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Boss war gestern

Unser Verständnis von Arbeit und Leistung hat sich radikal verändert – und mit ihm die Anforderungen an Entscheider. Es ist höchste Zeit, Führung neu zu denken.

Beim Thema Kinder zögert Selina Schröter, bevor sie antwortet. Eigentlich weiß die 28-Jährige, was sie will, und ist gewohnt, es auf den Punkt zu bringen. Kein Wunder: Als „LinkdedIn-Top-Voice Generation Z“ erklärt sie regelmäßig Unternehmen die Bedürfnisse der zwischen 1997 und 2012 geborenen Digital Natives. Gefragt, ob sie Kinder will, hält sie dennoch inne. „Ich habe einen guten Job“, sagt Schröter. „Kitaplätze sind rar, und die Erwartungshaltung an uns Frauen ist oft noch: Die Karriere liegt erst mal auf Eis. Das ist für mich nicht so attraktiv.“

Schröter ist niemand, der die Arbeit scheut. Im Gegenteil. Sie hat 2015 Abitur gemacht, im selben Jahr ein duales Studium bei Siemens begonnen. Die junge Kölnerin hat gleichzeitig eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert und ein Bachelorstudium in International Management abgeschlossen, danach für Siemens den Bereich Employer-Branding mitaufgebaut und berufsbegleitend einen Master in Consulting und Digital Management erworben. Nach knapp acht Jahren im Konzern ist sie 2023 in das Berliner Startup Leucht One gewechselt und hat als Head of Business Development & Communication Führungsverantwortung übernommen. Entscheiderin mit 28 Jahren.

Was erwartet Schröters Generation von der Arbeit, was von einem Arbeitgeber? Die beiden wichtigsten Kriterien bei der Jobwahl seien ein gutes Gehalt (74 Prozent) und Arbeitsplatzsicherheit (61 Prozent), besagt eine repräsentative Befragung, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov für die Personalagentur Diepa erstellt hat. „Ob ortsunabhängiges Arbeiten oder die freie Einteilung der Arbeitszeit – die Gen Z erwartet, dass ihre Arbeitsbedingungen ihren individuellen Lebensstil unterstützen“, heißt es in einer Studie von Zenjob, einer App, die Studenten bei der Suche nach Nebenjobs unterstützt und deren Erhebung auch als repräsentativ gelten darf.
 

Kulturwandel fängt beim Chef an

Wie will die Gen Z arbeiten? Und welchen Beitrag kann sie zum Erfolg eines Unternehmens leisten? Sich das zu fragen ist Lars Bohlmanns Job. Er verantwortet eine Gesellschaft für Aus- und Weiterbildung mit knapp 200 Beschäftigten bei Hettich, einem Hersteller für Möbelbeschläge im ostwestfälischen Kirchlengern. Das Besondere daran: Die Gesellschaft besteht zu 90 Prozent aus Nachwuchskräften, die das Tochterunternehmen selbst steuern. Darunter Industriemechaniker, Mechatroniker und Industriekaufleute. Gemeinsam sind sie Teil des Familienunternehmens, das über mehr als 8.000 Mitarbeiter und 24 Auslandsgesellschaften verfügt.

Allem voran, sagt er, stand der Kulturwandel. „Wir setzen auf Transparenz, Eigenverantwortung und Vertrauen. Diese Werte wollen wir bereits in der Ausbildung an unsere Beschäftigten herantragen.“ Ein weiteres Ansinnen: Die meist 16- bis 18-jährigen Nachwuchskräfte sollen Unternehmertum lernen, indem sie viele Entscheidungen selbst treffen. Erst dann gehen sie in die verschiedenen Unternehmensbereiche wie Produktion, Logistik, Vertrieb oder Service. „In diesen Bereichen haben wir im besten Fall dann echte Kulturbotschafter.“
 

Talente frühzeitig fördern

Auch in der Außenwirkung möchte Hettich ein Zeichen setzen mit der Ausbildungsgesellschaft und den vielen Möglichkeiten, die sie Nachwuchskräften bietet. Die Berufsanfänger sind in verschiedenen „Circles“ organisiert – Marketing, Social Media, Strategie – und bringen sich eigeninitiativ in anderen Unternehmensbereichen ein, etwa, indem sie die Produktion mit 3D-Druck unterstützen, Messeauftritte organisieren und den TikTok-Kanal der Firma befüllen. Neue Nachwuchskräfte rekrutieren sie weitgehend eigenständig. Wer mit besonderen Fähigkeiten auffällt, kann aufsteigen – etwa von der Lagerlogistik ins Marketing oder nach der technischen Ausbildung ins Personalwesen, auch ohne das normalerweise für den Job vorausgesetzte Studium absolviert zu haben. „Der Fachkräftemangel steigt. Mit dem Angebot wollen wir uns von Wettbewerbern unterscheiden“, sagt Bohlmann.

