Er ist dann mal raus

Beim Outdoor-Spezialisten Schöffel funktioniert auch der Übergang von der siebten auf die achte Generation reibungslos. Mit nur 26 Jahren übernahm Jakob Schöffel das Unternehmen jüngst von seinem Vater Peter – und muss die Firma mit der 221 Jahre langen Historie in Sachen Digitalisierung neu erfinden.

Schwabmünchen ist – bei aller Wertschätzung – kein Magnet für Menschen in den Zwanzigern. Das 15.000-Einwohner-Städtchen, rund 30 Autominuten südlich von Augsburg gelegen, preist sich auf der stadteigenen Homepage als „Mittelzentrum im ländlichen Raum“. Ohne Frage mit atemberaubender Natur und dem Allgäu direkt vor der Haustür sowie den zwei Flüsschen Feldgieß und Singold ein Magnet für Wanderer und Radfahrer. Doch für Berufseinsteiger mit Mitte 20 ziehen Städte wie die eine Zugstunde entfernte bayerische Millionenmetropole München mehr – oder das europäische oder globale Ausland.
 

Von Down Under in die schwäbische Provinz

Auch Jakob Schöffel standen viele Türen offen. Nach seinem Bachelorstudium an der Universität St. Gallen und einem Master in International Management verbrachte er mehrere Monate bei einem Münchner Venture-Capital-Fonds sowie bei einer Strategieberatung für marktorientierte Unternehmensführung. Auslandserfahrungen sammelte er in Portugal und Australien. Und doch übernahm er 2024 nach reiflicher Überlegung mit gerade mal 26 Jahren die Rolle des Group-CEO beim Outdoor-Spezialisten Schöffel in Schwabmünchen von seinem damals 63 Jahre alten Vater Peter.

Für eine Unternehmensübergabe im Mittelstand ist 63 ein eher junges Alter. Doch Peter Schöffel hat sich bewusst dafür entschieden, das Unternehmen zum Höhepunkt seiner Schaffenskraft an seinen Sohn weiterzureichen und den Firmenslogan „Ich bin raus“ wortwörtlich zu nehmen. „Es waren weniger persönliche Motive, wie der Wunsch nach selteneren 60-Stunden-Wochen und mehr Zeit für Hobbys, Freunde und Familie, die mich dazu gebracht haben“, sagt der Senior. Er habe vielmehr erkannt, dass das Unternehmen vor weitreichenden Veränderungen stehe, die sämtliche Prozesse beträfen und vor allem die Digitalisierung. „Es ist richtig, in diesem Zuge auch die Spitze der Firma neu zu ordnen. Letztlich fällt der Generationenübergang genau in die passende Zeit. Es braucht einfach eine andere Denke. Das können Jüngere besser als ich.“
 

Keine Garantie für den Nachfolge-Erfolg

Von außen betrachtet, war die Nachfolge bei den Schöffels ein Selbstläufer. Die Familienfirma vor den Toren Augsburgs wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet und ist heute das älteste familiengeführte Outdoor-Unternehmen der Welt. Mit Jakob Schöffel hat jetzt bereits die achte Generation übernommen. Dennoch bedeutet das nicht, dass er es einfacher hatte als jemand, der in zweiter oder dritter Generation sein Familienunternehmen von den Eltern übernimmt. Jakob Schöffel: „Die Nachfolge ist jedes Mal ein neuer Staffellauf mit unbekanntem Ausgang. Es gibt keine Garantie, dass der Stab nicht doch zu Boden fällt. Mit zunehmender Größe und Beschäftigtenzahl steigt sogar die Fallhöhe von Generation zu Generation.“

Schöffel zählt heute mit einem Umsatz von zuletzt rund 100 Millionen Euro und etwa 275 Beschäftigten zu den bekanntesten Outdoor-Ausrüstern in Europa – und ist seiner bayerischen Heimat auch im dritten Jahrhundert des Bestehens treu verbunden. Die Regenjacken und Hosen für Wanderer, Radfahrer oder Skitourengänger überzeugen regelmäßig bei Produkttests mit ihrer hohen Qualität, der guten Verarbeitung und ihrer Langlebigkeit. Mit der Arbeitskleidung, etwa für Handwerks- und Industrieunternehmen, namens „Schöffel PRO“ hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren zudem ein zweites wichtiges Standbein aufgebaut. Und das dritte wächst bereits kräftig heran: Unter dem Markennamen „Schöffel TEC“ stellen die Textilprofis aus Schwaben BMW-Motorradbekleidung sowie Uniformen und Co. für Behörden her. Zu den Kunden zählt etwa die nordrhein-westfälische Polizei. Vor dem Hintergrund der wachsenden Verteidigungsausgaben schielt Schöffel zudem wie viele Mittelständler auf Aufträge vom Bund: Die Bundeswehr braucht nicht nur Panzer, Flugzeuge oder Munition, sondern auch wetterfeste und hochwertige Jacken und Hosen für die Soldatinnen und Soldaten.
 

