Statistische Bundesamt legt eine Kassenstatistik vor, bei der die Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden. So gaben die öffentlichen Haushalte 2024 7,1 Prozent mehr Geld aus als 2023, nahmen durch Steuern und Abgaben aber auch 6,8 Prozent mehr ein. Auch hier in absoluten Zahlen gigantische Werte: Die Einnahmen betrugen 1,98 Bill. Euro, die Ausgaben lagen bei 2,08 Bill. Damit schlossen die Haushalte und die Sozialversicherungen mit einem Defizit von über 100 Mrd. Euro – das sind fast 13 Mrd. mehr als 2023 – ab. Das Defizit war in den Haushalten der Länder und Gemeinden deutlich grösser als beim Bund. Bei den Kommunen hat sich das Defizit in der Finanzierung binnen eines Jahres auf 25 Mrd. Euro fast vervierfacht. Die Klagen der Kommunen sind bekannt. Angesichts allgemein steigender Kosten – etwa durch die Migration – tragen die Gemeinden eine Verantwortung, der sie finanziell kaum nachkommen können.
Die Kosten des Alters
In der Diskussion befinden sich besonders die Sozialausgaben. Hier sind auch die höchsten Steigerungen zu erwarten. Die Sozialversicherungen werden umlagefinanziert, Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich den finanziellen Aufwand. Vor allem die Kranken- und die Pflegeversicherung werden teurer. Dies hängt zum einen mit der steigenden Lebenserwartung, zum anderen mit dem medizinischen und technologischen Fortschritt zusammen. Die Überalterung sorgt aber nicht nur gerade in der Pflegeversicherung für einen wesentlich höheren Aufwand, sondern schafft auch Probleme bei der Rente. Grundsatz ist bei beiden das Umlageprinzip. Doch davon hat man sich längst weit entfernt. Bei der Pflegeversicherung gibt es einen hohen Eigenanteil, der im stationären Bereich durchaus 2.500 bis 3.000 Euro beträgt. Und angesichts der in Rente gehenden Baby-Boomer können auch die Rentenzahlungen nicht mehr durch die arbeitende Bevölkerung gedeckt werden und brauchen Steuerzuschüsse, die bereits jetzt bei rund 130 Mrd. Euro im Jahr liegen. Anders als bei den Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur, die aktuell auch viel Geld kosten, ist in der Sozialversicherung kein Ende der fortschreitenden Entwicklung abzusehen.
Bei den Staatsausgaben darf man nicht vergessen, dass diese nicht einfach den Werten, die durch die Bürger mit ihrer Arbeit geschaffen werden, gegenübergestellt werden sollten. Diese Ausgaben schaffen auch wieder Arbeitsplätze sowie Konsum und sind nicht bloß Wohltaten für die Bezieher der Leistungen. In der Wissenschaft wird die Höhe der Staatsquote kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird das Beispiel der skandinavischen Länder mit einer hohen Staatsquote, aber eben auch einem kräftigen Bruttoinlandsprodukt und allgemeinem Wohlstand genannt. Auf der anderen Seite steht der Hinweis, dass durch die Abgaben und Steuern jede wirtschaftliche Aktivität der Bürger erstickt werden würde.
Die Lösungen sind bekannt
Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist Deutschlands Staatsquote im Mittelfeld angesiedelt. Während sie in Finnland, Frankreich und Österreich bei rund 57 Prozent liegt, kann Irland mit 23,5 Prozent auf die niedrigste Staatsquote verweisen. Allerdings hat Irland auch nicht zuletzt durch die internationalen Tech-Konzerne, die hier steuerliche Vorteile im europäischen Vergleich genießen, besondere Zuwächse beim BIP.
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Dr. Joachim Nagel, hat in einer Rede zu den Anforderungen an die Politik für mehr wirtschaftliches Wachstum skizziert, was für eine Verringerung der öffentlichen Ausgaben zu tun wäre. Er spricht davon, das Arbeitsangebot zu erhöhen und nicht einfach die Sozialausgaben zu beschneiden – obwohl auch dies ist eine Option darstellt. Ihm geht es darum, die Arbeitszeit von Teilzeitkräften zu erhöhen, die Migration arbeitsmarktorientiert aufzustellen, Arbeitsanreize für Bürgergeld-Empfänger zu verbessern und schließlich auch Erwerbsanreize für Ältere und Rentner zu schaffen. Arbeitszeit zu erhöhen durch die Einrichtung einer ausgebauten Kinderbetreuung, Visa für qualifizierte Einwanderer schnell zu erstellen, die Maßnahmen um Schonfristen, Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse wieder stringenter aufzustellen und schließlich die Lebensarbeitszeit angesichts des Fachkräftemangels und gesunder Senioren zu verlängern.
Staatsausgaben sollten im Ziel strategisch ausgerichtet sein und nicht nur aktuelle Notlagen stopfen wollen.
Quellen: Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt, ZEW