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Insolvenzen - nein, danke

Um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Unternehmen zu dämpfen, hat die Bundesregierung einige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Neben den auf europäischer Ebene geplanten Hilfspaketen, die zwischen den einzelnen Staaten höchst umstritten sind, sind es vor allem drei Programme, die helfen sollen, die akute Not der Unternehmen zu lindern.

Aktiv stellt die Bundesregierung Mittel zur Verfügung, um die Liquiditätsausstattung der Betriebe zu verbessern. Auch die Erleichterung des Zugangs zu Kurzarbeitergeld soll helfen, im Shutdown zu überleben. Besonderes Interesse findet im Paket der Maßnahmen die „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“.

Keine Anträge bei Corona

Ende März wurde bekanntgegeben, das rückwirkend ab 1. März 2020 Insolvenzanträge gegenüber Unternehmen, die zahlungsunfähig geworden sind, weil die Corona-Krise sie in ihrer Geschäftstätigkeit massiv behinderte, ausgesetzt werden. Diese Regelung gilt zunächst bis Ende September, kann aber für ein weiteres halbes Jahr verlängert werden. Die Regelung findet breite Zustimmung – das reicht von den Insolvenzverwaltern über das ganze politische Spektrum bis zu den Unternehmer-Verbänden. Der Verband der Insolvenzverwalter schreibt: „Die deutsche Wirtschaft steht durch die Corona-Krise vor einer bisher nicht dagewesenen Herausforderung, der nur mit staatlicher Hilfe und einem schnellen und entschlossenen Handeln des Gesetzgebers begegnet werden kann. Insolvenzen sind aus volkswirtschaftlicher Sicht so weit wie möglich zu vermeiden. „Die Regelung stellt nicht unbedingt ein Novum dar, bereits im Zusammenhang mit den Hochwasserkatastrophen in Ostdeutschland vor einigen Jahren war es zu Eingriffen in das Insolvenzrecht gekommen, um die Auswirkungen der Überschwemmung auf die Liquiditätssituation der Betriebe in den Griff zu bekommen. Außerdem ist das Gesetz quasi komplementär zu den angesetzten Darlehen und Finanzhilfen zu sehen. Deren Einsatz macht nur Sinn, wenn sie an Unternehmen gehen, die eine Überlebenschance über die akute Krise hinaus besitzen.

Bisher bestand für die antragspflichtigen Organe eine Drei-Wochen-Frist für den Insolvenzantrag, wenn entsprechend Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorlagen. Allerdings ist das Aussetzen dieser Pflicht jetzt an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Es gilt nachzuweisen, dass die Corona-Krise der Grund für eine Insolvenzreife darstellt. Die Prognose zur Sanierung wird auf eine rückblickende Vermutung abgestellt, wenn es um das Entfallen der Insolvenzantragspflicht geht. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei einem Unternehmen, das bis zum Jahresultimo 2019 zahlungsfähig war und erst in den späteren Monaten in die Krise geriet, dies aufgrund der Corona-Pandemie geschah.

Anfechtung eingeschränkt

Die neue gesetzliche Regelung spielt auch eine wichtige Rolle, wenn es um die Haftung der Organe des betroffenen Unternehmens geht. Auch die persönliche Haftung etwa von Vorstand oder Geschäftsführung wird ausgesetzt, wenn die beschriebenen Voraussetzungen im Sinne des Gesetzes vorliegen. Eine weitere wichtige Rolle spielen die Regelungen im Zusammenhang mit der Anfechtung. Lief doch der Lieferant oder Darlehensgeber Gefahr, dass sein Geschäft im Zusammenhang mit der Kenntnis der Schieflage des Abnehmers oder Kreditnehmers angefochten und für ungültig erklärt wurde. Es ging darum, andere Gläubiger nicht zu benachteiligen. Dieser Grundsatz besteht fort, wird aber eingeschränkt, wenn das Unternehmen in seiner Handlungsfähigkeit durch die Corona-Krise betroffen ist. In der aktuellen Situation kommt es für den Betrieb in der Schieflage ja entscheidend darauf an, frisches Geld – sei es von staatlicher Seite, sei es von privaten Darlehensgebern – zu bekommen. Wichtig ist darüber hinaus, oft langjährige Lieferantenbeziehungen zu erhalten, um das Unternehmen am Markt zu lassen. Hier sind die Kreditversicherer zu erwähnen, die nach dem Willen der Bundesregierung zu überzeugen sind, ihre Limite zu halten oder sogar zu erweitern.

Gläubigerversammlung im Netz

Neben diesen Änderungen im Insolvenzrecht sollte die Krise Anstoß und Chance sein, zwei weitere Neuerungen auf den Weg zu bringen. Es gilt, das neue europäische Sanierungsrecht, das bereits vor einer Insolvenz ansetzt, jetzt in Deutschland mit Hochdruck umzusetzen. Der Rechtsrahmen der EU Richtlinie bietet Möglichkeiten, wie ein Moratorium bei den Maßnahmen zur Zwangsvollstreckung, die helfen, kriselnde Unternehmen zu erhalten und die Chance auf einen Neuanfang zu bieten. Die Umsetzung in nationales Recht in Europa ist bis Juli 2021 Pflicht – sie sollte in Deutschland schnellstens angegangen werden.

Die zweite Neuerung, die auf den Weg zu bringen ist, wäre die virtuelle Gläubigerversammlung. Hat doch die „Kontaktsperre“ mit Homeoffice und Videokonferenzen gezeigt, wie gut virtuelle Meetings funktionieren.  Der Notbetrieb bei vielen Insolvenzgerichten hat klargemacht, wie wichtig zumindest bei den anberaumten Gläubigerversammlungen eine virtuelle Plattform sein kann. Gerade auch der Grundsatz nach Gleichbehandlung der Gläubiger würde durch die Gläubigerversammlung im Netz weiter "demokratisiert".

Bei allem Applaus, den der Gesetzgeber gefunden hat, bleibt doch kritisch festzuhalten, dass im Sinne der „volkswirtschaftlichen Gesundheit“ die Neuerungen nur für eine gewisse Zeit bestehen bleiben und dass die Prüfung der Betroffenheit durch die Corona-Krise im Einzelfall kritisch vonstattengeht und immer genau hingesehen wird, ob der Betrieb nicht schon vorher schwächelte.