Zusammenfassung COVID-19-Pandemie und aktuelle Anpassungen im Insolvenzrecht

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil- und Insolvenzrecht ist am 27.03.2020 in Kraft getreten.

Hier die wichtigsten Regelungen für Unternehmen, Gläubiger und Schuldner:

1. Insolvenzanträge

Nach § 1 S. 1 COVInsAG ist die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a der Insolvenzordnung (InsO) bis 30.9.2020 ausgesetzt. Die Bundesregierung kann diesen Aussetzungszeitraum durch Rechtsverordnung bis 31.03.2021 verlängern. Antragspflichtig sind allgemein gemäß § 15a InsO die Geschäftsleiter von juristischen Personen und anderen Gesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als persönlich haftendem Gesellschafter. Letzteres betrifft insbesondere die GmbH & Co. KG. Gemäß § 24 BGB gilt die Insolvenzantragspflicht auch für den Vorstand eines Vereins.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines Gläubigerinsolvenzantrags, der zwischen dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes (d. h. am 28.03.2020) und dem drei Monate nach dem Datum liegenden Tag, also dem 28.06.2020, gestellt worden ist/wird, setzt voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1.3.2020 vorlag (§ 3 COVInsAG). Die Regelung führt zu einem faktischen Ausschluss von Gläubigeranträgen für die Dauer von drei Monaten. Kaum ein Gläubiger ist in der Lage, den Nachweis zu führen, dass der Eröffnungsgrund schon vor dem 1.3.2020 vorgelegen hat.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt sowohl für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) als auch für den Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO). Die Kapitalgesellschaft ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Laut BGH ist dies regelmäßig der Fall, wenn die GmbH nicht in der Lage ist, zumindest 90 % ihrer fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, und sich daran innerhalb von drei Wochen nichts ändern wird. Um dies festzustellen, ist regelmäßig eine Liquiditätsbilanz aufzustellen. 
Der Insolvenzgrund der Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der GmbH die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (rechnerische Überschuldung) und eine Fortführung der Gesellschaft nicht überwiegend wahrscheinlich ist (Fortführungsprognose). Zur Ermittlung der rechnerischen Überschuldung ist in der Regel eine sog. Überschuldungsbilanz zu erstellen. 

2. Geschäftsführerhaftung

Um zu verhindern, dass die Geschäftsführer in der aktuellen Krise trotz ausgesetzter Insolvenzantragspflicht aus Sorge vor einer persönlichen Haftung den Geschäftsbetrieb einstellen, bestimmt § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG, dass Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar gelten. Geschäftsleiter müssen damit in dem fraglichen Zeitraum nicht mehr mit der Gefahr rechnen, wegen masseschädlicher Auszahlungen persönlich auf Ersatz in Anspruch genommen zu werden. 
Geschäftsleitern soll die Möglichkeit gegeben werden, erforderliche Maßnahmen ergreifen zu können, um das Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang fortzuführen. Das schließt nicht nur Maßnahmen der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ein, sondern auch Maßnahmen im Zuge der Neuausrichtung des Geschäfts im Rahmen einer Sanierung (vgl. BT-Drucks. 19/18111 S. 23). 

