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Real Talk Recruiting: Gen Z zu anspruchsvoll?

Fordernd, faul und dünnheutig – wer der Generation Z angehört, sieht sich mit vielen Klischees konfrontiert. Selina Schröter ist LinkedIn Top Voice "Next Generation" und räumt im Podcast nicht nur damit auf. Die Recruiting-Expertin verrät auch, wie Arbeitgeber im Ringen um Nachwuchskräfte punkten können – und was zu tun ist, sollte jemals ein mitgefilmtes Kündigungsgespräch in Social Media landen.

Lesen statt hören: Die Podcast-Folge #39 zum Nachlesen

Tanja Könemann: Faul, treulos und dünnhäutig, das sagt man über die Generation Z. Trotzdem sind die zwischen 1997 und 2012 Geborenen extrem angesagt bei Unternehmen. Arbeitgeber müssen sich deshalb weit mehr einfallen lassen, als nur mit Vorurteilen aufräumen. Was, das erfahren Sie heute.

Jingle: Gute Geschäfte. Business Wissen in 10 Minuten. Der Creditreform-Podcast.

Tanja Könemann: Mein Name ist Tanja Könemann und ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Folge. Ich bin Chefredakteurin vom Creditreform Magazin und Podcast-Host und mit mir im Studio steht Selina Schröter. Selina ist 28 Jahre alt und hat eine beeindruckende Karriere hinter sich, schon in diesem Alter. Selina hat sieben Jahre lang bei Siemens gearbeitet und dort das Employer Branding mitgearbeitet. Mit mittlerweile ist sie Führungskraft in einem Start-up und berät Unternehmen, die bei der Gen Z punkten wollen. Hallo Selina, herzlich willkommen hier in Düsseldorf.

Selina Schröter: Hallo Tanja.

Tanja Könemann: Ich denke, bei dem, was du schon alles hingelegt hast mit 28, brauche ich gar keine Studien zu zitieren, die widerlegen, die Gen Z sei faul. Die gibt es aber, und zwar hat das Institut für Arbeits- und Berufsforschung herausgefunden, dass die Erwerbstätigkeit deiner Generation so hoch ist, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Faulheit ist eines der Klischees über die Gen Z. Mit welchem Klischee würdest du am liebsten aufräumen, wenn du jetzt hier eins aus der Welt schaffen könntest?

Selina Schröter: Faulheit gehört definitiv mit dazu und dass wir zu fordernd wären. Da appelliere ich immer an ein gegenseitiges Verständnis und daran, dass sich halt auch einfach die äußeren Umstände, in denen wir in die Berufswelt einsteigen, komplett gewandelt haben.

Tanja Könemann: Was sind das für Forderungen? Die sind eher finanzieller Natur, oder?

Selina Schröter: Unter anderem. Also: Wenn man sich anguckt, was unsere größten Motivationspunkte in der Arbeitswelt sind oder was uns wahnsinnig wichtig ist, ist das Thema finanzielle Sicherheit ganz, ganz weit oben. Also, wir sind häufig konservativer, als man es uns nachsagt, was aber einfach dem geschuldet ist, dass wir in wahnsinnig -vor allem auch finanziell - unsicheren Zeiten groß werden und in den Arbeitsmarkt einsteigen.

Tanja Könemann: Wenn wir jetzt zu einem Austausch kommen, der nicht von Klischees geprägt ist: Was können Unternehmen machen, wenn sie diese Zielgruppe auf sich aufmerksam machen und vielleicht auch bei sich im Unternehmen halten wollen?

Selina Schöter: Ich glaube, ganz wichtig ist der erste Schritt: zu verstehen, dass eine komplette Generation keine Zielgruppe ist;as ist immer so, wie ich finde, der erste Irrglaube. Kein Unternehmen in Deutschland möchte 12,4 Millionen Menschen ansprechen. Das heißt wirklich, sich am Anfang erstmal bewusst zu machen, wen aus dieser Generation möchte ich ansprechen? Wer ist denn meine Zielgruppe? Welche Interessen haben diese Leute?

Also, ich kann da ganz gut aus der Erfahrung auch bei Siemens sprechen, damals hatten wir eine Korrelation zwischen technisch-, IT- und Matheaffinen jungen Leuten, die häufig in ihrer Freizeit gerne zocken, weshalb ich damals Siemens auf die Gamescom bringen durfte, weil wir auch gesagt haben, wir wollen bewusst mal dahin gehen, wo die Leute ihre Freizeit verbringen.

Wenn ich weiß, das sind Leute, die gerne zocken, dann ist es vielleicht auch naheliegend, dass sie vielleicht gerne streamen oder bei Twitch unterwegs sind, und sich dann damit mal auseinanderzusetzen und zu überlegen: ,Hey, kann ich nicht da auch mal eine Präsenz zeigen? Kann ich irgendwie eine coole Brücke schlagen zu diesem Interesse hin? Zu etwas, was wir in unserem Unternehmen machen?

