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Tod, Leid und Milliarden – Kriegskosten in Nahost

Vor rund einem Monat massakrierten Mitglieder der palästinensischen Hamas israelische Zivilisten und Soldaten. Darauf begann der Krieg zwischen der Terrororganisation und Israel im Gazastreifen.

Die Auseinandersetzung bringt großes Leid und Tod, nicht nur für die Kämpfer auf beiden Seiten, sondern auch und besonders für die Zivilbevölkerung. Angesichts der Toten und Verletzten, der Flüchtenden und der Obdachlosen würde sich die Frage nach den wirtschaftlichen Schäden zunächst verbieten. Doch ist ein Blick auf die ökonomische Seite des Geschehens ist auch schon deshalb wichtig, weil diese nicht zuletzt über die Dauer der militärischen Auseinandersetzung entscheidet und in der Folge, gerade für die Zivilbevölkerung, weiteres Elend droht.

Täglich Milliarden

Nun lassen sich die Folgen für die israelische Wirtschaft deutlich besser abschätzen als für Gaza. Die Wirtschaft ist hochentwickelt, entsprechend sind durch die Arbeit der wissenschaftlichen Institute, der politischen Institutionen und der statistischen Ämter klarere Aussagen möglich. Von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Belastung ist die Länge des Krieges. Eine einfache Formel lautet: je länger der Krieg dauert, desto teurer wird er für Israel. Das bezieht sich zunächst auf die direkten Militärausgaben. Der Chef-Ökonom des Beratungsunternehmens „BDO Israel“ geht davon aus, dass die Kosten des militärischen Feldzugs fast 400 Mio. US-Dollar in der Woche betragen. Bezogen auf das israelische Bruttoinlandsprodukt würden innerhalb von 10 Tagen 0,7 Prozent zu veranschlagen sein. Bei diesen Berechnungen ist der aktuelle Wert der Währung des neuen israelischen Schekel (NIS) in seiner Entwicklung zu sehen. So ist die israelische Währung gegenüber dem Dollar – noch bevor es zum Krieg kam – um 9 Prozent billiger geworden. Diese Abwertung ist vor dem Hintergrund der israelischen Krise im Zusammenhang mit der Justizreform zu verstehen. Das Land ist deswegen auch hierzulande ein Dauerthema in den   Medien geworden. Die israelische Zentralbank sah sich aufgerufen, Ende August ihre Währungsreserven anzugreifen und 30 Mrd. US-Dollar zu verkaufen. Damit soll der Schekel stabilisiert werden – die Inflation geschwächt werden. Israel hat im Friedensjahr 2022 ca. 4,5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für militärische Ausgaben investiert. Verglichen mit den unerreichten Zielen Deutschlands, die einmal vereinbarten zwei Prozent des BIP für Rüstungsausgaben bereitzuhalten, also mehr als das Doppelte. Anders als  (das in Rüstungs- und Verteidigungsfragen traumtanzende) Deutschland befindet sich Israel seit der Gründung in einem Dauerkonflikt mit seinen arabischen Nachbarn. Trotz dieser Höhe dürften die direkten militärischen Kosten zu decken sein – nicht zuletzt deshalb, weil die amerikanische Regierung bereits Militärhilfen in Höhe von rund 10 Mrd. US-Dollar zugesagt hat.