Umkämpfte Generation Gen Z: Ihr kommt eine große Bedeutung zu bei der Mammutaufgabe, den Fachkräftemangel zu bewältigen. 19,5 Millionen Arbeitnehmer der sogenannten Babyboomer-Jahrgänge auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge bis zum Jahr 2036 in Rente gehen. Die Gen Z zählt zu denen, die die Lücke stopfen und Deutschlands Wirtschaft am Laufen halten sollen. Doch zu lernen, sie für sich zu gewinnen, zu führen und ans Unternehmen zu binden, wird nicht genügen, um ein Unternehmen fit zu machen für die Zukunft.
 

Eigenverantwortung stärken

Wie man eine ganze Belegschaft – egal, ob jung oder alt – auf Transformation trimmt, das wollte Viktoria Schütz wissen. Als sie 2019 die Nachfolge beim Maschinenbauer DEGUMA aus Geisa in Thüringen antrat, hatte sie sich eingelesen und „Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux durchgearbeitet. Der New-Work-Vordenker macht sich für eine Abkehr von starren Hierarchien und Top-down-Entscheidungen stark, wirbt für Eigenverantwortung, Vertrauen und Sinn als entscheidende Triebkraft im Unternehmen. So wollte Schütz es auch machen.

Noch im selben Jahr verabschiedete sie sich von einer „alten, eher hierarchischen Führungsstruktur“ und schaffte Wege, wie die Mitarbeiter sich besser einbringen konnten. Die einzelnen Bereiche etwa sollten selbst Investitionslisten erstellen, weil Schütz sich sicher war, dass sie selbst am besten wissen, was sie brauchen. Auch durften die Mitarbeiter in der Produktion ihre Arbeitszeit ändern. Im Unternehmen werden regelmäßig neue Maßnahmen ausprobiert und evaluiert – etwa Arbeits- oder Projektkreise, die Mitarbeiter ins Leben rufen können, wenn sie sich einem bestimmten Thema wie KI oder Nachhaltigkeit widmen möchten, oder die Entwicklung einer gemeinsamen Vision 2030. Bei DEGUMA gibt es einen monatlichen Koordinationsdialog, eine betriebliche Versammlung, wo die neuesten Infos getauscht werden und die Teams von ihren Erfahrungen berichten.
 

„Die Menschen sind nicht fauler geworden“

2024 hat die Geschäftsführerin die Vier-Tage-Woche eingeführt. Seitdem steht bei DEGUMA freitags die Produktion still. Außerdem arbeitet das Unternehmen mit dem Fraunhofer Institut an einem Projekt zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten in der Produktion. „Die Menschen sind heutzutage nicht fauler geworden. Sie nehmen ihr Privatleben nur wichtiger als früher, denn sie müssen Sorge- und Erwerbsarbeit gerecht werden.“ Es gebe gute Gründe dafür, so die Geschäftsführerin. „Früher hat die Mutter die Kinder versorgt und der Vater das Geld verdient. Wenn er mal nach Feierabend den Rasen nicht mähen konnte, war das keine Katastrophe.“ Sorgearbeit aber sei immer dringend. „Auch wenn beide Elternteile arbeiten – Kinder müssen essen bekommen und auf die Schule am nächsten Tag vorbereitet werden.“ Eine Vier-Tage-Woche und flexiblere Arbeitszeiten sollen den Beschäftigten bei DEGUMA helfen, beides unter einen Hut zu bekommen.

Auch Christina Diem-Puello hat die Notwendigkeit erkannt, Arbeit flexibel zu gestalten. Die Geschäftsführerin von Deutsche Dienstrad und Präsidentin des Verbands der Unternehmerinnen in Deutschland (VdU) ist überzeugt: „Das Thema Care-Arbeit wird alle Arbeitgeber vor eine neue Herausforderung stellen.“ Sie werde nicht nur am Anfang der Karriere zum Thema, wenn Beschäftigte Kinder bekommen. „Immer mehr Fach- und Führungskräfte werden in der Mitte oder am Ende ihrer Karriere ihre Eltern begleiten.“ Angehörige in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten, das muss Diem-Puello zufolge möglich sein: „Im vergangenen Jahr haben wir einen Mitarbeiter dafür komplett für acht Wochen freigestellt. Wenn er möchte, kann er die versäumte Arbeitszeit über sein Lebensarbeitszeitkonto wieder hereinholen.“
 

