Kraftvoll trotz Krise

Sich reinhängen statt durchhängen – das fällt vielen Mitarbeitenden momentan schwer. Doch um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es eine starke Belegschaft. Drei Unternehmen zeigen, wie sie für mehr Elan am Arbeitsplatz sorgen.

Deutschland schleppt sich dahin. Große Arbeitgeber streichen Zehntausende Stellen und von Aufbruchstimmung ist wenig zu spüren. Doch nicht nur die Konjunktur, auch die Belegschaften in den Unternehmen befinden sich in einer Krise.Wen wundert’s? Schließlich sollen laut dem Weltwirtschaftsforum (WEF) 39 Prozent aller beruflichen Kernkompetenzen in den kommenden fünf Jahren ersetzt werden. Die Sorge, bald nicht mehr gebraucht zu werden, greift um sich.

Wirtschaftsflaute, Stellenabbau und die Angst, von KI im Job abgehängt zu werden – das Pinktum Institute hat die Stimmung von Beschäftigten genauer untersucht. Das Ergebnis: Jeder dritte Mitarbeiter sagt, er habe nicht mehr genügend Kraft für seine Arbeit. Was das für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen bedeutet, zeigt eine Erhebung des Gallup-Instituts, wonach 78 Prozent der Arbeitnehmer nur noch das Nötigste im Job machen.

Joachim Pawlik weiß, was an den Beschäftigten zehrt. Der CEO der Unternehmensberatung Pawlik Group, zu der das Pinktum Institute gehört, ist überzeugt: Nicht nur die Krisen selbst rauben Kraft, sondern auch deren Menge: „Die Zahl der Krisen trägt zur Verunsicherung bei. Man weiß nicht, was die Zukunft bringt.“ Außerdem sei die Bindung ans Unternehmen gesunken als Folge der Corona-Pandemie, und damit das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. „Das zieht die Motivation und den Kräftehaushalt nach unten“, so der Berater. Doch ohne Elan entstehen keine neuen Ideen und damit kein Wachstum. Was können Unternehmen tun, um eine motivierende Unternehmenskultur zu schaffen?

Therapie via Plattform

Beim Lautsprecherhersteller Teufel in Berlin hat man den Ernst der Lage erkannt. „Wir befinden uns in einem sehr kompetitiven Umfeld“, sagt HR Director Jannis Tsalikis. Produkte müssten immer schneller entwickelt werden und bei gleich hoher Qualität zu bestmöglichen Preisen im Markt platziert werden. „Dieser Druck hat natürlich Einfluss auf unsere Mitarbeitenden“, so Tsalikis. Die mentale Gesundheit der Belegschaft zu erhalten sei daher enorm wichtig. Bei Teufel erhalten Beschäftigte bei Bedarf digital psychologische Unterstützung. Über eine Plattform können sie auf Seminare und virtuelle Gruppen zugreifen und individuelle Sitzungen mit Psychologen und Therapeuten wahrnehmen. „Das wird von unseren Mitarbeitenden geschätzt“, sagt der HR Director.

Was die Beschäftigten bei Teufel noch schätzen: Gleichberechtigung, auch beim Gehalt. Das Unternehmen engagiert sich seit längerem beim Thema Equal Pay und hat sich als eine von wenigen deutschen Firmen einem Audit unterzogen, um die Fairness der Gehälter überprüfen zu lassen. „Unser regelmäßig stattfindendes Mitarbeiterfeedback zeigt, dass das Thema Equal Salary einen wichtigen Beitrag zur Mitarbeitermotivation leistet“, sagt Tsalikis. 

 

Mindset von Vorgesetzten ändern

Auch bei RSM Ebner Stolz spielt das Thema Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle – vor allem im Kampf um Talente. Das Unternehmen beschäftigt 2.700 festangestellte Mitarbeiter und bietet Wirtschaftsprüfung an, sowie Steuer- und Rechts- und Unternehmensberatung. „Unsere Branche wächst seit Jahren stark. Es gibt eine hohe Leistungsorientierung bei gleichzeitig engem Mitarbeitermarkt“, sagt Moritz Berkenheide. Der Leiter HR, der auch auf die Angebote der Pawlik Group zurückgreift, hält eine hohe Mitarbeiterorientierung für unerlässlich und setzt auf ein Mindset-Projekt, um den Teamzusammenhalt zu stärken.

