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Zwischen Abschied und Aufbruch

Viele Geschäftsaufgaben, wenige Gründungen: Die Unternehmenslandschaft in Deutschland lichtet sich. Etablierte Unternehmen ringen ums Überleben, junge, innovative Firmen kommen nicht vom Fleck. Das hat verheerende Folgen für die Gesamtwirtschaft.

KOMMENTAR: Patrik-Ludwig Hantzsch

Der Abschied erfolgt häufig im Stillen: In jeder Woche schließen in Deutschland tausendfach kleine und mittelständische, meist eigentümergeführte Betriebe ihre Tore. Sie geben nicht etwa auf, weil Aufträge fehlen oder die Liquidität knapp ist. Nein – sie ziehen sich freiwillig zurück. Manchmal aus Altersgründen und weil kein Nachfolger bereitsteht. Manchmal aber auch, weil sie zermürbt sind von einer Vielzahl von Auflagen und Vorschriften. Oder weil sie nicht ausreichend Fachkräfte finden, um ihren Betrieb fortzuführen. Nach einer gemeinsamen Untersuchung von Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim haben 2024 rund 196.000 Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Das war der höchste Wert seit 2011, als viele Betriebe infolge der Finanzkrise aufgeben mussten.

Nur in einem von zehn Fällen erfolgte eine Schließung im vergangenen Jahr unfreiwillig – also weil das Unternehmen aufgrund einer schlechten wirtschaftlichen Situation gezwungen war, Insolvenz anzumelden. Gerade diese Firmenzusammenbrüche haben häufig gravierende Bedeutung für die Gesamtwirtschaft. Zum einen, weil mit ihnen enorme Forderungsausfälle einhergehen, die möglicherweise weitere Betriebe in Liquiditätsnöte bringen. Zum anderen, weil Insolvenzen in den meisten Fällen zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten führen. Somit bieten die etwa 11.900 Insolvenzen, die Creditreform im Zeitraum Januar bis Juni 2025 registrierte, Anlass zur Sorge. Sie bedeuten einen Anstieg von neun Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Ein ähnlich hohes Insolvenz-Niveau gab es zuletzt vor zehn Jahren.
 

Heilsame Unruhe

Für mich sind die Ursachen dieser Entwicklung offensichtlich: Deutschland befindet sich in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Strukturkrise. Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage, steigenden Kosten und anhaltender Unsicherheit. Die finanziellen Reserven schwinden, Kredite werden nicht mehr verlängert – und immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten.

Die durch Insolvenzen im ersten Halbjahr 2025 verursachten Verluste und Schäden waren erheblich. Insolvenzgläubiger, da­runter Lieferanten, Kreditgeber und Sozialversicherungsträger, müssen fürchten, Forderungen in Höhe von 33,4 Milliarden Euro zu verlieren. Auch die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze ist spürbar gestiegen. Im schlimmsten Fall, wenn sich keine Fortführungsperspektive für die betroffenen Unternehmen ergibt, werden etwa 141.000 Menschen beschäftigungslos. Auch wenn Schließungen und Insolvenzen in vielen Fällen schmerzhaft sind – sie stehen für gesunde Unruhe in einer funktionierenden Marktwirtschaft.

Nachdenklich macht mich hingegen, wenn innovative oder forschungsintensive Unternehmen, die in Zukunftsfelder vorstoßen und wachsen möchten, aufgeben. So haben Creditreform und ZEW festgestellt, dass technologieintensive Dienstleistungen bereits seit 2022 relativ oft eingestellt wurden. Im vergangenen Jahr gaben rund 14.000 Unternehmen dieser Branche auf. Eine mögliche Begründung liefert eine Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Demnach nimmt der Fachkräftemangel in Digitalisierungsberufen stark zu. Somit können insbesondere junge Unternehmen trotz guter Auftragssituation in Schwierigkeiten geraten, weil sie im Wettstreit um die knappen Fachkräfteressourcen gegen etablierte Betriebe den Kürzeren ziehen. 

Besonders bedrohlich kann es für die Gesamtwirtschaft werden, wenn es überhaupt nicht zu Firmengründungen kommt. Wenn zu wenig Akteure eine Selbstständigkeit anstreben, insbesondere in forschungsintensiven Branchen. Dann drohen Innovationslücken, die sich langfristig auch auf andere Branchen der deutschen Wirtschaft auswirken können. Denn weniger neue Unternehmen bedeuten weniger frische Ideen und Erfindungen, die den Wettbewerb antreiben und etablierte Unternehmen herausfordern.

Exakt diese Gefahr droht in Deutschland: Der „KfW-Gründungsmonitor“, eine jährliche Befragung zum Gründungsgeschehen in Deutschland, registrierte für 2024 zwar eine leicht positive Entwicklung. Rund 585.000 Existenzgründungen bedeuteten gegenüber dem Vorjahr immerhin ein Plus von drei Prozent. Betrachtet man jedoch nur die Voll­erwerbsgründungen, so ergab sich auch 2024 ein Minus von einem Prozent auf 203.000. Somit ist der Befund der Studienautoren eindeutig: Die Gründungstätigkeit hierzulande ist deutlich zu niedrig. Bleibt der Nachschub an jungen, dynamischen Unternehmen aus, wird dies nach Einschätzung des ZEW die Erneuerungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt beeinträchtigen.
 

Hinein ins Risiko!

Nach einer Analyse der KfW Bankengruppe zum Gründungsgeschehen im vergangenen Jahr empfanden zwei Drittel der Gründerinnen und Gründer bürokratische Hürden und Verzögerungen als ernstes Problem. Ihr Wunsch: Es soll einfacher, schneller und digitaler möglich sein, ein Unternehmen in den Markt zu bringen. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ist übrigens die Idee eines One-Stop-Shops verankert. Alle Anträge und Behördengänge, die für eine Unternehmensgründung notwendig sind, sollen auf einer Plattform gebündelt werden. Ziel ist es, dass der Firmenstart formell innerhalb von 24 Stunden erledigt ist. Wenn dann noch verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten und spezifische Förderprogramme für High-Tech-Gründungen hinzukommen, könnte sich das Gründungsgeschehen tatsächlich beleben. Vo­raussetzung dafür ist aber auch mehr Mut, Einsatzbereitschaft und Hartnäckigkeit bei potenziellen Gründern. Ich sage: Hinein ins Risiko, ohne geregelte Arbeitszeiten, aber mit der Aussicht, etwas Eigenes zu schaffen und viel Freiraum zu gewinnen! Nur so lassen sich Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft langfristig sichern. Wer Innovation und Wohlstand sichern will, darf nicht länger auf die Politik warten. Deutschland braucht mutigen Unternehmergeist und weniger Bürokratie!


Patrik-Ludwig Hantzsch ist Leiter der Unternehmenskommunikation und Wirtschaftsforschung sowie Pressesprecher beim Verband der Vereine Creditreform e.V. in Neuss.



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