Kann ich vielleicht ein cooles Angebot mit unseren Bestandsazubis oder Studis machen, wo man uns mal kennenlernen kann, wo man nicht nur irgendwie hört, was wir Cooles machen, sondern wo man uns mal wirklich erleben kann, wo wir die Türen öffnen im Hinblick auf uns?‘

Das klingt jetzt oldschool - aber Praktika sind immer noch ein Riesending für uns. Die haben während Corona wenig stattgefunden. Das hat eine riesige Lücke in die Berufsorientierung gehauen. Dann wirklich zu sagen, okay, biete ich das jetzt mal speziell auf meine Zielgruppe gemünzt, wieder stärker an, um auch diese Einblicke und Orientierung, die so wichtig ist und in der Zeit so kurz gekommen ist, wieder möglich zu machen.

Tanja Könemann: Gibt es sonst noch was, wo du sagst, da stoße ich Unternehmen gerne mit der Nase drauf?

Selina Schröter: Von der Erstansprache ausgehend geht das für mich ganz stark in den Recruiting-Prozess. Für mich muss ein Recruiting-Prozess heute eigentlich vollkommen anders aussehen als noch vor 20, 30 Jahren.

Welche Diskussion ich häufig führe, und das ist eine steile These, die ich immer wieder in den Raum stelle - aber meiner Meinung nach braucht es heutzutage kein Anschreiben mehr. Es braucht verschlankte Prozesse, es braucht wenig Bürokratie und es braucht vor allem ein schnelles, persönliches Kennenlernen, um genau diese Zwischenmenschlichkeit zu erfahren.

Denn ein Anschreiben generiert dir Chat-GPT oder irgendeine andere KI in weniger als zwei Sekunden, aus dem du nicht unbedingt rauslesen kannst, ob die Person es selber geschrieben hat oder nicht - gerade wenn du die Person nicht kennst. Wir sind mobile first, wir sind schnelle Rückmeldungen gewöhnt. Das erfordert,Recruiting -Prozesse zu verschlanken, Rückmeldungen zu verkürzen und auch persönlicher werden zu lassen.

Wir sind wahnsinnig stark. Wir sind stark gewöhnt, personifizierte Inhalte oder personenbezogene Inhalte ausgespielt zu bekommen durch Cookie-Einstellungen, durch Social-Media-Content, der auf meinen Algorithmus angepasst ist. Wenn ich dann nach sechs Wochen eine Standard-Absage bekomme, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich irgendwann vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt sage, das Unternehmen könnte noch mal interessant für mich sein, sehr, sehr gering.

Und auch durch kürzere Lebenszyklen bei Arbeitgebern und Co. sind Absagen ein Thema. Unternehmen müssen sich klar machen: ,Hey, die Person könnte vielleicht potenziell in der Zukunft nochmal interessant für uns sein.‘ Diesem Aspekt wird meiner Erfahrung nach aktuell noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.

Tanja Könemann: Es ist auch so, dass Unternehmen zu wenig beachten, dass Bewerber und Bewerberinnen ja auch untereinander sprechen.

Selina Schröter: Ja, total. Also ich denke mir, ey, wir müssen doch eigentlich merken, dass wir uns austauschen, dass wir gerade riesen TikTok-Trends, Quite Quitting oder auch Kündigungsgespräche mitfilmen, wenn die online geführt worden sind und dann auch auf TikTok hinzustellen - das ist ein Riesending. Wir haben eine wahnsinnige Transparenz. Und wir informieren uns ja auch anders über Arbeitgeber. Wir informieren uns über Social Media. Wir wollen wirklich Erfahrungsberichte wissen.

Wir wollen nicht wissen, was auf den Karriere-Webseiten steht, weil jetzt, let's be honest, so jeder weiß, dass das durch zehn interne Pressestellen durchgegangen ist und abgesegnet worden ist und da eh sehr aufpolierter Content häufig stattfindet, um das jetzt mal so zu sagen und die meisten Keywords sich auch sehr ähneln.

Wir informieren uns über die Leute, die in Unternehmen arbeiten. Wir informieren uns über Social Media. Wir informieren uns über Bekannte Freunde und Co. und wollen die echten Erfahrungen haben. Das heißt, auch für ein Unternehmen: Je authentischer und echter und auch kantenbehafteter es auf Social Media auftritt, desto mehr wird das inuns auslösen, desto schneller sind wir bereit, uns vielleicht auch zu bewerben, weil wir einen wesentlich echteren Einblick bekommen.

Und deshalb ist es meiner Meinung nach vollkommen unterschätzt, dass es doch klar ist, das man untereinander spricht. Man sieht es eventuell auch auf Social Media, es wird geteilt, es wird gepostet und was geteilt und gepostet wird, kann dann eben auch Auswirkungen für die eigene Arbeitgebermarke haben.

Tanja Könemann: Ich stelle mir jetzt mal vor, ich bin so ein Unternehmen, ich bin jetzt so eine Führungskraft in einem Unternehmen im Transformationsprozess, wir sind jetzt im Kulturwandel, irgendwer bei uns im Haus hat aber mal so richtig heftig gekündigt und das ist gelandet in Social Media. Kann ich mich dann sofort vom Arbeitsmarkt für immer verabschieden? Oder was macht man dann, wenn man so offen ist?