Die im Jahr 2022 gestartete Maßnahme soll das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten verbessern. Ausgangspunkt: ein verändertes Mindset der 240 Partner. „Sie sollten das nötige Bewusstsein erlangen, um ihren Mitarbeitenden eine der Leistung entsprechende Wertschätzung sowie bei Unsicherheiten Orientierung zu geben“, erklärt Berkenheide. Zwei Jahre später folgte dann eine Partner-Evaluierung, bei der die Beschäftigten den für sie zuständigen Partnern Feedback gaben. Ein Vorgehen, das zunächst Verunsicherung auslöste. „Sich dem Urteil der Mitarbeitenden zu stellen und Veränderungen im eigenen Mindset anzustoßen, fiel nicht allen Partnern leicht“, räumt Berkenheide ein. In vielen Unternehmen klaffen Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinander, wie ein Beispiel aus einer Pinktum-Umfrage zeigt: Obwohl es 90,4 Prozent der befragten Führungskräfte wichtig ist, dass sich niemand als Verlierer fühle, berichteten 35,1 Prozent der Beschäftigten von genau diesem Gefühl. Um diese Lücke zu schließen, etablierte RSM Ebner Stolz einen Coachpool für individuelle Führungsthemen wie dieses.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Thema Resilienz. Bei RSM Ebner Stolz können Mitarbeiter mit einem E-Learning-Tool Kraftgeber und Kraftnehmer erkennen. Zusätzlich wurden zwei Business-Coaches an Bord geholt. Die helfen auch dabei, berufliche und private Ziele auszuloten: „Es hat sich gezeigt, dass vor allem beim Schritt vom Senior Consultant zum Manager einige Herausforderungen bei der persönlichen Entwicklung entstehen“, sagt Berkenheide zur Situation der Ende 20- bis Anfang 30-jährigen Mitarbeiter. Ein gefragtes Coaching: „Die Teilnehmenden sind dankbar, dass sich das Unternehmen die Zeit nimmt, zuzuhören und gemeinsam nach Lösungen für die individuelle Entwicklung zu suchen“, so der HR-Experte.
 

Gewaltiger Transformationsprozess

Resilienz und mentale Stärke sind umso mehr vonnöten, wenn sich eine Branche im Umbruch befindet.Der Niederlassungsverbund Nord der Mercedes-Benz AG mit seinen 1.400 Beschäftigten steht vor einem gewaltigen Transformationsprozess. Die vier Märkte Hamburg, Lübeck, Bremen und Hannover mit insgesamt 16 Autohäusern sollen an geeignete Investoren verkauft werden – ein Schock für die Belegschaft. „Aktuell weiß noch niemand, für wen er in Zukunft arbeiten wird und für welchen Markt, doch wir wollen diesen Prozess so gut und transparent wie möglich managen“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Matthias Kallis. Die Herausforderung bestehe darin, den Wandel zu managen und gleichzeitig die Leistung des Geschäftes beizubehalten und sie idealerweise noch zu steigern.

Jörg Hausmann von Pawlik steht dem Unternehmen bei der Veränderung zur Seite. Der Director Transformation ließ die Chefs auf einer Führungskräftetagung ihre Emotionen benennen. „Wir wissen aus der Psychologie, dass das als erleichternd empfunden wird“, sagt Hausmann. Hilfreich sei auch die Arbeit mit dem sogenannten Szenario-Management gewesen: Diffuse Sorgen aufschreiben und überlegen, welche Optionen es gibt.„So gelingt es, von der Rolle der Betroffenen in die der Gestalter zu finden, und man fühlt sich wieder Herr der Lage“, sagt Hausmann.

Das Programm sei ein Volltreffer gewesen, sagt Verbundschef Kallis: „Ich habe selten ein so zahlreiches und durchweg positives Feedback von Führungskräften erhalten.“ Zwar liegt vor den Beschäftigten des herstellereigenen Händlernetzes noch ein langer Weg. Mittlerweile aber ist es einer, der gangbar erscheint – dank neuer Kraft.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Lisa Priller-Gebhardt
Bildnachweis: Getty Images



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