Risikomanagement Newsletter

EU-Hammer: Zahlungsverzug bekämpfen – aber nicht so

Mitte September 2023 wurde ein Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr eingebracht. Im Kern geht es darum, die Zahlungsfristen zwischen den Geschäftspartnern als Unternehmen konsequent auf 30 Tage zu begrenzen.

Bereits vor einigen Jahren war eine solche Begrenzung der Zahlungsfristen im Verhältnis zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen eingeführt worden. Dieser Richtlinie hatten sich aber nicht alle Länder angeschlossen, im Ganzen wurde sie jedoch begrüßt. Gerade in den südlichen Staaten der EU kam es zu einem massiven Zahlungsverzug bei der öffentlichen Hand. Vor zehn Jahren stand Italien bei seinen Lieferanten mit 70 Mrd. Euro überfälliger Forderungen in der Kreide. Es ging und geht darum, die Macht der Behörden bei der Begleichung von Rechnungen einzuschränken. Es hieß zwar: „Die öffentliche Hand ist ein sicherer Zahler, zahlt aber auch langsam.“ Die damalige Verordnung zum Zahlungsverzug stieß bei aller Unzulänglichkeit doch im Ganzen auf Zustimmung. Bei den aktuellen Änderungen im Hinblick auf eine Regelung des Zahlungsverkehrs unter privaten Unternehmen dagegen regt sich in Deutschland jedenfalls einiger Widerstand.

Flankierende Maßnahmen

Die EU hat ein ganzes Maßnahmenpaket auf dem Weg gebracht, welches die Zahlungsfristen auf 30 Tage begrenzt. Ein Überschreiten führt zu einer obligatorischen Zahlung von Zinsen. Darüber hinaus macht sie weitere Vorschläge:

  • Begrenzung der Zahlungsfristen auf 30 Tage bei B2B-Geschäftsvorgängen
  • Überprüfungs- oder Abnahmeverfahren mit einer Höchstdauer von 30 Tagen (keine Ausnahmeregelungen)
  • Die EU-Mitgliedsstaaten fördern die Verfügbarkeit von Schulungen in den Bereichen Kreditmanagement und Finanzwissen (einschließlich digitaler Zahlungsinstrumente für KMU).
  • Verzugszinsen werden automatisch erhoben (das Konzept des „Anspruchs“ wird abgeschafft) und der Endtag, an dem die Zinsen anfallen, wird präzisiert.
  • Die pauschale Entschädigung für jede verspätet durchgeführte Transaktion und Erhöhung beträgt 50 Euro, um der Inflation Rechnung zu tragen.
  • Die EU-Mitgliedsstaaten benennen Stellen, die für die Durchsetzung des Gesetzes zuständig sind, von Amts wegen oder infolge von Beschwerden Untersuchungen durchzuführen und befugt sind, Verwaltungssanktionen zu verhängen und die Namen von Zuwiderhandelnden zu veröffentlichen.
  • Einsatz digitaler Werkzeuge für eine wirksamere Durchsetzung
  • Bei öffentlichen Bauaufträgen müssen die Auftraggeber überprüfen, ob die Zahlungen an den Hauptauftragnehmer an die direkten Unterauftragnehmer weitergeleitet wurden.
  • Die EU-Mitgliedsstaaten richten ein nationales Mediationssystem zur Beilegung von Zahlungsstreitigkeiten im Geschäftsverkehr ein.
  • Die EU-Mitgliedsstaaten regeln das Problem der unlauteren Vertragsklauseln und -praktiken im nationalen Recht.


In ihrem Papier behandelt die Europäische Union auch die Kosten der Umsetzung, aber auch die erhofften Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Sie setzt auf positive Folgen in den Bereichen Preise und Kosten sowie bei den Innovationen. „Mit einem höheren, stabilen und besser vorhersehbaren aggregierten Cashflow verfügen die Unternehmen über mehr Liquidität, um in Innovationen zu investieren oder Kostensenkungen an die Verbraucher weitergeben zu können.“

Wo bleibt die Privatautonomie?

Diesen optimistischen Erwartungen schließt sich Deutschlands Wirtschaft nicht an. Mitte September lag der Vorschlag vor und postwendend kam die Antwort. Der BGA (Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen) steht hier für die anderen Mittelständler, die fordern, den Verordnungsentwurf zurückzuziehen oder ihn zumindest doch grundlegend zu überarbeiten. Dabei geht es insgesamt darum, dass die Vertragsfreiheit der Unternehmen in den Lieferketten „empfindlich eingeschränkt“ werde. Der BGA geht in seiner Stellungnahme soweit, von einer Existenzgefährdung der Betriebe durch die Regelungen zu sprechen. Statt weiterer gesetzlicher Regelungen geht es den Verbänden beim Problem des Zahlungsverzuges eher um eine Lösung durch eine wirksamere Rechtsdurchsetzung durch schnellere Gerichtsverfahren. Die Wirtschaft verweist darauf, dass Zahlungsfristen frei auszuhandeln sind. Gerade im Handel dauere es mit dem Abverkauf von gelieferten Waren oft länger, da sind Zahlungsfristen gegenüber dem Lieferanten entsprechend anzupassen. So sind Lieferantenkredite gerade bei Lieferketten ein Mittel der Wahl für beide Seiten, das hilfreich ist, Fremdfinanzierungen zu vermeiden oder nicht zu Zwischenfinanzierungen greifen zu müssen.

Jede vierte Insolvenz durch Zahlungsverzug und -ausfall

Dabei sind sich sowohl die EU als auch Deutschlands Wirtschaft darüber einig, dass das Überschreiten von Zahlungszielen nach wie vor ein Problem ist. In der Begründung ihres Vorschlags führt die EU aus, dass jährlich rund 18 Milliarden Rechnungen gestellt werden – das sind mehr als 500 pro Sekunde – und dass die Überschreitung von Zahlungszielen den Gläubiger in seinem Überleben gefährden kann, ist jedem Mitglied von Creditreform bekannt. Doch schießt der Vorschlag, Zahlungen gesetzlich zu regeln, über das Ziel hinaus. Klare Angaben bei der Rechnungslegung, ein gut funktionierendes Kreditmanagement und Mahnwesen sowie nicht zuletzt die Hilfe durch ein externes Inkasso sorgen für Liquidität. Aber um das im Einzelnen zu regeln, sind Zahlungsmodalitäten bei jeder Geschäftsbeziehung, in jeder Branche, ja teilweise auch in den Regionen höchst unterschiedlich und müssen entsprechend individuell ausfallen. Es bleibt zu hoffen, dass das Europäische Parlament und der Rat bereit sind, die Kritik aus den Verbänden in Deutschland aufzunehmen und entsprechend neue, praxisorientierte Vorschläge machen.

Quellen: Bundesrat (Drucksache 450/23), Arbeitsgemeinschaft Mittelstand (verschiedene Verbände)