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„Wollen kann man nicht lernen“

Kein deutscher Managementberater kennt die Chancen, Herausforderungen und Nöte deutscher Mittelständler besser als Hermann Simon. Der Erfinder des Begriffs „Hidden Champions“ blickt auf mehr als fünf Dekaden Beratungspraxis zurück. In seinem neuen Bestseller ‚‚Simon sagt!‘‘ schaut er trotz der „Polykrise“ optimistisch nach vorn. Dafür fordert er starke Wirtschaftsführer, die neben Mut vor allem eines mitbringen: Begeisterung.

Professor Simon, in Ihrer beratenden Funktion haben Sie Generationen von C-Levels kommen und gehen sehen. Wie gut sind die Frauen und Männer in den Leitständen heute aus Ihrer Sicht im historischen Vergleich?

Was direkt auffällt, ist das neue Erscheinungsbild. Ob Timotheus Höttges von der Deutschen Telekom oder Roland Busch von Siemens – Deutschlands C-Level ist heute durchweg schlank und sportlich. Früher waren etwa die Vorstände von Thyssen, RWE oder Karstadt meist breite, gesetzte Herren, die Zigarren rauchten. Sie führten ihre Firmen fast militärisch.
 

Und heute?

Heutige Topmanager sind in der Sache genauso hart, aber konzilianter im Ton. Ein großer Unterschied besteht auch in ihrer internationalen Denke und internationalen Erfahrung. Die Zeiten der Deutschland AG sind Geschichte.
 

Bedeutet dieses Plus an Internationalität in der Spitze automatisch bessere Führung?

Nein, nicht zwangsläufig. Die heutigen Manager sind überaus qualifiziert, was ihre Fachkenntnis angeht. Doch wo es meiner Beobachtung nach weiterhin viel Luft nach oben gibt, ist bei der Motivation der Beschäftigten. Kompetent in der Sache zu sein ist das eine. Das andere und viel Schwierigere ist es, seine Leute zu motivieren und zu begeistern. Führung ist die wichtigste aller Managementaufgaben. Auch beim Mut, das Ruder rumzureißen, hapert es bei deutschen Konzernen und mittelständischen Weltmarktführern. Das ist klar ein Umsetzungs-, kein Erkenntnisproblem.
 

Setzen die deutschen Managementhochschulen zu viel auf Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Co., aber zu wenig auf das Vermitteln von Mut und Führung?

So einfach ist das leider nicht. Mut und Führung lassen sich schwerlich per Vorlesung vermitteln. Es bleibt die große und wohl auf immer ungeklärte Frage: Warum folgen die Menschen dem einen, dem anderen aber nicht? Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse aus nunmehr fünf Jahrzehnten als Berater lautet: Wollen kann man nicht lernen. Merkwürdigerweise spielt dieses Thema in der weltweiten Managementliteratur kaum eine Rolle. Ich kenne nur zwei Titel, in denen das Wort „Wille“ auftaucht. Beide stammen von dem Gründer von McKinsey, Marvin Bower, den ich persönlich noch kennengelernt habe. Der eine heißt „The Will to Lead“, der andere „The Will to Manage“.
 

Wir leben in einer Zeit radikaler Umbrüche – wirtschaftlich wie geopolitisch. Gute und klare Führung scheint da das Gebot der Stunde zu sein …

Das unterstreiche ich voll und ganz. Wir leben in einer Zeit, die von fundamentalen Veränderungen geprägt wird. Angefangen beim Klimawandel und dessen Folgen für energieintensive Industrien über das Ende des Verbrenners und die Auswirkungen auf Deutschlands Autobranche bis hin zum Ukraine-Krieg und zur radikalen Zoll- und Wirtschaftspolitik von Donald Trump. In einer solchen Situation benötigen Unternehmen und unser gesamtes Land eine andere Art von Führung, als wenn es kontinuierlich aufwärts geht. Doch ich gehöre zugleich nicht zu denen, die sagen, heute sei alles schlimmer als früher. Wir hatten auch in den vergangenen 30 Jahren massive Krisen und Umbrüche: das Platzen der Internetblase, die Finanzkrise 2008/2009, die Migrationskrise, die Corona-Pandemie. Krisenmanagement ist längst Alltag im Leben jedes Managers. Es sollte uns in gewisser Weise beruhigen, dass wir es auch dieses Mal hinbekommen. Was dabei zählt, ist, in den großen Fragen klare Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen.
 

Ist das als Plädoyer zu verstehen für ein Durchregieren von oben?

