Creditreform Magazin

Kassensturz für Corona-Hilfen

Mehr als 130 Milliarden Euro Soforthilfen hat der Bund bis Mitte 2022 an Unternehmen ausgezahlt, hinzu kamen Gelder der Bundesländer. Viele Zahlungsempfänger müssen sich auf Rückzahlungen einstellen. Gefragt sind Konzepte, wie diese vermieden oder vermindert werden.

Für die meisten Unternehmen ist die Corona-Pandemie längst abgehakt. An die trostlosen drei Jahre mit ihren bedrückenden Lockdowns denkt niemand gerne zurück, auch wenn die Corona-Soforthilfen von Bund und Ländern über manche Umsatzverluste hinweggeholfen haben. Jetzt können gerade diese Gelder den Start ins neue Jahr verhageln. Viele Unternehmen beziehungsweise ihre Steuerberater und Wirtschaftsprüfer haben in den vergangenen Wochen und Monaten die Aufforderung erhalten, die Schlussabrechnungen für Corona-Wirtschaftshilfen möglichst noch in diesem Jahr online einzureichen. Wer bereits eine Fristverlängerung beantragt hat, muss bis spätestens 31. März 2024 melden, ob das Unternehmen tatsächlich mit einer Corona-Notlage zu kämpfen hatte. Wo diese nicht oder nur in vermindertem Umfang eingetreten ist, drohen Rückzahlungen.

Wem Rückzahlungen drohen

Der Bund fordert aktuell Schlussabrechnungen für die November- und Dezemberhilfen von 2020, außerdem haben viele Bundesländer den Kassensturz für landeseigene Härtefallhilfen noch nicht abgeschlossen. Die Politik begründet die Rückzahlungen mit dem ursprünglichen Ziel, Pleiten zu verhindern. Wenn Zahlungsempfänger jedoch entgegen ihren Erwartungen mehr als prognostizierten Einnahmen erzielt haben, müssen diese mit den Fördergeldern verrechnet werden. In der Öffentlichkeit kursiert jedoch weiterhin ein Zitat des früheren Bundesfinanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz vom März 2020, wonach „nichts“ zurückgezahlt werden müsse. „Viele Unternehmen haben Rückzahlungen vergessen oder nicht eingeplant, und müssen diese zusätzlich zu den bestehenden Zahlungsverpflichtungen aus dem Tagesgeschäft leisten“, schildert Jörgen Erichsen, Unternehmensberater aus Leverkusen, das Dilemma.

Wenn die Rückzahlungen Probleme bereiten, sollten die Unternehmen diese auf keinen Fall mit neuen Krediten oder erhöhten Kreditlinien der Hausbank finanzieren. Andernfalls kann die Bank eine verminderte Kapitaldienstfähigkeit berechnen. „Weil die Unternehmen für die Corona-Hilfen dokumentieren mussten, dass sie ohne diese Gelder nicht ausreichend Liquidität haben, müssen sie jetzt fürchten, dass ihre Bank sie endgültig in ihren Restrukturierungsbereich überträgt“, warnt Gabriele Romeike, Inhaberin der Corporate Finance-Beratung Financial Projects in Mühlheim an der Ruhr. Auch bei guten Eigenkapitalquoten haben Banken Zweifel an der Überlebensfähigkeit dieser Kunden und fordern Gutachten auf Basis von standardisierten Bewertungsverfahren wie IDW S1 an, was zusätzlich Geld kostet.

Laut Schätzung ist jeder vierte von Rückzahlungen betroffen

An Rückzahlungen aus dem vorhandenen Cashflow führt also kaum ein Weg vorbei. Jeder vierte Zahlungsempfänger muss sich laut einer Schätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK) zufolge hierauf einstellen. Wenn der Cashflow nach Corona ein Rinnsal geblieben ist, können auch vergleichsweise kleine Summen Probleme bereiten. Bund und Länder zeigen sich jedoch großzügig. Die Empfänger können sich ab Datum des Bescheids sechs Monate mit der Rückzahlung Zeit lassen oder mit der Schlussabrechnung Ratenzahlungen beantragen. Trotzdem fürchtet mancher Unternehmer, der bereits einen Rückzahlungsbescheid erhalten haben, um seine Existenz.

Ein Beispiel ist die Mannheimer Verlegerin Barbara Waldkirch, die eine Buchhandlung mit vier Beschäftigten führt. „Ich habe im Frühjahr 2020 nach der coronabedingten Schließung des Geschäfts 9.000 Euro Soforthilfe aus Landesmitteln erhalten und musste das Jahr trotz eines guten Sommerverkaufs mit Verlust abschließen“, blickt die Unternehmerin zurück. Dem ersten Lockdown folgte ein zweiter im Spätherbst, der zu allem Überfluss auch noch das Weihnachtsgeschäft vermasselte. Als die Coronapandemie ausklang, explodierten die Kosten. „Wir leben heute von einem Tag auf den anderen“, klagt die Unternehmerin über ständig steigende Lohnzahlungen sowie Miet- und Energiepreise. „Weil ich keine Rücklagen bilden kann, kann ich ein baldiges Ende der Buchhandlung nicht ausschließen.“

Wann Widerspruch gegen die Rückzahlung sinnvoll sein kann

Gegen den Rückzahlungsbescheid der Landesregierung hat Waldkirch Widerspruch eingelegt. Sie begründet diesen unter anderem mit der verspäteten Auszahlung des Betrags. Weil in den ersten Pandemietagen die Server der Landesregierung zusammenbrachen, konnte sie die Soforthilfe erst mehrere Wochen später beantragen. Die Corona-Hilfen wurden jedoch für die drei nächsten Monate nach Antragstellung gezahlt, der besonders verlustreiche März blieb im Fall Waldkirch unberücksichtigt. Jetzt hofft die Verlegerin auf eine Reduzierung oder gar einen Erlass der Rückzahlung. Die öffentliche Hand macht letzteres von Einzelfallprüfungen abhängig. Wenn Rückzahlungen die Existenz bedrohen und keine weiteren Einkünfte existieren, kann der Staat auf diese ganz oder teilweise verzichten. Weil Waldkirch jedoch mit dem Verlag ein zweites Standbein hat, ist ein solches Szenario unwahrscheinlich.

„Jedes Unternehmen, das Hilfen erhalten hat, muss rückwirkend ab März 2020 dokumentieren, wie sich die Situation im Betrieb entwickelt hat und warum damals staatliche Gelder benötigt wurden“, rät Erichsen. Je präziser die Dokumentation ist, desto leichter kann ein Unternehmen unberechtigte Rückzahlungsforderungen widerlegen. Für zusätzliche Sicherheit sorgen Onlinerechner. Anhand von Einnahmen und Ausgaben kann der Liquiditätsengpass von 2020 genau ermittelt und die voraussichtliche Rückzahlung errechnet werden. Wenn die Prognosen und Kalkulationen von 2020 zu optimistisch waren, hat der Antragsteller möglicherweise sogar Anspruch auf eine Nachzahlung. Das traf 2022 laut BMWK auf immerhin 40 Prozent zu. Voraussetzung für einen Nachschlag ist natürlich, dass eine Schlussabrechnung eingereicht wird. Wer dies unterlässt, wird in jedem Fall zahlen, ob berechtigt oder nicht. Der Staat fordert dann die Corona-Hilfen in voller Höhe zurück.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Bottler
Bildnachweis: Stadtratte/ iStock