Remote führen lernen

Diem-Puello weiß: „Man kann Mitarbeitende im Homeoffice nur dann erfolgreich anleiten, wenn das Unternehmen auch darauf ausgelegt ist.“ Deutsche Dienstrad verfüge über ein komplett digitales System, Führungskräfte könnten E-Mails und Telefonate tracken. „Wir haben gesehen, dass manche Teams an Freitagen im Homeoffice nur 20 Prozent der Performance geliefert haben.“ In Präsenz seien es 80 bis 95 Prozent gewesen. „Da haben wir die Teamverantwortlichen gebeten, auch remote stärker in die Führung zu gehen.“ Kurze Teamgespräche zu Arbeitsbeginn und -ende, in denen die Ziele für den Tag besprochen werden würden, seien nun Usus.

Neben digitalen Projektmanagement-Tools setzt Diem-Puello auf Künstliche Intelligenz. „Bei uns gibt es einen KI-Manager im Team. Der veranstaltet KI-Lunches, zu denen sich alle Mitarbeiter anmelden können, die Lust haben, beim Mittagessen einen KI-Vortrag zu hören.“ Themen können sein: private und dienstliche Nutzung von KI, das richtige Prompten sowie Informationen über die im Unternehmen verfügbaren Tools. Außerdem verfüge das Unternehmen über eine eigene Ratgeber-App, in der alle Texte aus dem Kundenservice, der Beratung und dem Vertrieb von Deutsche Dienstrad gebündelt sind. „Wenn neue Leute kommen, können sie die KI fragen und passende Texte praktisch aus dem Gedächtnis des Systems damit generieren.“
 

Wissenstransfer zwischen Jung und Alt

Zurück zu Selina Schröter. Nach knapp zwei Jahren im Startup hält sie als Beraterin immer noch Kontakt zur Konzernwelt. „Aktuell darf ich als Reverse-Mentorin den Personalvorstand eines Dax-Konzerns begleiten.“ Frei von Hierarchien würden die beiden auf Augenhöhe sprechen. Dabei gebe es auch lustige Momente: „Kürzlich kam mein Mentee zu mir mit dem Vorschlag, doch einzelne Wörter in einer Präsentation mit ,coolen‘ Hashtags hervorzuheben“, erzählt Schröter. Sie habe ein wenig geschmunzelt und ihn dann darauf hingewiesen, dass die schon wieder ein bisschen „out“ seien. „Ein paar Tage später kam dann der Anruf, dass die Hashtags verschwunden seien“, sagt Schröter. 

Abseits von gelegentlichem Schmunzeln geht es um ernstere Themen. „Wir reden häufiger darüber, was jungen Menschen beim Berufsstart hilft und welche Rolle Führungskräfte dabei spielen. Ich erkläre ihm dann, wie wahnsinnig wichtig softe Themen wie Empathie für meine Generation sind.“ Manchmal prallten Welten aufeinander. „Aber Welten, die offen dafür sind.“ Für Schröter mache genau diese Offenheit den Unterschied. „Da sitzt mir eine Person gegenüber, die sich über diese Impulse freut und Bock hat, sich zu hinterfragen.“ Und das sei genau das, was für sie zählt.

„Leistung ist nicht gleich erfolgreich“

Ein Gespräch mit Executive Coach Maria Bergler über Leistung und entscheidende Fähigkeiten von Führungskräften.

Frau Bergler, was beobachten Sie am stärksten, wenn Sie mit Führungskräften sprechen?

Viele empfinden sich als besonders leistungsstark, wenn sie viel und lange arbeiten, und bewerten auch andere nach diesen Kriterien. In der Wissensgesellschaft ist Leistung aber nicht mehr, wie viele Stunden und wie viele Produkte dabei herauskommen. Leistung ist nicht gleich erfolgreich. Das haben viele noch nicht verstanden.

Und was folgt daraus?

Führungskräfte brennen aus, wenn sie merken, dass sich – egal wie hart sie arbeiten – der gewünschte Erfolg nicht einstellt. Kann er aber auch nicht. Denn es geht nicht mehr nur um Zeit und Präsenz. Es braucht andere Fähigkeiten: strategisches Denken und Beziehungsmanagement zum Beispiel.

Was vermitteln Sie Ihren Coachees?

Ich bestärke sie darin, dass es richtig und gut ist, nach ihrer inneren Überzeugung zu handeln und nicht nur darauf zu achten, was andere von ihnen erwarten. Außerdem mache ich ihnen klar, dass die wichtigste Fähigkeit einer Führungskraft darin liegt, die Rahmenbedingungen für Leistung zu schaffen und ihre Mitarbeitenden zu befähigen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Tanja Könemann
Bildnachweis: Getty Images



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