Keineswegs. Wofür ich werbe, das ist das „Mission-oriented Leadership“. Von oben müssen richtungsweisende und eindeutige Entscheidungen kommen. Aber die Umsetzung sollte tunlichst den Mitarbeitern, die in den Teams und Märkten vor Ort aktiv sind, überlassen bleiben.
 

In vielen Unternehmen geht die Angst um angesichts der „Polykrise“. Ist die Lage so schlecht wie die Stimmung?

Ein entschiedenes Nein. Trotz der Polykrise schreitet die Globalisierung voran. Es ist erstaunlich, wie wenig Einfluss die politischen Ereignisse auf große Wirtschaftstrends haben. Die globalen Exporte betrugen im Jahr 2019 rund 19 Billionen US-Dollar. 2024 lag dieser Wert bereits bei 23 Billionen US-Dollar. Und das trotz Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Die Welt ist also noch da. Und sie wird auch Donald Trump überleben: Trotz der erratischen Politik des US-Präsidenten sind die deutschen Exporte im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur um 0,1 Prozent niedriger. Mit Blick auf die USA reden und schreiben alle nur alarmistisch über die deutschen Autos. Doch nicht Autos sind unser wichtigstes Exportgut in die Vereinigten Staaten, sondern Pharmazeutika und Spezialmaschinen. Die sind von den Zöllen bis dato aber kaum betroffen. Außerdem sind gerade Spezialmaschinen aus Deutschland für die USA so wichtig, dass die Kunden dort notfalls auch den Zollaufschlag bezahlen werden – und sich die Marge und der Umsatz deutscher Exporteure nur wenig verschlechtern. Wie sehr Wahrnehmung und Realwirtschaft auseinanderklaffen, sehen wir auch am Beispiel der Rüstungsindustrie.
 

Das müssen Sie erklären.

Im Moment herrscht die öffentliche Wahrnehmung, die Rüstungsindustrie könnte unsere Probleme in der Wirtschaft allein lösen. Sicherlich boomt der Sektor. Aber es kommt auf die Relation an: Rheinmetall hatte zuletzt einen Umsatz von etwa zehn Milliarden Euro. Der kriselnde Autobauer Volkswagen kam auf 324 Milliarden Euro – das ist das Dreißigfache. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Verteidigungsgüter im Umfang von 13 Milliarden für den Export genehmigt. Das sind 0,82 Prozent aller Exporte.
 

Wir erleben das dritte Rezessionsjahr in Folge. So weitergehen wie bisher kann es auch nicht …

Definitiv brauchen wir mehr Innovationskraft und mehr Innovationstempo – gerade beim Transfer von den Hochschulen in die Firmen. Besonders Wettbewerber aus China drohen sonst vielen deutschen Konzernen und Mittelständlern den Rang abzulaufen. Vor allem müssen sich deutsche Unternehmen an den Trend anpassen, der bereits seit 2010 gilt: Die Exporte wachsen langsamer als das globale Bruttoinlandsprodukt. Es genügt nicht mehr, überragende Produkte made in Germany in alle Welt zu exportieren. Deutsche Unternehmen müssen auf die Märkte vor Ort und für jede Tätigkeit den besten Standort in der Welt finden. Bereits heute gibt es mehr als 2.000 deutsche Fabriken in China. Umgekehrt haben chinesische Unternehmen erst sieben neu gebaute Werke in Deutschland – diese Zahl wird in den kommenden Jahren definitiv steigen. Wenn du als Unternehmer am Ball bleiben willst, musst du nah bei den Kunden sein und Teile der Wertschöpfung verlagern. Das gilt auch für den US-amerikanischen Markt.

Hermann Simon: eine deutsche Berater-Legende

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Simon, Jahrgang 1947, war 1985 Co-Gründer der Consultingfirma Simon-Kucher & Partners und von 1995 und 2009 deren CEO. Seitdem agiert der in der Eifel geborene Berater als deren Ehrenvorsitzender. Der Erfinder des Begriffs „Hidden Champions“ und der „Bahncard“ blickt zudem auf eine internationale Karriere als Dozent und als Professor an renommierten Hochschulen zurück – unter anderem an den Universitäten Mainz und Bielefeld, an der Harvard Business School und in Stanford. Der studierte Betriebswirt hat mehr als 35 Bücher in fast 30 Sprachen veröffentlicht. Sein jüngstes Buch „Simon sagt! Was im Management wirklich zählt“ erschien Anfang September 2025 und schoss binnen weniger Tage als einziges Managementbuch in die Top 20 der Sachbücher-Bestsellerliste des „Spiegel“.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Florian Flicke
Bildnachweis: Henning Ross Fotografie



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