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Der Mittelstand bleibt finanziell stabil

Mit dem Blick auf den Mittelstand lautet die Gretchenfrage: Wie hält man es mit der Finanzierung?

Aus gutem Grund fragt die Creditreform Wirtschaftsforschung in der traditionellen Mittelstandsanalyse im Frühjahr und Herbst eines jeden Jahres nach den wichtigsten Größen der Finanzierung eines Unternehmens. Die Eigenkapitalquote und die Liquiditätslage, wie sie in den Forderungslaufzeiten und -ausfällen zum Ausdruck kommt, stehen bei der Befragung der KMU im Mittelpunkt.

Das Eigenkapital ist nicht nur ein Schutzschild bei wirtschaftlichen Schieflagen, sondern gerade auch bei kleinen Unternehmen eine wichtige Quelle für die Finanzierung von Investitionen. Wenig verwunderlich, dass die Investitionsbereitschaft bei den Mittelständlern seit Beginn der Krise 2020 gegenüber den Vorjahren zurückgegangen ist. Aktuell liegt sie bei 52,8 Prozent – in den Jahren davor waren es durchaus schon einmal mehr als 58 Prozent, die sich investitionsbereit gaben. Dabei nahmen die Befragten ihre Investitionsbereitschaft bei allen Investitionsarten zurück. Sowohl bei den Ersatzinvestitionen wie auch bei der Rationalisierung und den Anlageinvestitionen lagen die positiven Voten um zwei bis drei Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Befragt nach den Gründen für ihre Zurückhaltung gaben 51 Prozent an, dass sie in der aktuellen Situation keine Notwendigkeit für Investitionen sehen würden. An zweiter Stelle stehen die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten, die ein Investitionsvorhaben scheitern ließen (18,2 Prozent). An dritter Stelle wird die fehlende Liquidität ins Feld geführt – von ihr sprachen 10,2 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen. Hier wird noch einmal deutlich, wie stark kleinere Unternehmen von der Eigenfinanzierung abhängen und wie wichtig die Liquiditätssteuerung über das Forderungsmanagement für Investitionen ist. Neben der anhaltenden Inflation sprachen die Betriebe von den steigenden Zinsen (5,8 Prozent) und von den strengeren Kreditkonditionen (4,1 Prozent).

Die ganze Aufmerksamkeit für den Zahlungseingang

Das Zahlungsverhalten der Kunden hat sich in der Krise nicht verschlechtert. Auch in diesem Frühjahr konnten über 92 Prozent der Unternehmen nach höchstens 30 Tagen den Eingang ihres Geldes auf dem Geschäftskonto registrieren. Dies betraf allerdings nur die gewerblichen Kunden – bei den öffentlichen Kunden erhielten 82,6 Prozent der Unternehmen die Rechnungssumme innerhalb von 30 Tagen. Die schlechte Nachricht folgt aber auf dem Fuße, da 2022 8,5 Prozent der Unternehmen hohe Forderungsverluste in Höhe von mehr als einem Prozent des Umsatzes hinnehmen mussten. Im Vorjahr waren es noch 6,8 Prozent der Befragten, die Rechnungsausfälle in existenzgefährdender Höhe erlitten. Mit gleichbleibenden Forderungslaufzeiten, aber steigenden Forderungsausfällen werden typische Krisenmerkmale deutlich. Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten widmet man dem Forderungseinzug besondere Aufmerksamkeit, um eben die Gefahr steigender Forderungsausfälle zu bannen. In guter wirtschaftlicher Lage mag sich mancher Unternehmer über das Risiko eines Forderungsausfalls hinwegsetzen – kommt doch genügend Geld herein durch steigende Aufträge und Umsätze. Sind diese aber rückläufig, wird man sich um jeden ausstehenden Cent der Rechnung stärker bemühen. Ein eben solches Anzeichen der Krise macht sich bei den Eigenkapitalquoten bemerkbar. Hier sieht man auf den ersten Blick ein Paradoxon. Nach einem scharfen Einbruch 2021 hat sich die Zahl der Betriebe mit einer soliden Finanzierung und einer Eigenkapitalquote von über 30Prozent von 32,1 auf 34,2 Prozent erhöht. Der Anteil schwacher Finanzierung, wie sie bei einer Eigenkapitalquote von unter 10 Prozent zum Ausdruck kommt, blieb seit 2021 auf einer gleichen Höhe von etwa 30,7 Prozent. Auch hier gilt wie beim Forderungseinzug: Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage sind die Unternehmen bemüht, ihre Eigenkapitalquote stabil zu halten.

„Cash is back“

Es liegt auf der Hand und eine Vielzahl von Analysen etwa der EZB oder der Bundesbank beweisen es: Auch die Banken bemühen sich, Verluste zu vermeiden. Die Richtlinien zur Kreditvergabe sind strenger geworden und die Frage an den Kreditnehmer nach Sicherheiten wird öfter gestellt. Macht sich die neue Kreditvergabe-Politik der Banken schon bei den Gesprächen mit dem mittelständischen Kreditnehmer bemerkbar? Zunächst wird deutlich, dass der Mittelstand aktuell weniger um Kredite bemüht ist. So gaben 23,8 Prozent der Befragten an, dass sie in den letzten Monaten nach einem Kredit gefragt hätten. Vor zwei Jahren war es immerhin noch fast ein Drittel gewesen (32,4 Prozent), das ein Kreditgespräch mit der Bank geführt hat. Vor allem das Verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor waren weniger aktiv bei der Fremdfinanzierung.

Nur zuversichtliche Unternehmer mit einer starken Eigenkapitalfinanzierung bemühen sich: So antworteten 56,5 Prozent der Befragten, dass der Zweck ihres Kreditantrags in der Finanzierung von Investitionen gelegen habe. Mit deutlichem Abstand folgen dann Kredite für Betriebsmittel (16,9 Prozent) und die Warenfinanzierung (13,7 Prozent). Zur Sprache kommen aber auch Liquiditätsmängel bei knapp 7 Prozent der mittelständischen Unternehmen, die einen Kredit nachgefragt haben. Die Kreditzinsen sind deutlich gestiegen – das gilt nicht nur für den Konsumsektor im privaten Bereich oder die Finanzierung von Wohnungseigentum, sondern auch für die Unternehmensfinanzierung. Doch trotz der ansteigenden Zinsen, wie sie durch die neue Politik der EZB getrieben werden, bleibt die Sorge vor den Zinsverpflichtungen recht gering. Nur 8,4 Prozent der mittelständischen Unternehmen befürchten, bei den gestiegenen Zinsen den Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können.

Vielleicht ist mit dieser Antwort auch ein wenig die Frage beantwortet, ob die Maßnahmen der Zentralbank und der steigende Leitzins dazu führten, dass die bereits schwache Konjunktur nicht weiter aufstrebt. Insgesamt zeigt die Finanzierungssituation der Mittelständler im Frühjahr 2022 zwar einige Risse, die sich negativ auch bei der Investitionszurückhaltung bemerkbar machen, aber doch insgesamt von Solidität geprägt sind.

Quelle: Creditreform Mittelstandsanalyse