Weniger Konsum und Arbeitsplätze

Stärker auswirken werden sich wohl die indirekten Folgen für die israelische Wirtschaft. Diese lassen sich nur umreißen, kaum beziffern. Da sind zunächst die rund 300.000 eingezogenen Reservisten, die ihren Arbeitsplatz verlassen haben. Dabei handelt es sich um immerhin 6 Prozent aller Beschäftigten des Landes, für die nun Sozialabgaben zu leisten sind, was die öffentliche Hand übernimmt. Dabei ist dieser Abzug aus dem Unternehmen natürlich für dieses nicht ohne Folgen – Arbeit bleibt liegen. Besonders IT-Firmen, die für Israels Wirtschaft und vor allem den Export wichtig sind, werden darunter zu leiden haben, weil ihre jungen Beschäftigten besonders von der Einberufung betroffen sind. Prognosen sehen hier durchaus ein Feld für Insolvenzen, weil die unternehmerische Tätigkeit nicht aufrechterhalten werden kann.  Wie entscheidend die Hightech-Branche für das Funktionieren der israelischen Wirtschaft ist, zeigen einige Zahlen: Fast die Hälfte aller Exporte kommt aus diesem Wirtschaftssektor. Das entspricht mehr als 70 Mrd. US-Dollar. Und Exporte sind für das Land wichtig, weil der Binnenmarkt mit knapp 10 Millionen Einwohnern nicht den Wohlstand schaffen könnte.

Ein wohlhabendes Land

Israel ist reich, das zeigen etwa die Einschätzungen des Internationalen Währungsfonds, die das Land weltweit auf dem 14. Platz sehen und ein BIP pro Einwohner von rund 55.000 US-Dollar errechnen. In den letzten 10 Jahren hat sich das BIP auf über 500 Mrd. US-Dollar verdoppelt. Neben der IT ist der Tourismusbereich mit einem Anteil von 5 Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Leistung eine ebenfalls wichtige Branche, die betroffen ist. Durch den Angriff der Hamas und die Reisewarnungen der westlichen Regierungen gibt es kaum noch Besucher. Aber auch die von Einheimischen genutzten verwandten Branchen, etwa die Gastronomie, werden leiden. Die Angst vor Angriffen und die psychologischen Auswirkungen des Kriegszustandes sorgen dafür, dass Lokale und Restaurants leer bleiben. Schließlich wird der gesamte private Konsum zurückstecken müssen. Das wirtschaftliche Wachstum in Israel wird durch den Krieg gebremst werden, die Zentralbank hat ihre Prognosen für das Sozialprodukt von 3,0 auf 2,3 Prozent zurückgenommen.

Haus zerstört und keine Hoffnung auf Arbeit

Schwer betroffen ist der Gazastreifen, aus dem heraus die Schergen der Hamas den Krieg begonnen haben. Häuser werden zerstört, die Infrastruktur liegt in Schutt und Asche. Auch hier gibt es indirekte wirtschaftliche Folgen. 17.000 Bewohner von Gaza hatten ihren Arbeitsplatz in Israel – es ist unwahrscheinlich, dass selbst nach der Beendigung des Konfliktes diese Beschäftigung wieder aufleben wird. Zu diesen Arbeitsplätzen kommen weitere aus der Westbank, wo es ebenfalls Unruhen gibt. Hier sind es etwa 170.000 Menschen, die für israelische Unternehmen und Institutionen arbeiten. Insgesamt sind 17 Prozent der palästinensischen Arbeitnehmer für die israelische Wirtschaft tätig. Wenn deren Einkommen wegfallen, ist die palästinensische Wirtschaft über die direkten Kriegseinbrüche hinaus weiter geschädigt.

Vielfach gewarnt wird vor einer Ausbreitung des Konfliktes, zunächst in den Libanon hinein und schließlich bis zu einem Flächenbrand, der den gesamten Nahen Osten entzündet.  Schon jetzt geht der Blick auf den Ölpreis, bei einer Solidarisierung der arabischen Staaten könnte es zu einem Energieengpass kommen, der an die Lage 1973 im Zuge des Jom-Kippur-Krieges erinnert. Es kam damals zur schwersten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg. Wegen des Elends der betroffenen Zivilbevölkerung, aber schließlich auch wegen der wirtschaftlichen Folgen geht es darum, dass ein stabiler Frieden in der Region einkehrt.

Quellen: aktuelle Medien (u. a. ntv, Tagesschau), Germany Trade and Invest