Zeitenwende mit neuem Mann an der Spitze

Peter Schöffel hat in den vergangenen Jahren als Mann an der Spitze diese drei Säulen aufgebaut und großgezogen. Doch zugleich hat er erkannt, dass die alten Prozesse aus der Zeit als reiner Sportartikelhersteller künftig allein nicht mehr tragen. Vor allem im Backend, bei den IT-Prozessen, aber auch in der gesamten Unternehmenskultur muss sich Schöffel wie so viele mittelständische Firmen in Deutschland derzeit neu erfinden. Mit einem reinen „Facelift“ wie dem jüngst veränderten Markenauftritt ist es dabei nicht getan. Peter Schöffel hat instinktiv gespürt, dass die Zeit gekommen ist für einen tiefgehenden Wandel – und für frische Impulse an der Spitze. Jakob Schöffel hat die notwendigen Veränderungen bereits seit seinem Eintritt in die Firma vor rund einem Jahr mitgeprägt. Seit Februar ist er dafür als CEO jetzt allein verantwortlich: „Insofern ist das ein fließender Übergang. Im Kern geht es mir darum, die Firma zu modernisieren: die Kultur, die Prozesse, unsere IT-Systeme. Wir müssen in der Lage sein, uns schneller zu verändern.“

Wie geht Jakob Schöffel mit der Aufgabe um, eine intakte Firma mit doch einigen Baustellen übernommen zu haben? Die Blicke und auch die Erwartungen aller Beschäftigten – viele davon sind dem Familienunternehmen über Generationen treu verbunden – ruhen faktisch allein auf ihm. Der Mittzwanziger und selbsterklärte „Outdoor-Fan“ sieht es sportlich-positiv: „Klar wäre es leichter gewesen, die Firma am Höhepunkt ihres Umsatzes zu übernehmen. Doch umgekehrt kann es von dann nur seitwärts oder bergab gehen – das wäre mir dann schnell vorgeworfen worden. So ist es besser.“ Im Gegensatz zu seinem Vater hatte er aber wesentlich weniger Zeit, sich auf die fordernde Rolle an der Spitze vorzubereiten. Peter Schöffel war 1986 ins elterliche Unternehmen eingestiegen und hatte dann Anfang der 1990er-Jahre „nach Lehrjahren in Marketing und Vertrieb“ schließlich die Geschäftsleitung übernommen.
 

100 Prozent Verantwortung

Positiv beispielhaft ist der jüngste Stabwechsel bei den Schöffels vor allem mit Blick auf das Mindset der beiden Protagonisten. Peter Schöffel hat seinen Sohn ein Jahr lang gründlich auf den Job an der Spitze der Firmengruppe vorbereitet – und vertraut ihm jetzt voll und ganz: „Die Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen liegt zu 100 Prozent bei Jakob. Es ist sehr wichtig, dass das auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kopf haben. Es wäre die Hölle, wenn den Leuten nicht klar wäre, wer bei uns das Sagen hat.“ Er selbst wirkt wenige Wochen nach dem selbst gewählten Exit als Chef rundum zufrieden mit der eigenen Entscheidung. Von Reue oder Unrast, wie bei so vielen Ex-Familienunternehmern nach dem Tag X, ist im Interview in Schwabmünchen nichts zu merken.

Fast ist so etwas wie Befreiung zu spüren: „Ich bin nicht auf der Flucht, sondern in der Firma, wenn Jakob meinen Rat wünscht. Aber ich komme nun nicht mehr jeden Tag ins Büro und habe kein Problem mit der Erkenntnis, dass es auch ohne mich geht. Die Friedhöfe sind voll mit unersetzlichen Menschen.“ Peter Schöffel, mehr als drei Dekaden lang der Macher in Schwabmünchen, nutzt seine neu gewonnene Freizeit verstärkt für Wanderungen, Mountainbike-Ausfahrten, die Arbeit in seiner gemeinnützigen Stiftung oder als Opa eines Enkelkindes.
 

Kein Freifahrtschein auf den Chefposten

Sein Sohn Jakob hat bei seinen ersten wichtigen Entscheidungen als neuer CEO den vollen Rückhalt seines Vaters und des dreiköpfigen Firmenbeirats. Ihn stärkt auch der Umstand, dass er nicht einfach deshalb Chef wurde, weil er Sohn ist. Sondern weil er ein Nachfolger mit höchster Qualifikation ist. Bereits vor Jahren haben sich die Schöffels in einer Art Kodex dazu verpflichtet, dass jede Nachfolgerin und jeder Nachfolger an der Spitze von Schöffel zwei Bedingungen erfüllen muss: ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium und mindestens zwei Jahre im Ausland. Auch wenn sich Jakobs Schwester Johanna bereits vor acht Jahren gegen den Einstieg in die Familienfirma entschieden hatte, bedeutete das für ihren Bruder keinen Freifahrtschein auf den Chefposten in Schwabmünchen. Es hätte auch ein externer Kandidat auf Peter Schöffel folgen können. Doch letztlich war es sein Sohn Jakob, der dem „Ich bin raus“ seines Vaters ein überzeugtes „Ich komme rein“ entgegenrief.

Schöffel auf einen Blick

Die Wurzeln eines der führenden Unternehmen für Outdoor-, Ski- und Bike-Bekleidung reichen zurück bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. 1804 legte der Strumpfhändler Georg Schöffel die Grundlagen des heutigen Unternehmens. Später betrieb die Firma ein Textilhaus. Vor einem halben Jahrhundert schließlich begann das Geschäft mit Regenjacken und Wanderhosen. Seit Februar 2025 wird die Schöffel Gruppe in achter Generation von Jakob Schöffel als geschäftsführendem Gesellschafter geführt. Sie gliedert sich seit nunmehr drei Jahren in die drei Segmente Schöffel SPORT, TEC (textile Ausstattung von Behörden und BMW-Motorrad) sowie PRO (Arbeitskleidung). Das Unternehmen hat seinen Sitz im bayerischen Schwabmünchen, produziert aber im Ausland. Rund 275 Beschäftigte sorgten zuletzt für einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Florian Flicke
Bildnachweis: Schöffel