3. Sanierungsleistungen

Um Unternehmen, die aufgrund der Corona-Epidemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, nicht von der Kreditvergabe abzuschneiden, sind erhebliche Erleichterungen für die Rückzahlung von Krediten vorgesehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG), die sämtliche Kreditgeber, einschließlich Warenkreditgeber und andere Formen der Leistungserbringung auf Ziel, erfasst.
a. Für alle Schuldner gilt die bis zum 30.09.2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite als nicht gläubigerbenachteiligend (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG).
Damit wird ausgeschlossen, dass es zu einer späteren Insolvenzanfechtung der Rückgewähr derartiger Kredite oder ihrer Besicherung kommt, weil die Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) als Grundvoraussetzung jeder Insolvenzanfechtung nicht erfüllt ist.
b. Um aufgrund der Corona-Krise insolvenzgefährdete Gesellschaften nicht von der Möglichkeit der Finanzierung durch neue Gesellschafterdarlehen abzuschneiden, wird auch § 135 InsO zeitlich begrenzt ausgesetzt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 COVInsAG). Wenn die Voraussetzungen des § 1 COVInsAG gegeben sind, können Gesellschafterdarlehen anfechtungsfrei gewährt und zurückgewährt werden. § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 44a InsO sollen insoweit in Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, die bis zum 30.9.2023 beantragt werden, keine Anwendung finden.
Die Einstufung als nachrangiges Gesellschafterdarlehen tritt also nicht ein, wenn der neue Kredit in der Zeit vom 1.3.2020–30.9.2020 gewährt worden ist und die Rückgewähr eine Ge-sellschaft betrifft, über deren Vermögen der Insolvenzantrag spätestens bis zum 30.09.2023 gestellt worden ist. Bis zu diesem Stichtag hat die Gesellschaft Zeit, ihrem Gesellschafter den Kredit anfechtungsfrei zurückzuzahlen.
Sowohl für Kredite von außenstehenden Dritten als auch und gerade für Darlehen von Gesell-schaftern gilt, dass es sich um einen neuen Kredit oder eine neue Liquiditätshilfe handeln muss. Bei einer bloßen Novation oder Prolongation und wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten, die etwa auf ein Hin- und Herzahlen hinauslaufen, kommt das Anfechtungsprivileg nicht zur Anwendung (vgl. BT-Drucks. 19/18111 S. 23). Insoweit wird auch darauf zu achten sein, dass es nicht zu Umgehungsgeschäften kommt, bei denen eine bereits gewährte Kapitalhilfe nur neu verpackt wird. Sie soll nicht dazu missbraucht werden können, bestehende Verpflichtungen neu zu benennen.

4. Gläubiger und Insolvenzanfechtung

Das Gesetz enthält einen weitergehenden Schutz vor der Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners in dem Zeitraum, in dem die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist.
Geschützt werden sollen Vertragspartner aus Dauerschuldverhältnissen wie Vermieter sowie Leasinggeber, aber auch Lieferanten (BT-Drucks. 19/18111 S. 25). Um diese davon abzuhalten, ihre vertraglichen Beziehungen zum Schuldner auf dem schnellsten Wege zu beenden, weil sie befürchten müssen, erhaltene Zahlungen im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen des Krisenunternehmens mit anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Anfechtung zurückzahlen zu müssen, wird ihnen die Anfechtungsfreiheit per Gesetz zugestanden. Dies soll verhindern, dass die Sanierungsbemühungen des Schuldners am Verlust der vertraglichen Beziehungen zu Vermietern, Leasinggebern, Lieferanten, Versorgern usw. scheitern.
Generell anfechtungsfrei in einem späteren Insolvenzverfahren sind Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, es sei denn, dem anderen Teil war bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit schadet nicht. Für die Anfechtung kongruenter Deckungen, d.h. der Zahlungen, auf die der Gläubiger einen vertraglichen Anspruch hatte, bleibt damit praktisch nichts über.

§ 2 Abs. 4 Satz 2 lit. a–e COVInsAG erweitert darüber hinaus den Schutz vor der Anfechtung nach § 131 oder § 133 InsO auf bestimmte inkongruente Deckungen, die nachfolgend enumerativ aufgeführt sind. Geschützt sein sollen:

  • Leistungen an Erfüllung statt oder erfüllungshalber, wozu etwa Forderungsabtretungen statt Barzahlungen gehören;
  • Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, weil solche der Leistung des Geschuldeten wirtschaftlich gleichstehen;
  • die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist, um damit die betriebswirtschaftliche sinnvolle Verwendung von Sicherungsgegenständen durch die Schuldnerin oder den Schuldner nicht zu behindern;
  • die Verkürzung von Zahlungszielen, um damit Vertragspartnern einen weiter-gehenden Anreiz für eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen zu bieten;
  • die Gewährung von Zahlungserleichterungen aus den vorstehend genannten Gründen.


Eingeschränkt wird das Anfechtungsverbot zwar auch hier, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Diese Ausnahme dürfte aber ein Insolvenzverwalter kaum beweisen können.
Insolvenzanfechtungen bleiben aber weiterhin möglich, wie nach bisheriger Rechtslage vor der COVID-19-Pandemie auch, Zahlungseingänge im Wege der Zwangsvollstreckung oder aufgrund der Drohung mit einem Insolvenzantrag.

Dr. Martin Gogger, Vorsitzender Richter am Landgericht Würzburg
14.05.2020