Selina Schröter: Nee, also ganz im Gegenteil, als Arbeitgeber wäre es eigentlich nur cool, möglichst authentisch und ehrlich darauf zu reagieren. Wenn man merkt, da kommt jetzt irgendwie ein Standardkommentar, der sehr bla bla ist, sag ich jetzt mal, dann kann der Schuss weiterhin ordentlich nach hinten losgehen.

Aber wenn darauf reflektiert reagiert wird auch zum Beispiel mit nochmal Gesprächsangeboten oder Co., dass ganz klar ist, okay, das wird nicht nur jetzt für den Online-Auftritt beschönigt, sondern dahinter steckt wirklich eine Unternehmenskultur, die das ernst nimmt, die da auch mit umgeht und das in einen Kontext einordnet -dann ist da Potenzial, das komplett umzudrehen, also da wiederum eine sehr coole Experience draus zu machen.

Da gab es übrigens auch einen Fall vor einiger Zeit, wo sich Unternehmen zu Äußerungen positioniert haben, die Mitarbeiter getätigt haben im Hinblick auf die Feierlichkeiten, die es auf Sylt gab, wo sich die Arbeitgeber sehr stark davon distanziert haben und auch ehrlicherweise auf Social Media sich so positioniert haben, dass man merken konnte, hey, ihr habt einen diversen Unternehmenskern, weil ihr solche Aussagen habt.

Und denen wiederum wurde dann die Bude eingelaufen teilweise, weil die Leute gemerkt haben, hey, die zeigen hier Ecken und Kanten. Also Arbeitgeber, meiner Meinung nach, müssen sich heutzutage auch online mehr und mehr auch politisch positionieren und Haltung zeigen.

Und auch wenn dann mal der Schuss nach hinten losgeht: Dann müssen sie darauf vernünftig reagieren. Dazu muss man ja auch sagen: Social Media sehr schnelllebig. Der nächste Shitstorm wird kommen, eine neue Welle, die schwappt und dann ist auch wieder gut.

Tanja Könemann: Wir haben uns hier im Podcast immer vorgenommen, ein Resümee zu ziehen. Vielleicht kriegen wir ja zusammen eine Checkliste hin. Wenn ich jetzt losgehe und sage, okay, ich habe mir jetzt den Podcast angehört, ich möchte mein Employer Branding und meinen Recruiting-Prozess verbessern. Was sind die fünf Schritte, hinter die ich einen Haken machen sollte?

Selina Schröter: Schau dir zu Beginn deine ganzheitliche Candidate-Experience an. Wie sieht die Ansprache, die Bewerbung, das Onboarding, die Bindung und das Offboarding aktuell aus? Sei dir erstmal im Klaren über deinen Status Quo, erstell quasi einen Überblick über deinen Status Quo und Challenge diesen mit Leuten aus der Zielgruppe, die an all diesen unterschiedlichen Punkten in deiner Candidate-Journey stehen und hinterfrage dich, hey, wie erlebst du das? Ist das das, was wir als Arbeitgeber damit erzielen wollen, erreichen wollen?

Und wenn nicht, schreibst du dir die Gap auf, wo es eben noch nicht matcht und die gehst du dann strategisch an, um dann zu gucken: Okay, wie können wir uns im vierten Schritt künftig strategisch aufstellen, um diese Lücken zu schließen, sich da die eigenen Leute weiterhin mit ins Boot zu holen und auch Testpiloten zu fahren?

Wenn ich jetzt schon die Frage nach einem Geheimrezept bekomme, dann ist der ist der fünfte Schritt eigentlich: Probieren. Denn nur wenn man auch mutig ist, neue Wege zu gehen, wird man sich langfristig auch von der Konkurrenz abheben können und wird man merken, hey, so ein Ausbrechen aus einem Regelkonflikt funktioniert auch mal‘.

Das ist natürlich ein sehr komplexer Prozess. Wie damals beispielsweise mit der Gamescom und Siemens. Dass ich mit tausend petrolfarbenen Plüscheinhörnern für Siemens auf der Gamescom stehe, hätte ich davor das Jahr nicht geglaubt, weil ich nicht dachte, dass sich ein Konzern auf sowas einlassen würde. Und das hätte auch grandios nach hinten losgehen können.

Das weiß man aber erst, wenn man diesen Weg mal gegangen ist. Und deshalb lohnt es sich, mutige Entscheidungen zu treffen und selbst wenn sie im ersten Anlauf nicht funktionieren, die Learnings daraus zu ziehen und dann eine neue Art der Kampagne oder Ansprache umzusetzen. Und sich davon nicht entmutigen zu lassen.

Tanja Könemann: Selina, ich habe mich mega gefreut, dass du hier im Podcast-Studio bei uns warst. Ganz herzlichen Dank und bis bald bei Gute Geschäfte.

Jingle: Gute Geschäfte. Business Wissen in 10 Minuten. Der Creditreform Podcast.



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