6 Inkassomythen im Realitätscheck
Inkassodienstleister haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Was wirklich dahinter steckt und bei welchen Vorwürfen es sich um Inkassomythen handelt, lesen Sie hier.
Zum ArtikelPünktlichkeit ist eine Tugend. Beim Begleichen offener Rechnungen gilt das offenbar nicht mehr. Die Zahlungsmoral lässt nach, das zeigen aktuelle Analysen.
Die Energiekosten steigen ebenso wie die Kosten für Vorprodukte und Personal, hinzu kommen anhaltende Sorgen vor einer Rezession. All das hinterlässt Spuren und wirkt sich zunehmend auf die Zahlungsmoral von Unternehmen aus. Immer häufiger kommen Schuldner ihren Verpflichtungen nur noch verspätet nach. Im ersten Halbjahr 2022 verzeichneten Lieferanten und Kreditgeber im B2B-Geschäft einen durchschnittlichen Zahlungsverzug von 10,51 Tagen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Creditreform Wirtschaftsforschung auf Basis von etwa 3,9 Millionen Rechnungsbelegen aus dem Creditreform Debitorenregister Deutschland (DRD). Insbesondere in Industriebranchen wie Chemie/Kunststoffe und Metall/Elektro zahlten Debitoren ihre Rechnungen mit zunehmender Verspätung. Zugespitzt hat sich die Situation auch im Baugewerbe, wo traditionell der längste Zahlungsverzug registriert wird. Dort erhöhte sich die Verzugsdauer auf 15,10 Tage.
Ganz gleich ob Kleinunternehmen, Mittelständler oder Großkonzern: Unternehmen aller Größenklassen ließen ihre Gläubiger und Kreditgeber zuletzt länger und über das gesetzte Zahlungsziel hinaus auf den Geldeingang warten. Besonders Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden strapazierten die Geduld ihrer Geschäftspartner und zahlten mit einer Verzögerung von 12,08 Tagen.
Experten rechnen damit, dass die Zahlungsmoral in den kommenden Monaten weiter nachlässt. Viele Unternehmen haben mit erheblichen Kostensteigerungen zu kämpfen, die Ertrag und Liquidität belasten. Das lässt erwarten, dass sie aufgrund eigener finanzieller Engpässe häufiger Zahlungsziele überschreiten werden. Kreditgeber müssen künftig also damit rechnen, dass Zahlungen auch komplett ausbleiben können, während das Volumen offener Rechnungen weiter steigt.
Insgesamt ist der Wert überfälliger Rechnungen um 0,2 Prozent im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2021 gestiegen. In anderen Wirtschaftsbereichen ist das Rechnungsvolumen noch stärker gestiegen: Chemie/Kunststoffe verzeichnet eine Steigerung um 5,1 Prozent, Verkehr/Logistik um 12,9 Prozent und Grundstoffe um 13,0 Prozent.
Die Zahlungsmoral beschreibt die Fähigkeit und Bereitschaft eines Geschäftspartners, seine Zahlungsverbindlichkeiten bis zu deren Fälligkeit in voller Höhe zu erfüllen. Der Hinweis auf „Fähigkeit und Bereitschaft“ signalisiert bereits, dass es sehr unterschiedliche Gründe für einen Verzug geben kann. Grundsätzlich gilt jedoch: In Zeiten guter Konjunktur zahlen Unternehmen Rechnungen tendenziell pünktlich, weil sie aufgrund voller Auftragsbücher, hoher Umsätze und komfortabler Erträge dazu in der Lage sind. Dagegen gehen konjunkturell schwierige Phasen häufig einher mit Zahlungsverzögerungen und Forderungsausfällen.
Wenn ein Kunde mit großer Verzögerung oder schlimmstenfalls gar nicht zahlt, kann das auch dessen Vertragspartner in Zahlungsschwierigkeiten bringen. Im schlimmsten Fall droht ihm die Insolvenz. Dieses Risiko besteht vor allem für kleinere Betriebe, die häufig sehr stark von wenigen Kunden abhängig sind. Handwerker und kleinere produzierende Betriebe müssen Materialien oft vorfinanzieren. Das verstärkt den Druck, selbst liquide zu sein.
Aber auch wenn es nicht zum Äußersten – dem Totalausfall der Forderung – kommt, kann eine schlechte Zahlungsmoral den Handlungsspielraum des Auftragnehmers stark beschneiden: Ihm fehlen dann möglicherweise die Mittel, um Chancen für eine Ausweitung seines Geschäfts wahrzunehmen. Er muss Investitionen zurückstellen, auf Akquisitionen verzichten und kann seine Belegschaft unter Umständen nicht in dem Maße vergrößern, wie er das gerne möchte. Um dies auszugleichen, könnte er versuchen, seine Preise anzuheben – und so Gefahr laufen, an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
Gut möglich, dass Gläubiger, die übermäßig lange auf die Begleichung von Rechnungen warten, auch ihr eigenes Zahlungsverhalten anpassen müssen, weil es ihnen an Liquidität mangelt. Sie müssen auf Skonto verzichten und verlieren unter Umständen das bisher gute Standing bei ihren Kreditgebern. Im schlimmsten Fall kommt damit eine Kettenreaktion in Gang, die negative Folgen für eine ganze Branche hat.
Vor einem Vertragsabschluss empfiehlt es sich, die Bonität eines potenziellen Geschäftspartners unter die Lupe zu nehmen. Die Bonität ermöglicht eine klare Einschätzung der Kreditwürdigkeit. Für die Berechnung werden neben öffentlichen Daten vielfältige Informationen bewertet – unter anderem Branchenrisiken, Bilanzen, Zahlungsweisen, Umsätze, Krediturteile, Mitarbeiterzahl, Auftragslage oder Inkassodaten.
Wertvolle Hinweise liefert auch die Internetseite der deutschen Insolvenzgerichte sowie das elektronische Unternehmensregister.
Ist es um die Bonität eines Geschäftspartners eher schlecht bestellt, gilt es abzuwägen: Nehme ich die Möglichkeit eines Zahlungsverzugs oder gar eines Zahlungsausfalls in Kauf? Und falls Ja: Wie reduziere ich mein Risiko? Eine Möglichkeit wäre, nur gegen Vorkasse oder Sofortzahlung zu liefern. Ein Mittelweg könnte diese Variante sein: Lieferung gegen Anzahlung plus Rechnung mit verkürzter Zahlungsfrist.
Sobald sich das konjunkturelle Umfeld verschlechtert – und damit das Risiko von Zahlungsverzögerungen steigt – gehen Lieferanten und Kreditgeber dazu über, ihre Zahlungsziele deutlich zu kürzen.
So auch in der aktuellen Situation: Im ersten Halbjahr 2022 betrug das gewährte Zahlungsziel 29,80 Tage; in der zweiten Jahreshälfte 2021 waren es noch 30,71 Tage. Spürbar gekürzt wurden die Zahlungsziele zuletzt vor allem Rechnungsempfängern aus dem Einzelhandel sowie aus dem Metall- und Elektrogewerbe.
Zahlungsziel und Zahlungsverzug summieren sich zur sogenannten Forderungslaufzeit – also zu dem Zeitraum, der von der Zahlungspflicht bis zum Geldeingang vergeht. Das dauerte im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich 40,31 Tage.
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Die Prüfung der Bonität ist wichtig. Doch Creditreform kann noch präzisere Aussagen über das Zahlungsverhalten einzelner Unternehmen machen – und zwar basierend auf den Zahlungserfahrungen anderer Lieferanten und Kreditgeber. Wer weiß, wie pünktlich oder unpünktlich Kunden bei anderen Unternehmen zahlen, kann selbst weitere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.
Genau diese Zusatzinformationen liefert das Debitorenregister Deutschland (DRD), die größte Datenbank für Zahlungserfahrungen von Unternehmen in Deutschland. Das DRD beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Wer als Creditreform Mitglied seine eigenen Zahlungserfahrungen einspeist, profitiert branchenübergreifend von den Informationen der anderen Mitglieder. Er erhält Hinweise, welche Zahlungskonditionen ein Geschäftspartner bei anderen Lieferanten erhält, ob er seine Rechnungen pünktlich begleicht und welchen Stellenwert sein eigenes Unternehmen als Lieferant bei dem Kunden hat. Wer das DRD nutzt, erhält in regelmäßigen Abständen Auswertungen zu seinem eingelieferten oder bereitgestellten Kundenbestand. Eine optimale Risikoanalyse bildet zusätzlich die Ausfallrisiken ab und liefert wertvolle Informationen für das eigene Bankenrating.
Frank Firneisen (Vertriebsleitung und Kundenberatung bei Creditreform Oldenburg Bolte KG) und Reyno Thormählen (Geschäftsführer bei Hans Thormählen GmbH & Co. KG) beleuchten im Gespräch mit Jessica Springfeld (Handelsblatt Media Group) den Nutzen des Zahlungserfahrungspools "Debitorenregister Deutschland" in der Praxis.
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